Mit dem Greenkeeper presst man das Heu direkt auf dem Feld zu Pellets. Bild: Creapaper
Bei creapaper möchten wir die Papierindustrie nachhaltiger gestalten – und zwar indem wir das Produkt selbst, das Papier revolutionieren. Die Idee, Gras als Basis für Papier zu nutzen, hatte unser Gründer Uwe D’Agnone schon im Jahr 2011. Er ist, wie ich selbst, seine gesamte berufliche Laufbahn im Verlags- und Druckereigeschäft tätig gewesen. Dadurch hat er jeden Tag gesehen, wie viel Tonnen Papier verbraucht werden. Die herkömmliche Papierherstellung aus Holz verschlingt fast die Hälfte der weltweiten Holzproduktion und verbraucht sehr viel Wasser und Energie. Also hat er sich gefragt, welchen Rohstoff man als Alternative nutzen könnte.
„Der hohe Anteil an Lignin ist dafür verantwortlich, dass die herkömmliche Papierherstellung aus Holz so umweltschädlich ist“
Gras wächst sehr schnell, wir können es mehrmals pro Jahr ernten und es enthält nur wenig Lignin. Das ist sowas wie der Kleber der Pflanzen, er hält die Pflanzenfasern zusammen. Das bedeutet, je höher eine Pflanze wächst, desto höher ist ihr Ligninanteil. Dieser hohe Anteil an Lignin ist dafür verantwortlich, dass die herkömmliche Papierherstellung aus Holz derart energieintensiv ist.
Um aus Holz Papier herzustellen, muss das Lignin in einem aufwendigen Verfahren entfernt werden. Zunächst zerfasern und zerschleifen sie das Holz, so entsteht ein Brei aus Zellulosefasern. Das passiert im nassen Zustand, was einen enorm hohen Wasserverbrauch mit sich bringt. Um eine Tonne Zellstoff herzustellen, sind 3’000 bis 4’000 Liter Wasser nötig. Im nächsten Schritt wird dieser Brei über mehrere Stunden in Natronlauge oder Säure gekocht. Das sind starke Chemikalien. Das Kochen und Zerschleifen verbraucht zudem viele Tausend Kilowatt Stunden Strom.
„Um eine Tonne Grasfaser für die Papierherstellung aufzubereiten, benötigen wir lediglich 160 Kilowatt Stunden Strom und zehn Liter Wasser“
Wenn wir Gras für die Papierherstellung aufbereiten, können wir aufgrund des niedrigen Ligninanteils der Pflanze sowohl auf das Zerschleifen als auch auf das Kochen und den Einsatz von Chemikalien verzichten. So sparen wir Wasser und Strom: Um eine Tonne Grasfaser für die Papierherstellung aufzubereiten, benötigen wir lediglich 160 Kilowatt Stunden Strom und zehn Liter Wasser. Deswegen ist Graspapier eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichem Papier aus Holz.
Genau genommen nutzen wir Heu, also getrocknetes Gras. Denn Heu enthält nur noch einen geringen Anteil an Wasser. In unserer Fabrik in Düren angekommen, wird das trockene Gras gereinigt, geschnitten, gemahlen und anschliessend zu Pellets gepresst. 25’000 Tonnen dieser Pellets können wir jährlich mit unserer Anlage produzieren. Die Pellets liefern wir dann an eine der 12 Papierfabriken, die derzeit mit uns zusammenarbeiten. Diese befinden sich überwiegend in Deutschland, aber auch in Spanien, Italien und in der Schweiz. Dort angekommen, vermischt man sie in einem Mixer, dem Pulper, mit Holzzellstoff oder recyceltem Papier. Aus diesem Gemisch entstehen dann Papierbahnen, die zu allen möglichen Produkten weiterverarbeitet werden können. Aus den 25’000 Tonnen Pellets können so rund 80’000 bis 150’000 Tonnen Papier hergestellt werden.
„Papier ist nicht gleich Papier – wie hoch der Grasanteil eines Papiers sein kann, hängt davon ab, wie das Endprodukt aussehen soll“
Diverse grosse Unternehmen nutzen bereits Tragtaschen und Verpackungen aus Graspapier von creapaper. Bild: creapaper
Nein, in der Regel arbeiten wir mit Mixpapieren, deren Grasanteil bei 20 bis 50 Prozent liegt. Diese Mischung erlaubt es uns, eine grosse Produktepalette bedienen zu können. Denn Papier ist nicht gleich Papier – wie hoch der Grasanteil eines Papiers sein kann, hängt davon ab, wie das Endprodukt aussehen soll. Eine Serviette muss standfester sein als zum Beispiel Klopapier, Burger-Papier muss fettdicht sein, Butterbrotpapier soll dünn sein, Papiertüten möglichst reissfest. Entsprechend passen wir die Faserlänge unserer Pellets und das Mischverhältnis von Gras zu Holzzellstoff oder Altpapier an. Für die Herstellung von Bierdeckeln kann der Grasanteil durchaus auch bei hundert Prozent liegen.
