Doch wieder Gratisemissionen für die Luftfahrt

4 Minuten
22. Mai 2025

Eigentlich wollte man die Gratisemissionen bei den Airlines abschaffen – nun kommen sie doch wieder. Der Staat fördert Dinge, die per Gesetz sowieso passieren müssen. Und nicht nur bei der Luftfahrt stellt sich die Frage: Wer zahlt wie viel für sein CO2?

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Gratisemissionen

Die Airlines erhalten einen gewissen Teil der Emissionsrechte gratis zugeteilt.  Bild: istock.com

Beim Klima geht es eigentlich immer um zweierlei. Einerseits natürlich um die Kernfrage: Wie kriegen wir die Transformation schnell genug hin? Anderseits schwingt aber auch immer eine Gerechtigkeitsfrage mit. Wer bezahlt für diese Transformation? Und hier sind die Regeln alles andere als einheitlich.

Eine Bewilligung, um das Klima zu belasten

Die Airlines dürfen zum Beispiel beim Schweizer Emissionshandelssystem (EHS) mitmachen. Dort müssen sie für jede ausgestossene Tonne CO2 dem Bund ein sogenanntes Emissionsrecht abgeben. Diese Emissionsrechte haben nichts mit Kompensationen zu tun – sie sind eher eine Art Bewilligung dafür, das Klima zu belasten: Ich will eine Tonne ausstossen, dann kostet mich das ein Emissionsrecht. Das ist die Grundregel in diesem Spiel der Emissionen. Damit soll ein Markt geschaffen werden für ein dreckiges Gut – für das Recht, die Atmosphäre mit CO2 belasten zu dürfen.

So funktioniert das Emissionshandelssystem (EHS)

Das Schweizer Gesetz kennt eine Vielzahl verschiedener Instrumente, mit denen die Treibhausgasemissionen reduziert werden sollen. Für die Emissionen aus dem Strassenverkehr gelten andere Regeln, als für das CO2 der Airlines oder den Industriebetrieben. Den höchsten Preis bezahlen über die CO2-Abgabe die Privathaushalte für ihre Heizemissionen: 120 Franken pro Tonne.

Die klimaschädlichsten Industriekonzerne und die Airlines kommen hingegen günstig davon – sie dürfen ihren Ausstoss über das Emissionshandelssystem abrechnen und bezahlen deshalb keine CO2-Abgabe. Der Preis pro Tonne wird im EHS über einen europaweiten Markt generiert und schwankt im Moment um 70 Euro. Damit ist das CO2 im EHS also nur etwa halb so teuer, wie über die CO2-Abgabe.

Dazu kommt, dass die EHS-Firmen nicht alle benötigten Emissionsrechte tatsächlich selber kaufen müssen. Einen Teil kriegen sie gratis zugeteilt, also geschenkt, vom Bundesamt für Umwelt BAFU. Im EHS für die Industriekonzerne werden rund 95 Prozent der Emissionsrechte gratis vergeben. Es gibt auch Konzerne, die Jahr für Jahr mehr Emissionsrechte gratis erhalten, als sie für ihren eigenen Ausstoss brauchen. Überschüsse können für spätere Jahre beiseite gelegt oder verkauft werden.

Kaufen können die Airlines diese Emissionsrechte entweder bei Versteigerungen, die das Bundesamt für Umwelt BAFU durchführt, oder an internationalen Energiebörsen wie der EEX in Leipzig, weil das Schweizer Emissionshandelssystem mit dem der EU zusammengeschlossen ist. Ein Emissionsrecht kostet an der EEX zurzeit rund 70 Euro.

Emissionsrecht

Der Preis für das Recht, eine Tonne CO2 emittieren zu dürfen, schwankt, weil die Emissionsrechte an der Börse gehandelt werden.  Grafik: EEX

Aktuell erhalten die Airlines noch einen gewissen Teil der Emissionsrechte gratis zugeteilt, also geschenkt. Geplant war eigentlich, diese Emissionsgeschenke auslaufen zu lassen. «Ab 2026 werden sämtliche Emissionsrechte versteigert und nicht mehr kostenlos zugeteilt.», schreibt das BAFU auf der hauseigenen Informationsseite zum Emissionshandelssystem für die Airlines. Doch ganz abgeschafft werden sollen sie nun doch nicht – so jedenfalls plant es der Bundesrat in der neusten Überarbeitung der CO2-Verordnung. Um zu verstehen, woher die neuen Gratistonnen kommen sollen, muss man zuerst noch eine andere Klimaregel für die Airlines kennen: Die Beimischquote.

