für Infrastruktur wie Brücken braucht es riesige Mengen an Beton – mit entsprechenden Emissionen. Bild: istock.com
Dank der scheinbar «endlosen» Ressourcen an Schotter, Kies und Kalkstein reiht sich auch Zement in die Liste der lokalen Schweizer Produkte ein. Der Meisterarchitekt Le Corbusier hat durch seine weltbekannten Bauten in «Béton Brut»-Stil, den Beton in Szene gesetzt. Sichtbeton ist bei Architekten nach wie vor beliebt für Innenräume und Aussenfassaden. Das kommt jedoch mit einem Preis.
Beton, der Klimakiller
Laut dem Umweltbericht 2018 des Bundesamts für Umwelt (BAFU) verursacht der Gebäudesektor 24 Prozent der Gesamtumweltbelastung. Die Herstellung von Beton ist sehr ressourcenintensiv und erzeugt eine grosse Menge an Treibhausgasen. Die Betonherstellung ist für rund 6 bis 7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Mehr, als der Flugverkehr verursacht. Auch in der Schweiz sind es 6,6 Prozent. Der Grossteil der CO2-Emissionen stammt aus dem Zementanteil bzw. der chemischen Reaktion von Kalkstein. Um eine Tonne herkömmlichen Zements herzustellen, steigen rund 700 kg CO2 in die Atmosphäre. 40 Milliarden Tonnen CO2 werden weltweit jährlich ausgestossen, 2,8 Milliarden Tonnen CO2 allein bei der Zementherstellung.
Innovationen mit Verwendung alternativer Zusatzstoffe zur Verringerung der CO2-Emissionen gibt es einige. CSA-Zement mit einem reduzierten Kalksandsteinanteil beispielsweise benötigt eine um 200 Grad niedrigere Brenntemperatur und emittiert pro Tonne Zement rund 200 Kilogramm weniger CO2. Mehrere Unternehmen sind mit teils ganz unterschiedlichen Ansätzen auf dem Weg, den Markt zu erobern. Andere Zementsorten sind CEM III/B (mit Hüttensand aus der Stahlherstellung) LC3, (Limestone Calcined Clay Cement) oder Zement mit Sekundärrohstoffen aus Abfällen anderer Industrien wie Flugasche. Damit diese Ansätze nicht als Nischenprodukte enden, müssen sie einerseits industriell und kosteneffizient hergestellt werden und die gleichen qualitativen Anforderungen erfüllen wie herkömmlicher Beton.
Klark mischt Pflanzenkohle in den Beton
Den nach eigenen Angaben „ersten klimaneutralen Beton der Schweiz“ produziert Klark. Mit der Technologie können pro Kubikmeter bis zu 200 Kilogramm CO₂ eingespeichert werden. Dabei wird dem Beton Pflanzenkohle aus Restholz beigemischt, und das CO2 wird dauerhaft im Beton eingelagert. Somit wird wieder gleich viel CO2 aus der Luft im Beton gespeichert, wie bei der Zementherstellung in die Luft emittiert wurde. Klark Beton hat die vergleichbaren technischen Eigenschaften wie herkömmlicher Beton, und ist zudem 100 Prozent rezyklierbar.
Die Produktion von Klark-Beton mit beigefügter Pflanzenkohle. Grafik: Klark
Zirkulit-Beton, von fünf Bauunternehmen gegründet, erreicht negative Emissionen durch einen minimalen Zementanteil, einen hohen Anteil an recycelten Sekundärrohstoffen und eine spezielle, verifizierte Speichertechnologie. Pro Kubikmeter Beton werden mindestens 10 kg CO2 gespeichert.
Beton als CO2-Senke – Neustark und die Big Players
Neustark, ein Spin-off der ETH Zürich, hat eine Technologie zur CO2-Entfernung entwickelt, die CO2 aus Biogasanlagen dauerhaft in Beton-Abbruchmaterial einbindet. Dieses kann dann im Strassenbau als Kiesersatz oder bei der Herstellung von Recyclingbeton verwendet werden. Das CO2 wird dabei aus einem Tank über Rohre zum Kies geleitet, wo das Kohlendioxid in die Oberfläche eingebunden wird.
Durch die Mineralisierungstechnologie werden cirka 10 Kilogramm CO₂ pro Tonne Abbruchbeton gespeichert – die jährliche Leistung von 50 Bäumen kann in einer Stunde gemacht werden. Ein weiterer Vorteil dieses Konzepts: Im Abbruchbeton bleibt das Kohlendioxid für tausende Jahre gespeichert. Wobei es zu präzisieren gilt: Der Zement im Beton setzt rund 220 kg CO₂ frei. Am Lebensende können dann wieder 10 kg CO2 gespeichert werden.
