CO2-Speicherung im Boden – darum brauchen wir sie!

5 Minuten
23. März 2023

Im Februar hat Dänemark drei neue Lizenzen zur geologischen Speicherung von CO2 vergeben. Damit ist das Land nach Norwegen, Grossbritannien und Holland der vierte Staat, der in der Nordsee CO2 in geologischen Speichern einschliessen möchte. Nur: Brauchen wir das? Zwingend, sagt die Wissenschaft. Und die Wirtschaft erwartet hunderttausende Jobs. Eine Einordnung des Klima-Wissenschaftlers Cyril Brunner.

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CO2-Speicherung

Wie bei diesem Bohrloch kann CO2 tief unter der Erde in den Sandstein gepumpt und eingeschlossen werden.
Bild: istock.com

Ausreichender Klimaschutz klappt nicht ohne CO2-Speicherung. Die Physik gibt es vor. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn wir die globale Erwärmung stoppen möchten, müssten unsere Treibhausgasemissionen auf Netto-Null. Egal ob bei 1,5°C, bei 2°C oder bei 3°C Erwärmung.

70-85 Prozent vermeiden, den Rest entfernen

Nun, wieso zielen wir auf Netto-Null und nicht auf null? Die Kurzfassung, denn auch das wäre genug Inhalt für einen separaten Beitrag: Selbst mit grossen Bemühungen werden wir in der Schweiz schätzungsweise nur 85 Prozent, global schätzungsweise nur 70 Prozent aller Treibhausgasemissionen vermeiden können. Inklusive Suffizienzmassnahmen. Würden wir hier mit dem Klimaschutz aufhören, würde es mit der Zeit immer noch wärmer werden. Die Folgen in der Natur sind jetzt schon drastisch. Unter Netto-Null gleichen wir die restlichen 15 bis 30 Prozent aus, indem wir gleichzeitig wieder eine gleichwertige Menge CO2 aus der Atmosphäre entfernen. So dass es fürs Klima so wirkt, als hätten wir keine Treibhausgase mehr emittiert. Nur dann steigt die Temperatur nicht mehr. Daher kommt der Weltklimarat IPCC zum Schluss, dass die CO2-Entfernung “unverzichtbar” ist, um Netto-Null zu erreichen. Und bis Wissenschaftler:innen unverzichtbar sagen, braucht es schon einiges. Das heisst aber nicht, dass deswegen keine Emissionsreduktion um 70 bis 85 Prozent nötig wäre! Für ausreichend wirksamen Klimaschutz braucht es beides.

Verschiedene Methoden, dasselbe Ziel

Die geologische CO2-Speicherung wird in zwei Bereichen für Netto-Null gebraucht: Einerseits für Carbon Capture and Storage, CCS, und andererseits für die CO2-Entfernung. CCS dient zur Verringerung unserer Emissionen. Es hilft uns also, auf die 85 Prozent Emissionsreduktion zu kommen. Dabei filtert man CO2 aus den Abgasen grosser Anlagen. Das können Zementwerke oder Kehrichtverbrennungs-Anlagen sein. Man erhält reines CO2, welches am Eintritt in die Atmosphäre gehindert werden muss. Die meist verbreitete Methode dazu ist es, das CO2 in geologischen Formationen zu speichern. Bei der CO2-Entfernung wird mit verschiedenen Methoden CO2 aus der Atmosphäre gefiltert. Bei einigen Methoden erhält man auch reines CO2, welches geologisch eingeschlossen werden soll. Die Erschliessung von geologischen Speichern durch Dänemark, Norwegen, Grossbritannien und Holland ist also nur eine konsequente Folge ihrer Netto-Null-Ziele.

CO2 Sandstein

Die Grafik zeigt, wie CO2 im Sandstein gespeichert wird.  Quelle: Übersetzt aus Hefny et al., 2020

Die geologische CO2-Speicherung ist eine der dauerhaftesten Speichermethoden für CO2. Intuitiv denken viele Menschen, dass die geologische CO2-Speicherung unsicher sei. Viele stellen sich eine grosse Höhle vor, in die das CO2 gepumpt wird. In der Realität nutzt niemand eine Höhle, sondern porösen Sandstein in mehr als 800 Meter Tiefe. Das CO2 wird für mehr als 100’000 Jahre eingeschlossen, beispielsweise durch Kapillarkräfte in die Gesteinsporen. So wie auch Erdgas in Erdgasfeldern über Millionen von Jahren eingeschlossen wurde.

Millionen Jahre alte CO2-Felder

Es gibt auch natürliche, Millionen Jahre alte CO2-Felder. Die nächsten zur Schweiz liegen in Südfrankreich, beispielsweise bei Montmiral. In Norwegen wird seit 1995 CO2 geologisch gespeichert. Pro Jahr bis zu einer Million Tonnen CO2 pro Bohrloch. Das erklärt auch Norwegens gegenwärtige Offenheit zur geologischen CO2-Speicherung. Global speicherten im Jahr 2019 so diverse Unternehmen insgesamt 39 Million Tonnen CO2. Also etwa die gleiche Menge an CO2, wie die Schweiz im Jahr 2019 emittierte. In einer alternativen Methode der geologischen CO2-Speicherung wird das CO2 nicht in Sandstein, sondern Basaltgestein eingebracht, wo das CO2 innert weniger Jahre zu Kalk reagiert. So beispielsweise in Island oder im Oman.

