Halb grün, halb blind:
Wie Schweizer KMU
beim Klima punkten –
und wo sie anstehen

3 Minuten
26. Juni 2025

Nur jedes achte KMU kennt seinen CO₂-Fussabdruck – und trotzdem haben Schweizer Unternehmen ihre Emissionen seit 1990 um 24 Prozent gesenkt. Wo die Kleinen stark sind – und wo nicht.

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Schweizer KMU

Schweizer KMU setzen oft auf Nachhaltigkeit, die Berichterstattung und Bürokratie wird aber als Bremsklotz empfunden.  Bild: istock.com

Sind die Schweizer KMU in Sachen Nachhaltigkeit auf Kurs oder eher zurückhaltend? Die Antwort ist nicht eindeutig. Laut einer Umfrage des KMU-Portals der Eidgenossenschaft verfügen rund die Hälfte der Unternehmen über eine Nachhaltigkeitsstrategie. Besonders Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden sind hier aktiver.

„Viele KMU sehen Nachhaltigkeit als wichtigen Wert, vor allem bei Ressourcenschonung und Energieeffizienz“, so die Einschätzung der Bundesexperten. Entsprechend weit verbreitet sind Massnahmen wie Mülltrennung, der Einsatz energieeffizienter Geräte oder Homeoffice-Modelle.

Überzeugung statt Imagepflege

Für den Schweizerischen Gewerbeverband SGV ist klar: Das Glas ist eher halbvoll. „Die Schweizer KMU sind in Sachen Nachhaltigkeit gut unterwegs. Sie prüfen ihre Produkte und Prozesse regelmässig“, sagt SGV-Mediensprecher Patrick Dümmler. Der Einsatz komme meist aus innerer Überzeugung, nicht aus PR-Motiven: „Viele KMU sind Familienunternehmen – der Gedanke an kommende Generationen ist Teil ihrer DNA.“

Dabei brauche es keine Hochglanzbroschüren, sondern vor allem den Willen zur Veränderung. Wie schnell diese Veränderung erfolge, sei jedoch je nach Branche und verfügbaren Alternativen unterschiedlich.

Dümmler betont zudem: Nachhaltigkeit dürfe nicht nur ökologisch verstanden werden. Auch das Engagement für Mitarbeitende, Ausbildungsplätze und Lehrlingswesen zähle zur ganzheitlichen Verantwortung.

KMU nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit ganzheitlich denken: Ausbildungsplätze gehören ebenso zur Strategie.  Bild: istock.com

Schweizer KMU sehen Bürokratie als Bremsklotz

Alexander Fust, KMU-Experte an der Universität St. Gallen, bestätigt: Viele kleine und mittlere Unternehmen seien bereits seit Jahren im Nachhaltigkeitsbereich aktiv. Der Trend zu umfangreichen Berichterstattungen sei jedoch kritisch zu sehen. „Wenn solche Vorgaben als Pflicht empfunden werden, verlieren sie an Wirkung. Der Sinn dahinter wird oft nicht erkannt, der Aufwand als zu hoch eingeschätzt.“

Manche Betriebe würden entmutigt, weil sie Daten in verschiedenen Formaten für unterschiedliche Kunden liefern müssten – ohne klaren Mehrwert. Auch der SGV warnt: „Dieser administrative Aufwand bringt die Nachhaltigkeit nicht weiter. Was zählt, sind konkrete Taten.“

Auch bei der Postfinance sieht man ein Spannungsfeld. „Gerade bei KMU ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis zentral“, sagt Mediensprecher Rinaldo Tibolla. Viele kleinere Betriebe engagierten sich entweder aufgrund regulatorischer Anforderungen oder auf Druck von Kunden – eigene Initiativen seien eher selten.

CO₂-effiziente Innovationstreiber

Gute Noten für die Schweizer Wirtschaft und ihre KMU gibt es von der UBS: „Die Schweiz hat unter allen Industrieländern die niedrigste CO₂-Intensität – also die geringsten Emissionen pro Outputeinheit.“ Das liege nicht nur am emissionsarmen Energiesektor, sondern auch an der Struktur der Wirtschaft mit einem hohen Anteil an Dienstleistungs- und Pharmabetrieben.