Big Players wie Microsoft, Holcim, die Zürcher Kantonalbank und andere verpflichten sich durch die Neustark-Technologie, ihre Klimaziele zu erreichen.
Die Negativ-Emissionen von Neustark-Beton: Wenn eine Tonne CO₂ abgefangen, verflüssigt und mit Biokraftstoff betriebenen Lastwagen zur Speicheranlage transportiert werden, um es dort in Abbruchbeton zu speichern, wurde rund 930 kg CO₂ dauerhaft entfernt. Pro Tonne Abbruchbeton werden 10 kg CO₂ gespeichert, 6-7 Kilogramm pro Tonne neuem Beton. Grafik: Neustark
Aber gibt es eine Technologie, welche das Rennen macht? In der Skalierbarkeit schon viel weiter fortgeschritten ist? So einfach lässt sich das nicht sagen. Fakt ist, dass Klark, vom etablierten Baustoffhersteller Logbau zusammen mit der Fachhochschule OST entwickelt, in der Bauindustrie beliebt ist und bereits bei einigen Projekten in der Schweiz verwendet wurde. Dies, weil der Beton die gleichen Eigenschaften wie Hochbaubeton hat. Im Gegensatz zum Recyclingbeton von Neustark, welcher nicht über die gleichen statischen Eigenschaften verfügt. Dafür ist Neustark bereits auf dem Weg zu negativen Emissionen und ist auch punkto Skalierbarkeit weiter fortgeschritten als Klark oder Zirkulit.
Klimawissenschaftler Brunner: „Die grosse Herausforderung ist die schiere Menge“
„Es existiert eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die Klimawirkung von Beton teilweise oder ganz zu adressieren“, sagt der Klimawissenschaftler Cyril Brunner von der ETH Zürich. „Die grosse Herausforderung liegt jedoch in der schieren Menge. Beton ist nach Wasser das weltweit am zweithäufigsten konsumierte Produkt. Mit Zirkulit oder Neustark wird zwar Beton rezykliert und dabei CO2 gebunden, was auf jeden Fall sinnvoll ist, doch senkt es den CO2-Fussabdruck von neuem Beton nur um bis zu 8 Prozent. Auch die Sekundärstoffe können helfen, doch stammen sie einerseits aus CO2-intensiven Prozessen, wie der Stahlherstellung oder Abfallverbrennung, andererseits gäbe es nur genug, um rund 5 Prozent des globalen Betons zu behandeln und so dessen CO2-Emissionen um rund einen Fünftel zu senken.“
CO2-Abscheidung bei Zementherstellung wichtig
Eine ähnliche Herausforderung sieht Brunner bei Klimabeton wie Klark. Um den gesamten Schweizer Beton exklusive des darin verbauten Stahls auf diese Art klimaneutral zu machen, müsste das gesamte Holz, welches aktuell aus Schweizer Wäldern genutzt wird, zu Pflanzenkohle verarbeitet werden. „Der Schlüssel zu klimaneutralem Beton liegt folglich darin, die CO2-Emissionen bei der Zementherstellung zu unterbinden. Da bietet es sich einerseits die CO2-Abscheidung und Speicherung (CCS) an. Ein erstes solches Zementwerk startet dieses Jahr in Norwegen seine Produktion, weitere werden in den Benelux-Staaten gebaut. Weitere Ansätze sind elektrochemische Verfahren, wie beispielsweise der Sublime Cement, wo gerade Holcim eine Partnerschaft eingegangen ist. Klimaneutraler Zement ist zweifelsohne ein wichtiges, jedoch nicht das einzige Element, um den Baubereich klimaneutral zu bekommen.“
Der moderne Teil des Landesmuseum Zürich – Kunst in Beton vollendet. Bild: istock.com
Bettina Steuri, Wissenschaftlerin beim Climate Service Center Germany und Expertin für ressourceneffiziente Architektur und Stadtplanung, hält negative Emissionen für wichtig: „Im Sinne zukünftiger Generationen sind auch Technologien für Negativemissionen ein Teil der Klimalösung, auch wenn sie nicht die ganze Lösung sind. Wir müssen da alle Pferde ins Rennen schicken. Viele Negativemissions-Technologien sind noch nicht im grossen Stil umgesetzt. Aber wir müssen sie testen.“
Interessant ist auch, dass die Schweiz bei den Technologien zur CO2-Entfernung zu den führenden Nationen zählt. Neun Prozent aller Jobs in diesem Sektor sind in der Schweiz. Gerade dank Firmen wie Climeworks und Neustark.
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