Ein Ökoskitag in Saas-Fee - der Selbsttest

7 Minuten
5. Januar 2023

Fällt der ersehnte Schnee endlich, wollen wir auf die Piste! Ob wir den Wintersport auch nachhaltig ausüben können, testet Go Green beim Ökoskitag in Saas-Fee. Das Dorf, welches auch schon als umweltfreundlichstes Skigebiet der Schweiz gepriesen wurde. Unser Augenmerk liegt bei Anreise, Energie und Essen auf der Piste.

figure
Ökoskitag Saas-Fee

Atemberaubende Kulisse beim Skifahren in Saas-Fee: Der Feechopf mit dem Feegletscher.  Bild: Saastal Tourismus AG

Langsam öffnen sich die Schiebetüren der Metro Alpin, und wir steigen im flotten Tempo die Stufen zum Ausgang empor. Sonne, Schnee und Alpenluft – wir können es kaum erwarten! Doch bevor wir die weltweit höchste Metro verlassen, verschlägt es uns den Atem. Zuerst zweifeln wir an unserer Kondition, bis wir realisieren, dass auf 3500 Meter der Sauerstoffgehalt deutlich geringer ist als zu Hause. Das zweite atemraubende Ereignis folgt sogleich: Es ist die Aussicht von der Bergstation Mittelallalin. Direkt über uns ragen die 4000er in den Himmel, das Allalinhorn, der Alphubel, das Täschhorn und der 4545 Meter hohe Dom, der höchste, vollständig in der Schweiz stehende Gipfel.

Die Anreise – Skifahrer:innen stehen in der Pflicht

Go Green verbindet mit Saas-Fee eine Nachhaltigkeitspartnerschaft. Darum möchten wir aus der Sicht von Skitourist:innen erfahren, wie sich nachhaltiges Skifahren tief in den Walliser Bergen umsetzen lässt. Ein Ökoskitag in Saas-Fee.

Wintersport und Umweltschutz sind in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unbedingt deckungsgleich. Kaum eine andere Sportart ist auf eine dermassen energieintensive Infrastruktur angewiesen und erfordert so massive Eingriffe in die Landschaft. Betrachten wir die Energie- und CO2-Bilanz noch etwas umfassender, dann kommt hinzu, dass 50-75 Prozent der Treibhausgas-Emissionen bei der An- und Abreise der Gäste anfallen. Das heisst, wir Skifahrer:innen stehen genauso in der Pflicht.

Autofrei seit 1951

Saas-Fee geht hier mit gutem Beispiel voran: Seit der Eröffnung der Zufahrtsstrasse im Jahr 1951 ist das Dorf autofrei. Selbstverständlich haben auch wir für unseren Besuch die nachhaltigste Option gewählt: Von Zürich dauert die Anreise mit Zug und Postauto nur drei Stunden und endet beim Busterminal mitten im Dorf. Wer die Schlepperei des Wintersportgepäcks scheut, kann dies vom Tür zu Tür Gepäcktransport der SBB erledigen lassen.

Was fehlt dir noch in Sachen Nachhaltigkeit in Schweizer Skigebieten?

Elektro-Postauto

100 Prozent elektrisch: Der neue E-Shuttlebus bringt die Skifahrer:innen zur Seilbahn Alpin Express. Im Hintergrund die neue Jugendherberge, ein Leuchtturm in Sachen Energieeffizienz.  Foto: Bernard van Dierendonck

ÖV-Umstieg – Anreize werden grösser

Anreize für die Anreise mit dem ÖV gibt es durchaus schon. Mit der Saastalcard – ab der ersten Übernachtung inbegriffen – können die Gäste die öffentlichen Verkehrsmittel im gesamten Saastal nutzen. Bei der SBB gibt es die Destination im Snow’n’Rail Angebot allerdings noch nicht. Eine wünschenswerte Option wäre auch, dass die Hotels Ermässigungen für eine ÖV-Anreise offerieren.

Bereits erfolgreich umgesetzt und oft genutzt wurde diesen Winter ein Angebot von Saas-Fee und der SBB, mit dem die Gäste an einem der 600 Park- und Rail-Bahnhöfe der Schweiz zum halben Tagestarif parkieren und per Zug nach Saas-Fee fahren konnten. Das autofreie Dorf hat eine bessere Ausgangslage als die meisten Schweizer Ski-Destinationen. Wie alle anderen Orte sucht es aber noch nach dem unschlagbaren ÖV-Angebot, das kein Autofahrer ablehnen kann. Gemäss Saastal-Tourismus soll in dieser Richtung künftig noch einiges passieren.

Perfekte Pisten und wilde Gletscherwelt

Oben auf dem Mittelallalin ist es an diesem Tag ausserordentlich mild. Neben uns instruiert ein englischer Skilehrer seine Gäste und erzählt ihnen, dass er im Hochwinter selten so hoch hinauffährt. Die Schneesicherheit sei ein Plus, jedoch herrschten von Dezember bis Anfangs Februar hier oben meist bitterkalte Verhältnisse. Darum bevorzuge er in dieser Zeit für den Unterricht die tiefer gelegenen Skipisten und die sonnigen Nachbarstationen Saas-Grund und Saas-Almagell.