„Wir haben auch für Lindt schon Schokoladenverpackungen hergestellt“
Zum Beispiel Kartonagen, die dann von Online-Händlern für den Versand eingesetzt werden, oder in unserem creapaper-Shop erhältlich sind. Verpackungen, unter anderem für Kosmetik- und Küchenprodukte wie Seifen oder Spülmaschinentabs, gibt es auch schon aus Graspapier. Auch Pappteller, Papiertragetaschen und Pappbecher aus Graspapier gibt es zu kaufen, genauso wie Klopapier, Küchenrollen und Servietten. Diese Produkte sind sowohl in ausgewählten Supermärkten als auch über unseren Shop erhältlich. In unserem creapaper-Shop gibt es zudem Kalender, Briefumschläge, Notizblöcke, Geschenkpapier, Tragetaschen, Grusskarten, oder Papierbögen in A3, A4 und A5 zu kaufen. Ein weiterer Geschäftsbereich sind siegelfähige Papiere. Hier arbeiten wir mit Unternehmen aus der Lebensmittelbranche zusammen, um in Zukunft Schokolade oder Müsliriegel in Papier, statt in Plastik einzupacken. So haben wir zum Beispiel für Lindt schon Schokoladenverpackungen hergestellt.
„Wir nutzen ausschliesslich Gras von ungedüngten Überschussflächen“
In der Fabrik von creapaper in Düren: Hier wird das trockene Gras gereinigt, geschnitten, gemahlen und anschliessend zu Pellets gepresst, welche dann an die Papierfabriken geliefert werden. Bild: creapaper
Zum Grossteil aus der Eifel, hier gibt es weitläufige zusammenhängende Grasgebiete. Dabei nutzen wir ausschliesslich Gras von ungedüngten Überschussflächen, sogenanntem Dauergrünland, die nicht der Futterherstellung dienen. So stehen unsere Grasflächen nicht in Konkurrenz zu Tierfutterflächen. Nachdem wir das Gras gemäht haben, liegt es zwei bis drei Tage auf dem Feld, wir pressen es dann zu Ballen und fahren es in die Fabrik nach Düren. Düren liegt direkt an der Grenze zur Eifel. So können wir unsere Transportwege gering halten. Seit Neuestem arbeiten wir auch mit einer mobilen Anlage, dem „Greenkeeper“, die auf Grasfeldern in Mecklenburg-Vorpommern zum Einsatz kommen soll. Damit werden die Heuballen direkt auf dem Feld zu Pellets gepresst. Fünf Tonnen Pellets soll diese Anlage pro Stunde für uns produzieren. In diesem Jahr haben wir zum ersten Mal auch mit Paludi-Gräsern gearbeitet.
Paludi-Gräser sind sogenannte Sauergräser, die aus Mooren stammen. Moore haben einen enormen Einfluss auf unsere Umwelt und das Klima. Intakte Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie die Biomasse aller Wälder weltweit. Heute hat man allerdings rund 90 Prozent der Moore für die landwirtschaftliche Nutzung trockengelegt. Die Initiative ToMOORow hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Moore wieder zu bewässern und mit Paludikulturen zu bepflanzen. In einem Teil des Sernitzmoores nahe Angermünde in Brandenburg wird dieses Vorhaben seit 2021 umgesetzt.
„Aus dem Paludi-Gras der Moore haben wir 200’000 Kartons hergestellt“
Aus dem gepflanzten Paludi-Gras haben wir diesen Sommer 200’000 Kartons mit einem Grasanteil von 10 Prozent hergestellt. Diese Kartons nutzt das Versandhaus Otto jetzt, um Ware an Kund:innen zu verschicken. Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass Landwirtinnen und Landwirte auch wiedervernässte Moore landwirtschaftlich nutzen können, indem sie das Paludi-Gras ernten und weiterverkaufen. So sollen wirtschaftliche Anreize für Landwirtinnen und Landwirte geschaffen werden, Moore wieder in ihren naturnahen Zustand zurückzuführen.
„Wir möchten erreichen, dass Papier aus Gras nicht mehr die Ausnahme sein wird, sondern die Regel“
Wir möchten erreichen, dass Papier aus Gras nicht mehr die Ausnahme sein wird, sondern die Regel. Dann könnten wir mit unseren Pellets auf die grösseren Papiermaschinen und die Herstellungskosten weiter senken. Gerne würden wir auch ein oder zwei weitere Werke analog dem in Düren bauen, direkt vor einer Papierfabrik. Ich kann mir vorstellen, dass diese Ziele in den nächsten Jahren realisierbar sind. Seit der Gründung von creapaper im Jahr 2013 hat unser Graspapier mehr und mehr an Akzeptanz gewonnen. Zu Beginn wurde Herr D’Agnone für einen Spinner gehalten. Heute sind wir ein etabliertes Unternehmen mit rund 40 Mitarbeitenden. Wir werden schon lange nicht mehr dafür belächelt, dass wir Papier aus Grasfasern herstellen – im Gegenteil. Mit unserem Graspapier haben wir eine Alternative geschaffen, welche die Papierindustrie wirklich nachhaltiger machen kann.
Friedrich Scholta, geboren 1966, hat seit seinem 16. Lebensjahr beruflich mit Papier zu tun. Angefangen als Hilfsarbeiter in einer Druckerei, war er über 30 Jahre als Geschäftsführer, zuletzt im Bereich Verpackungen und Papiertüten, tätig. Am 1. April dieses Jahres stieg er bei creapaper als CSO ein, seit dem 01. September ist er CEO des Unternehmens.