Gratisemissionen für nachhaltige Flugtreibstoffe

Neu müssen die Airlines ihrem Kerosin auch einen gewissen Prozentsatz erneuerbare Treibstoffe beimischen, sogenannte SAF – Sustainable Aviation Fuels. Laut den neuesten Plänen des Bundesrates sollen Airlines für das Beimischen dieser SAF mit Gratisemissionsrechten belohnt werden, die sie dann im EHS zur Deckung ihrer Treibhausgase einsetzen können. Eine Fördermassnahme, die jedoch kaum zu weniger CO2 führt. Das schreibt der Bundesrat selber im Bericht zur Überarbeitung der CO2-Verordnung. Die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten wird „keine oder nur geringe direkt quantifizierbaren Auswirkungen auf die Emissionen des Flugverkehrs haben“, heisst es im Bericht auf Seite 15.

Zudem wird hier etwas gefördert, was sowieso passieren muss, denn die Airlines sind ja gesetzlich dazu verpflichtet diese erneuerbaren Treibstoffe beizumischen. Fördert der Staat Dinge, die aber sowieso geschehen, zum Beispiel eben, weil sie gesetzlich vorgeschrieben sind, dann spricht man von sogenannten Mitnahmeeffekten – bildlich gesprochen, weil man das Geld, das einem geboten wird, natürlich gerne «mitnimmt», die Förderung aber eigentlich gar nicht unbedingt nötig wäre damit etwas umgesetzt wird.

BAFU: „Mitnahmeeffekt ist beabsichtigt“

Laut einer Recherche des Tages-Anzeiger ist man sogar in der Luftfahrtbranche selbst skeptisch, ob dereinst genug SAF vorhanden sein werden, um die Beimischquoten erfüllen zu können – es ist also kaum damit zu rechnen, dass die Airlines mehr SAF reinkippen, als gesetzliche vorgeschrieben. Mischen die Airlines nicht über die gesetzliche Beimischquote hinaus erneuerbare Treibstoffe bei, hat diese Fördermassnahme einen Mitnahmeeffekt von 100 Prozent. Darauf angesprochen, schreibt das BAFU: „SAF ist im Moment noch drei- bis fünfmal so teuer wie konventionelles Kerosin, deshalb ist ein Mitnahmeeffekt zur Zeit beabsichtigt.“

Das ist nicht bei allen Fördertöpfen so, denn solche Mitnahmeeffekte möchte man in der Politik gemeinhin eigentlich eher verhindern. Das Gebäudeprogramm, mit dem in den letzten Jahren erfolgreich Häuser saniert und der Ersatz von fossilen Heizungen finanziell gefördert wurde, soll, wenn es nach dem Sparplänen des Bundes geht, eingestampft werden. Die Begründung: Es gäbe zu viele Mitnahmeeffekte. Bei einer Befragung hat rund die Hälfte der Geförderten angegeben, dass sie auch ohne das zusätzliche Geld aus dem Gebäudeprogramm saniert hätten – hier gibt es also 50 Prozent Mitnahme, nur halb so viel wie bei den Airlines. Mitnahmeeffekt bei den Heizemissionen werden also offensichtlich nicht gleich behandelt wie Mitnahmeeffekt bei den Flugemissionen.

Heizemissionen

Aus den Fördertöpfen des Gebäudeprogramms wurde der Ersatz von fossilen Heizungen (Bild) gefördert – mit geringeren Mitnahmeeffekten als bei den Gratisemissionen für das Beimischen nachhaltiger Treibstoffe im Flugverkehr.  Bild: istock.com

Keine CO2-Abgabe für die grössten Klimaverschmutzer

Und es gibt einen weiteren Unterschied: Auf Heizemissionen bezahlt man einen direkten CO2-Preis, auf Flugemissionen nicht. Für Emissionen aus fossilen Brennstoffen, wie sie zum Beispiel entstehen, wenn man zu Hause noch eine Ölheizung im Keller hat, bezahlt man aktuell 120 Franken CO2-Abgabe pro Tonne CO2. Auch wenn Firmen in der Produktion fossile Brennstoffe einsetzen, schlägt dies grundsätzlich mit 120 Franken pro Tonne zu Buche. Aber: Nicht für alle Firmen.

Gerade die grössten Emittenten sind nämlich von der CO2-Abgabe befreit. Hier geht es um Pharmakonzerne wie La Roche oder BASF, um Zementhersteller wie Holcim, um Stahlverarbeiter wie Stahl Gerlafingen oder Steeltec oder auch um die letzte Schweizer Erdölraffinerie Varo. Sie alle bezahlen keine CO2-Abgabe, stattdessen machen auch sie – wie die Airlines – beim Emissionshandelssystem mit und bezahlen dort viel weniger bis nichts für ihre CO2-Tonnen.

Damit will man verhindern, dass emissionsintensive Branchen ins Ausland abwandern. Schlussendlich führt das aber auch dazu, dass die grössten Klimaverschmutzer der Schweiz noch nie wirklich etwas für ihre Emissionen bezahlen mussten – ganz im Gegensatz zu privaten Hausbesitzern.

Wer zahlt an der Zapfsäule?

Ein letztes Beispiel: Anders als auf fossile Brennstoffe gibt es auf fossile Treibstoffe, also Benzin und Diesel, in der Schweiz keine CO2-Abgabe. Hier müssen die Treibstoffimporteure lediglich für einen Teil des CO2, das sie ja in Form von Benzin und Diesel in die Schweiz importieren, beim Bund Kompensationszertifikate abgeben. Auch das führt schlussendlich zu einer Bepreisung von CO2, weil die Treibstoffimporteure die Kosten, die durch die Beschaffung dieser Zertifikate bei in- und ausländischen Kompensationsprojekten entstehen, an der Zapfsäule weiterleiten. Der Preis pro Tonne CO2 fällt aber um einiges niedriger aus als über die CO2-Abgabe bei den Heizemissionen.

Autoabgase

Auf Treibstoffe für Verbrennerautos müssen Kompensationszertifikate abgegeben werden. Der Preis pro Tonne CO2 ist aber niedriger als bei Heizemissionen.  Bild: istock.com

Zudem dürfen die Treibstoffimporteure nicht die vollen Kosten auf den Benzinpreis umwälzen. Das, was die Treibstofffirmen maximal an der Zapfsäule draufschlagen dürfen, ist per Gesetz auf 5 Rappen pro Liter Benzin gedeckelt. Alles, was über diese 5 Rappen hinausgeht, müssten sie selber bezahlen und würde entsprechend von ihrem Profit abgehen. Ob sich die Treibstofffirmen aber an diese Grenze von 5 Rappen halten oder nicht, ist gerade alles andere als klar, wie eine kürzlich erschiene Recherche zeigt.

Was soll man subventionieren?

Und es stellen sich Fragen: Wer zahlt wie viel für die Transformation auf klimastabil? Wie viel zahlen die Unternehmen für die Umstellung und wie viel zahlen die privaten Haushalte? Ist es sinnvoll, erneuerbare Flugtreibstoffe zu fördern? Oder wäre es nicht gerade notwendig, das Fliegen zu verteuern? Gäbe es auf dem Weg zur Klimastabilität nicht sinnvollere Dinge zu fördern als Flugreisen? Dinge, die wir alle für unser tägliches Leben brauchen? Pflanzliche Lebensmittel? Gute und günstige öffentliche Verkehrsmittel?

In Artikel 74 unserer Verfassung steht folgendes: «Die Kosten der Vermeidung und Beseitigung tragen die Verursacher.» Wer also den Dreck macht, der macht ihn auch wieder weg – oder bezahlt zumindest dafür. Davon sind wir beim CO2 offensichtlich meilenweit entfernt.

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Autor:in: Alex
Tiefenbacher
Die Journalistin Alex Tiefenbacher studierte Umweltnaturwissenschaften und Philosophie, beides an der ETH Zürich. Seit 2009 schreibt sie für verschiedene Medien wie das Onlinemagazin das Lamm, die WOZ, den Beobachter oder die Republik. Ihre thematischen Schwerpunkte: Klimapolitik und Klimagesetzgebung. Im Februar 2024 veröffentlichte sie das Buch "CO2-Ausstoss zum Nulltarif – Das Schweizer Emissionshandelssystem und wer davon profitiert".
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