Wieder bei Atem bringen uns einige Schlittschuhschritte zum Beginn der Pisten. Sie sind breit, abwechslungsreich und perfekt präpariert. Unsere Skis carven mühelos im griffigen Schnee. Wir gleiten im rasanten Tempo über den Feegletscher in Richtung Längfluh. Auf einer flachen Gleitstrecke bewundern wir die eindrücklichen Gletscherspaltenzonen neben der Piste. Ehrfürchtig bremsen wir ab und bestaunen die Hängegletscher und Séracs an den Flanken der Viertausender. Waren wir je zuvor schon so unmittelbar in einer solch wilden Gletscherwelt auf einer Skipiste unterwegs?

Saas-Fee Gletscher

Wilde Gletscherwelt von der Skipiste aus gesehen: Das Spaltenlabyrinth auf dem Feegletscher.  Foto: Bernard van Dierendonck

Solarziegel auf Kirchendach

Diese Gletscherwelt ist mit ein Grund, wieso sich Saas-Fee in Sachen umweltfreundlicher Energieversorgung mit viel Herzblut engagiert. Die vielen realisierten, umgesetzten und angedachten Massnahmen lesen sich wie ein Wunschzettel in Sachen ökologischer Energieversorgung. So werden Dorf und Bergbahnen zu 100 Prozent mit Strom aus lokaler Wasserkraft versorgt. Zusätzlich produzieren auf immer mehr Dächern Photovoltaikanlagen Energie. Auch das Kirchendach wurde kürzlich mit ästhetischen Solarziegeln gedeckt.

Solarthermisches Kraftwerk gibt Energie für Hostel und Wellnessbad

Besonders ist das solarthermische Kraftwerk, welches auf dem runden Parkhaus gebaut wurde. Die hier im Sommer erzeugte Energie wärmt einen auf einer Tiefe von bis zu 160 Metern angelegten Erdspeicher. Diese Erdwärme wird bei Bedarf mit Wärmepumpen auf die erforderliche Temperatur gebracht und soll in Zukunft das halbe Dorf mit Wärmeenergie versorgen. Prominentester Abnehmer sind bereits heute die moderne Jugendherberge wellnessHostel4000 und das ihr angegliederte Wellnessbad Aqua Allalin. Dank diesen Pionierleistungen wurde Saas-Fee als bisher einziges Schweizer Bergdorf mit dem Label Energiestadt Gold ausgezeichnet.

Pistenbully Saas-Fee

Ökoskitag in Saas-Fee: Der neue Hybrid Pistenbully spart 20 Prozent Treibstoff.  Foto: Bernard van Dierendonck

Pflanzliches Essen auf der Piste – noch Luft nach oben

In vielerlei Hinsicht ist Saas-Fee vorbildlich. Für die Erreichung der Klimaziele ist aber auch ein ansehnliches Angebot an pflanzenbasierten Menüs unerlässlich. Wir geben Saas-Fee in die Gastronomie App «Happy Cow» ein und stellen den Filter auf «vegan». Der digitale Helfer findet im Dorf selber sieben Restaurants mit entsprechenden Menüs. Auf der Piste zeigt die App nichts an. Wir zweifeln und steigen zunehmend hungrig bei einem Pistenrestaurant nach dem anderen aus der Skibindung. Im Drehrestaurant Mittelallalin gibt es einige vegetarische Gerichte. Dazu eine vegane Bauernsuppe oder einen Teller Pommes Frittes. Besser sieht es tiefer unten an der Längfluh aus. Dort entdecken wir auf der Speisekarte eine sättigende, vegane Gemüserösti.

Den letzten Check machen wir beim Buffet im Pistenrestaurant Morenia. Hier wird zwar nichts als vegan deklariert, doch beim vegetarisch-asiatischen Nudelgericht mit Gemüsesauce erkennen wir keine tierischen Zutaten. Die klimafreundlichen Gerichte erscheinen leider nicht in der App, müssten von den Restaurants aber auch noch besser ausgelobt werden.

Zwei Gerichte, ein wichtiges Signal

Im traditionellen Käse- und Trockenfleischkanton gibt es also sporadisch bereits einige Angebote. Luft nach oben besteht zweifellos auch. Dinge wie die besprochene Gemüserösti (mit Öl statt Butter), pflanzliche Burger, eine gute Pasta und vieles andere wären für jeden Koch und jede Köchin ein Klacks. Wie wäre es, wenn jedes Pistenrestaurant mindestens zwei vollwertige pflanzliche Gerichte anbieten würde? Und diese oben auf die Speisekarte nimmt? Dies wäre ein wichtiges zusätzliches Signal in die klimafreundliche Richtung.

Dieser redaktionelle Text über den Ökoskitag in Saas-Fee entstand im Rahmen der Kooperation mit Saas-Fee/Saastal Tourismus.

base iframe
Bernard van Dierendonck ist Fotograf, Journalist und Bergführer. Ende 2022 wurde er auch Botschafter von POW Schweiz (Protect our Winters).
vandierendonck.ch
Kommentare
Bewertungen
Bewertungen: