Der Mann mit Käse-Heiligenschein: Tilsiter verkauft „klimaneutral produzierten“ Käse – die Milchproduktion wird dabei ausgeklammert. Bild: Tilsiter
Wahrscheinlich ist es der bislang unverfrorenste und haarsträubendste Fall von Greenwashing in der Schweizer Werbung. Als der Käseproduzent Tilsiter im vergangenen Sommer die Kampagne «Geniessen mit gutem Gewissen – der erste offiziell klimaneutral produzierte Käse der Schweiz» lancierte, hagelte es in den Medien Kritik. Das Werbesujet mit Käse-Heiligenschein ging nach hinten los.
Die Milch wird einfach ausgeklammert
Die Schlaumeierei der Marketing-Leute: «klimaneutral produziert» bezieht sich nur auf den Produktionsprozess NACH der Entstehung des Rohstoffs Milch. Und dies auch nur in einem einzelnen Betrieb der Firma. Die Milch macht aber in der Klimabilanz des Produkts Käse gemäss einer Studie von Agroscope 95 Prozent der Treibhausgas-Emissionen aus. Denn das von den Kühen beim Rülpsen ausgestossene Methan ist einer der schlimmsten Klimakiller. Über einen Zeitraum von 20 Jahren hat es eine über 80-mal stärkere Klimawirkung als CO2. Zudem setzt die auf den Feldern ausgebrachte Gülle klimaschädliches Lachgas frei. Die Zahlen sind klar. Tierische Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte sind enorm klimaschädlich. Der gesamte Prozess zur Produktion von Käse trägt ebenfalls stark zur Erderwärmung bei. Das sind Fakten, die sich nicht schönreden lassen.
Was die Konsument:innen bei dieser Werbung verstehen ist eindeutig: Der Käse als Ganzes ist klimaneutral. Diesbezüglich ist es auch ein Fall, der gemäss Experten gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb verstossen könnte.
Das Tilsiter-Label „klimaneutral produziert“ – was die Konsument:innen darunter verstehen ist unzweifelhaft. Bild: Tilsiter
Die Käsefirma ist aber nur ein Beispiel von unzähligen, wie Kund:innen heutzutage bis zur Besinnungslosigkeit dem Greenwashing ausgesetzt sind. Besonders kritisch wird es, wenn Unternehmen die Produkte als klimaneutral verkaufen.
Ein klimaneutrales Produkt kaufen wir dann, wenn sich die Menge an klimaschädlichen Gasen in der Atmosphäre insgesamt nicht erhöht. Der eine Weg geht über die CO2-Reduktion oder Vermeidung. Wobei die hundertprozentige Vermeidung in einer Produktion per se nicht möglich ist. Also kompensieren die Firmen CO2 beispielsweise über Klimaschutzprojekte wie der Wiederaufforstung. Das ist nicht falsch und hilft, die Erwärmung – zeitversetzt jedoch – etwas zu verlangsamen. Dennoch sollte die Bewertung eines Unternehmens letztlich mit der konkreten Reduktion der CO2-Emissionen im Produktionsprozess verknüpft sein. Und dies sollten wir über die gesamte Lieferkette tun. Nicht nur im Versand oder der Verwaltung.
Begriff „klimaneutral“ muss gesetzlich geschützt werden
Der Wust an klimaneutral-Labels in Europa ist gross und unübersichtlich. Darum muss die Politik zumindest den Begriff «klimaneutral» gesetzlich unbedingt regeln. Genau gleich wie «Bio» ein geschützter Begriff in der Schweiz und der EU ist. Das hilft letztlich nicht nur den Konsument:innen, die sich nicht mehr solch dreiste Marketing-Ideen ansehen müssen. Es hilft auch denjenigen Unternehmen, die tatsächlich grosse Schritte zur Klimaverträglichkeit tun. Und von denen gibt es zum Glück immer mehr.
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Super Beitrag! Genau so ist es: ein gesetzlich geregeltes Label muss unbedingt her!