Ladestationen - E-Mobilität kommt im Quartier an

3 Minuten
30. September 2021

Ladestationen selber organisiert? Das geht. Wenn E-Mobilität in der über hundertjährigen Zürcher Riedtli-Siedlung funktioniert, dann funktioniert sie überall. Wie ein initiativer Bewohner ein Quartier bewegt und ein Pilotprojekt für die Stadt lanciert.

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Ladestationen E-Mobilität

In der Zürcher Riedtli-Siedlung hat es nun Ladestationen, die auch Mobility zum Angebot eigener E-Autos nutzt.   Bild: Bernard van Dierendonck

Veränderungen kommen gelegentlich mit Getöse. So auch bei uns in der altehrwürdigen Riedtli-Siedlung im ruhigen Kreis 6 in Zürich. Endlich bohren Bohrer riesige Löcher durch unsere Kellerwand und ein Bagger baggert einen 50 Meter langen, hüfttiefen Schacht hinein in den pickelharten Asphalt des grossen Parkplatzes. Und wir Mieter*innen freuen uns – denn diese Aktion haben wir uns selber eingebrockt.

Projekt „E-Mobilität und Carsharing“ mit Ladestationen

Nach einigen ergebnislosen Versuchen den grossen Parkplatz inmitten der Siedlung von Autos befreit als Spielzone umzugestalten, startete der Siedlungsverein im Frühjahr 2018 das Projekt «E-Mobilität und Carsharing».

Würdest du auf ein Elektroauto wechseln, wenn die Infrastruktur überall besteht?

Die Idee dahinter:

  • Wenn schon Autos, dann sollten diese zumindest sauber und leise sein.
  • Fördern wir zudem das Sharing, dann vermindert sich auch der Autobestand im Quartier.
  • Wenn eine Ladeinfrastruktur für E-Autos in dieser über hundert Jahre alten Siedlung funktioniert, dann gibt es auch für andere Überbauungen keine Ausreden mehr.
  • Die Leute laden so die E-Autos dort, wo sie am längsten herumstehen, also zuhause oder am Arbeitsplatz. Dies ist dann nicht nur sauberer, sondern auch preiswerter und praktischer als mit einem Verbrenner.

Während die Installation einer Ladestation für Hausbesitzer*innen ein Leichtes ist, so ist dies hingegen für Mieter*innen oft ein Ding der Unmöglichkeit.

Starker Wunsch nach E-Sharing

Mit einem Umfragebogen an dreihundert Haushalte der Siedlung , wollten wir wissen, ob die Idee bei der Mieterschaft auf offene Ohren stösst. Wir fragten, wie gross der Bedarf an einem siedlungseigenen E-Sharingauto ist. Aber auch, ob Interesse an einem elektrischen Auto des Carsharing-Unternehmens Mobility besteht. Und wer sich bei bestehender Ladeinfrastruktur ein E-Auto anschaffen würde oder eine öffentliche Ladestation für E-Bikes wünscht. Das Umfrageresultat überraschte und ergab einen Bedarf von mindestens sechs Ladestationen und den deutlichen Wunsch nach E-Sharingautos im Quartier.

Diesen Wunschzettel leiteten wir an die Liegenschaften der Stadt Zürich weiter. Anders als bei unserem Gesuch nach einem autofreien Parkplatz, ernteten wir dieses Mal von der Verwaltung Goodwill – passt unser Anliegen doch elegant zu Zürichs Weg in eine 2000-Watt-Gesellschaft.

Die Bagger fahren auf dem Parkplatz auf und ziehen Gräben für die Stromversorgung.  Bild: Bernard van Dierendonck

Doch danach wird es ruhig. Auf Anfragen, wie es nun um die Ladesäulen steht, werden wir vertröstet. Es verstreichen Monate, Jahre. Termine werden gesetzt und verschoben. Mit Mails kämpfen wir dagegen, dass unser Projekt in einer Schublade verstaubt. Wir schaffen den Kontakt zwischen der Stadt und Carsharing-Plattformen, organisieren einen Info-Anlass zur E-Mobilität. Irgendwann reagiert die Stadt ihrerseits mit einer Umfrage – die Resultate sind dieselben.

Ein E-Auto zum Teilen

Nach einem Jahr riss mir der Geduldsfaden und ich kaufte mir zum ersten Mal in meinem Leben ein Auto. Den blauen Tesla Model 3 stellte ich als Sharing-Auto auf den Parkplatz. Er sollte demonstrieren, dass die Zukunft schon da ist. Die Nachfrage nach dem Tesla überstieg alle Erwartungen. Zuerst bot ich ihn über die Plattform Sharoo an, als diese eingestellt wurde über www.2em.ch und www.ev4all.ch. Seither gibt es Monate, in denen ich das Auto nur selten selber fahre.

In den zwei Jahren haben mehr als siebzig Personen das Fahrzeug über 80’000 km bewegt, sind damit nach Dänemark, Deutschland, Italien,  Luxemburg oder Kroatien gereist. Zwischen den Vermietungen lud ich den Tesla an einer weit von unserer Siedlung entfernten Ladesäule in Oerlikon auf – immerhin war der Strom dort gratis. Benötigte ich nur wenig Strom, so behalf ich mir (mit dem Segen des Hauswartes) eines zwanzig Meter langes Kabels von der Steckdose in unserem Kellerabteil bis hinaus auf den Parkplatz.

Ladestationen – jetzt das Pilotprojekt für die Stadt

Dieses umständliche Aufladen des Autos war nur mit Idealismus zu rechtfertigen. Zum Glück ist das seit diesem Sommer Geschichte: Nach vier Wochen Baulärm ist unser Parkplatz in der Zukunft angekommen. Dicke Stromkabel führen unterirdisch zu vierzehn (!) Ladestationen. Nun erleben auch wir Mieter*innen, wie fortschrittlich die E-Mobilität und luxuriös das Car-Sharing ist. Zusätzlich zu zwei privaten Sharing-Teslas bieten die beiden Carsharing-Unternehmen Mobility und Enterprise drei Elektro-Autos und einen Verbrenner an. Mindestens ebenso praktisch sind drei Cargobikes von www.Carvelo2go.ch. Auch sie werden, wie die Elektro-Autos, mit 100% Ökostrom geladen. Zudem erhalten alle Mieter:innen von städtischen Liegenschaften das Abonnement für Mobility geschenkt.

Wer selber einen der begehrten Parkplätze mit Ladesäule mieten möchte, hat dann Priorität, wenn sie oder er das E-Auto als Sharingfahrzeug anbietet. Und das Beste: Unser E-Mobilitäts- und Sharing-Projekt dient als Pilot für alle 9200 Wohnungen der Liegenschaften Stadt Zürich.

Lies auch: „Ladestationen fürs Elektroauto – die besten Tipps für die Reise“

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Bernard van Dierendonck ist Fotograf, Journalist und Bergführer. Ende 2022 wurde er auch Botschafter von POW Schweiz (Protect our Winters).
vandierendonck.ch
Kommentare
  • Avatar-Foto Leonard Cecil:

    Wenn Hertz einige tausend Teslas für Ihre Flotte kauft, ist das ein Zeichen, dass die Zeit des E-Autos da ist. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Firmen wie Mobility Car-Sharing anbieten.

    In zwei Wochen werde ich meinen E-Niro abholen. Freue mich darauf!

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