Seit 1990 seien die CO₂-Emissionen um 24 Prozent gesunken, während sich das Bruttoinlandprodukt mehr als verdoppelt habe. Die UBS betont: „Einen wesentlichen Anteil an diesem Erfolg haben die KMU.“

Darüber hinaus seien sie wichtige Innovationstreiber: „Als Quelle umweltfreundlicher Technologien leisten KMU einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der Klimaziele – nicht nur durch Emissionssenkung, sondern auch durch Lösungen, von denen andere profitieren.“

Nur jedes achte Unternehmen kennt CO₂-Fussabdruck

Differenziert fällt die Einschätzung der Nachhaltigkeitsexperten Simon Oswald und Roland Z’Rotz vom Prüfungs- und Treuhandunternehmen BDO aus. „Viele KMU in der Schweiz handeln bereits klimabewusst – sie installieren Solaranlagen, fördern den Arbeitsweg per Velo oder ÖV und trennen Abfälle.“

Was allerdings oft fehle, sei die strategische Verankerung. Nur wenige Unternehmen hätten eine klar definierte Nachhaltigkeitsstrategie. Laut einer AXA-Studie kennt nur jedes achte Unternehmen seinen eigenen CO₂-Fussabdruck.

Der Schlüssel liege deshalb nicht in der nächsten Einzelmassnahme, sondern in einer fundierten, datengestützten Roadmap. Mit klaren Leistungskennzahlen lasse sich Nachhaltigkeit mit Kostenkontrolle, Positionierung und Fachkräftesicherung verbinden.

Klimafreundlich Ledcity

Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell: Die intelligenten Lichtlösungen von LEDCity gehören dazu und wurden mit dem Green Business Award ausgezeichnet.  Bild: istock.com

Best Practice – von Food bis Lichttechnik

Einige Branchen und Unternehmen zeigen laut BDO besonders eindrücklich, wie Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell funktioniert. Stark engagiert sind naturgemäss Unternehmen mit direktem Klimabezug – etwa aus der Energiebranche. Aber auch KMU, die Nachhaltigkeit strategisch ins Zentrum ihres Handelns stellen, machen vor, wie es geht.

Beispielhaft nennt BDO etwa Planted Foods (pflanzenbasierte Fleischalternativen), LEDCity (intelligente Lichtlösungen), die Türenfabrik Brunegg (Baugewerbe) oder die Max Felchlin AG (Schokolade). Die beiden Erstgenannten wurden mit dem Green Business Award ausgezeichnet, Brunegg erhielt den KMU-Preis der ZKB, Felchlin den Swiss Ethic Award.

Gastronomie und Bau: das Bewusstsein für Mehrwert fehlt

Herausgefordert sind laut BDO vor allem KMU aus margenschwachen Branchen wie Gastronomie, Handel oder dem Bau. Trotz gutem Willen fehle hier oft das Bewusstsein für den langfristigen Mehrwert nachhaltiger Massnahmen. Kostengründe dominierten. Zusätzlich mangele es an Know-how und Ressourcen für die Umsetzung.

Energie-Förderprogramme für KMU

Nach einer Auflistung der Grossbank UBS können KMU von verschiedenen staatlichen Förderprogrammen, Subventionen und steuerlichen Vergünstigungen profitieren, die gezielt die Investition in erneuerbare Energien unterstützen.

Generell nützliche Unterstützung für KMU-Verantwortliche gibt es von den Experten der Universität St. Gallen, einen Nachhaltigkeitsleitfaden für KMU. Hilfreich ist sodann der CO2-Rechner der Mobiliar.

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Autor:in: Fredy
Gilgen
Fredy Gilgen ist selbstständiger Wirtschafts- und Finanzpublizist und Inhaber des Medienbüros FG GmbH in Bern. Vor seiner Selbstständigkeit schrieb er für die Wirtschaftszeitung CASH, CASH Online, die NZZaS, die Tageszeitung "Der Bund" und die Schweizerische Depeschenagentur.
www.fredygilgen.ch
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