Risiken der CO2-Speicherung sind primär induzierte seismische Aktivität. Durch eine gute Sondierung der geologischen Stresszonen und eine geeignete Standortwahl kann die induzierte seismische Aktivität auf ein Niveau gebracht werden, dass sie nicht mehr grösser ist, als die natürliche seismische Aktivität. Hier ist es wichtig zwischen der CO2-Speicherung und Fracking zu unterscheiden. Bei Fracking wird mit viel Druck versucht, Risse und Poren im Tiefengestein zu produzieren, um das im Stein gespeicherte Erdgas und Erdöl herauszuholen. Das führt zu induzierter seismischer Aktivität. Bei der CO2-Speicherung wird hingegen gezielt poröses Gestein gesucht und der Druck, mit dem die Firmen arbeiten, ist deutlich tiefer.

Wir haben ein Abfallmanagement-Problem

Egal ob wir es schaffen unsere Treibhausgasemissionen bis zur Jahrhundertmitte um 85 oder um 95 Prozent zu reduzieren, bei den restlichen Treibhausgasemissionen wird es sich um eine riesige Menge handeln. Eine gleich grosse CO2-Entfernung aufzubauen ist nicht etwas, dass sich in ein paar Tagen umsetzen lässt, sondern braucht Jahrzehnte. Daher ist es wichtig, dass wir jetzt zwar den Fokus auf der Verringerung unserer Emissionen haben, den Aufbau der CO2-Entfernung aber gleichzeitig angehen. Am Schluss brauchen wir beides, damit es fürs Klima aufgeht.

Manchmal fürchten sich Leute davon, dass CCS und die CO2-Entfernung von der Emissionsreduktion ablenken. Aus meiner Sicht ist genau das Gegenteil der Fall. Salopp betrachtet haben wir ein Abfallmanagement-Problem. Denn wir entsorgen unseren Treibhausgasabfall einfach in der Atmosphäre. So wie wir früher Müll einfach in den Gassen, im Wald, in Seen oder auf Feldern liegen liessen. Inzwischen ist es für uns das Normalste, den Müll korrekt zu entsorgen. Und auch etwas dafür zu bezahlen. In einer Netto-Null-Welt wäre die CO2-Entfernung die Abfallentsorgung, die unsere Treibhausgasabfälle wieder aus der Atmosphäre holt und korrekt entsorgt.

Entfernung jeder Tonne CO2 kostet 100 bis 250 Franken

Aktuell kostet das Entfernen einer Tonne CO2 600 bis über 1000 CHF. Für die CO2-Entfernung eines Liters Benzin wären dies beispielsweise 1.40 – 2.40 CHF. Weil die Entfernung jeder Tonne CO2 auch zukünftig im besten Fall zwischen 100 bis 250 CHF kostet, wird es in den meisten Fällen die günstigere Variante sein, unsere Emissionen zu reduzieren statt weiter zu emittieren und nachher fürs Aufräumen zu bezahlen. Genauso, wie viele von uns Papier, Karton, Glas, PET oder Styropor nicht in den Abfall werfen. Weil man es so machen soll, aber sicher auch, weil es schlicht günstiger kommt. Damit das Ganze auch mit den Treibhausgasemissionen klappt, braucht es aber auch die entsprechenden politischen Rahmenbedingungen – wie beim Abfall.

Ein globaler Wirtschaftssektor entsteht

Auch aus einem zweiten Grund sind Kosten nicht unbedingt schlecht. Denn meist, wenn Kosten für eine Dienstleistung anfallen, gibt es auch eine Wertschöpfung. Rechnen wir die Menge an CO2-Entfernung gängiger 1,5°C-Klimaszenarien um, ergibt das 1 – 2.5 Billiarden US-Dollar, welche jährlich in der CO2-Entfernung umgesetzt werden. Ein neuer globaler Wirtschaftssektor. Hier wollen Dänemark, Norwegen, Grossbritannien und Holland sicherlich ein Stück davon abhaben. Weil Klimaschutz zu einem Geschäftsmodell wird, steigt typischerweise auch die Befürwortung. Alleine Grossbritannien rechnet in den nächsten zwei Jahrzehnten mit bis zu 100’000 neuen Jobs.

Die CO2-Speicherung ist somit eines von vielen Puzzleteilen zu einer klimaneutralen Gesellschaft. Ohne sie ist das Puzzle nicht komplett, aber nur mit ihr auch nicht. Es ist eine der dauerhaftesten Methoden die wir kennen, um CO2 zu speichern. Dass es etwas kostet, führt mit den richtigen Rahmenbedingungen dazu, dass wir Netto-Null schneller und breiter unterstützt erreichen.

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Autor:in: Cyril
Brunner
Cyril Brunner ist Klimaforscher an der ETH Zürich und schreibt als Gastautor Beiträge für das Go Green Magazin.
iac.ethz.ch
Kommentare
  • Avatar-Foto Kaufmann Yvonne 1946:

    Danke für diese verständliche Information!
    Es ist höchste Zeit, dass wir weltweit ernsthaft in dieser Angelegenheit wirklich tätig werden. Seit dem 2. Weltkrieg war vor allem – Mehr Umsatz – Mehr Gewinn – Mehr Macht – Mehr Luxus – die treibende Kraft der Menschheit. Damit haben wir viel zu stark in die ganze Schöpfung – Welt belastend eingegriffen. Die Klimaerwärmung ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Viele meinen, das sei schon immer so gewesen. Mag sein. Doch wenn wir auf unserer Erde weiterhin leben wollen, müssen wir alle endlich richtig tätig werden!

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