Kultiviertes Fleisch: Italien wills verbieten, andere machen vorwärts

3 Minuten
3. April 2023

Die italienische Regierung hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der unter anderem kultiviertes Fleisch verbietet. In den USA bereiten Firmen hingegen den Marktgang vor. Und in Deutschland rechnet das Unternehmen Blue Seafood noch 2023 mit dem Verkauf der ersten Fischprodukte.

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kultiviertes Fleisch

Kultiviertes Fleisch: Hühnchen der amerikanischen Firma GOOD Meat soll noch dieses Jahr in Restaurants in Washington D.C.  serviert werden.  Bild: GOOD Meat

Fleisch und andere tierische Produkte haben einen massiven Umwelt-Fussabdruck und befeuern erwiesenermassen die Klimakrise. Dazu kommt das Tierleid bei jährlich weltweit knapp 80 Milliarden getöteten Tieren. Neben pflanzlichen Ersatzprodukten soll auch in-vitro-Fleisch – auch clean meat oder kultiviertes Fleisch genannt – eine nachhaltige Lösung für die Zukunft sein.

Studien zeigen, dass die Klimabilanz von in-vitro-Fleisch der von herkömmlichem Fleisch deutlich überlegen ist. Dies, wenn die dafür benötigten grossen Strommengen aus erneuerbaren Energien stammen. In vielen Ländern gibt es seit längerem Bestrebungen, die Produktion von im Labor gezüchtetem Fleisch voranzutreiben. In Singapur zum Beispiel bieten Läden bereits kultivierte Fleischprodukte an. Auch in Europa, darunter in der Schweiz, forschen diverse Unternehmen an der Produktion von in-vitro-Fleisch. Eine entsprechende Zulassung, um synthetisch hergestellte Lebensmittel zu verkaufen, gibt es in der EU bisher jedoch noch nicht.

Italienische Regierung: „Wollen die Gesundheit der Bürger schützen“

Die italienische Rechts-Regierung unter der Post-Faschistin Giorgia Meloni plant nun diesen Trend im eigenen Land zu stoppen. Dazu erliess die Regierung einen Gesetzesentwurf, der die Herstellung und den Verkauf von synthetisch hergestellten Lebensmitteln, insbesondere von in-vitro-Fleisch, verhindern soll. Die italienische Regierung beruft sich dabei auf das Vorsichtsprinzip und begründet das neue Gesetz damit, dass es noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen über die Auswirkungen von synthetischer Nahrung gebe. «Wir wollen die Gesundheit der Bürger schützen und das Erbe unserer Nation als auch unsere landwirtschaftliche Kultur, die auf der mediterranen Diät basiert, sichern», sagte der italienische Gesundheitsminister Orazio Schillaci.

Für dieses Verbot lobbyierte insbesondere Italiens Landwirtschaftsvereinigung Coldiretti, welche vor dem Regierungssitz in Rom ein «Nein zu synthetischem Essen» forderte. Die Vereinigung brachte vor, dass Italien als europäischer Vorreiter bei Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln die Pflicht habe, Unternehmen und Bürger zu schützen. Der Gesetzesentwurf muss noch von der Mehrheit des Parlaments akzeptiert werden, um in Kraft zu treten.

Forschende und Ernährungs-Expert:innen für Clean Meat

Mit diesem Gesetzentwurf positioniert sich Italien als erstes Land gegen das im Labor gezüchtete Fleisch. Damit stellt sich Italien auch gegen die grundsätzlich positive Haltung zu in-vitro-Fleisch vieler Forschenden und Expert:innen. Auch Ernährungsexpert:innen, wie beispielsweise der Ernährungswissenschaftler Nico Rittenau, sind der Überzeugung, dass kultiviertes anstelle von herkömmlichem Fleisch in Zukunft fester Bestandteil unserer Ernährung sein wird. Auch wenn die Skalierung hin zur Massenproduktion Jahrzehnte dauern dürfte.

Sollen kultiviertes Fleisch und kultivierter Fisch möglichst bald in die Regale kommen?

kultivierter Fisch

Fischstäbchen der Firma Bluu Seafood aus Berlin – auch dies soll 2023 noch in die Läden kommen.  Bild: Bluu Seafood

Vor zwei Wochen erst bescheinigte die US Food and Drug Administration (FDA) der Firma GOOD Meat die Unbedenklichkeit ihres kultivierten Hühnerfleisches, das bereits seit 2020 in Singapur verkauft wird. Nun soll der nächste Schritt in den USA erfolgen mit dem Ziel, bis Ende Jahr in ersten Restaurants das kultivierte Chicken anzubieten.

Fischstäbchen und Co. aus Deutschland

Auch im Bereich der kultivierten Fischprodukte sind in nächster Zeit entscheidende Schritte zu erwarten. Das deutsche Startup Bluu Seafood, eine Ausgründung des Fraunhofer-Entwicklungszentrums für Marine und Zelluläre Biotechnologie EMB, will noch 2023 mit Fischstäbchen und Fischbällchen auf den Markt kommen.

In den Weltmeeren gelten bis zu 90 Prozent der Fischgründe als überfischt oder auf maximaler Kapazität genutzt – mit massiven Schäden an den marinen Ökosystemen.

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Autor:in: Julia
Tiefenbacher
Julia Tiefenbacher sammelte mit ihrer Tätigkeit als Rechtsberaterin für Asylsuchende bereits während ihres Jus-Studiums Erfahrungen im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit. Die Erhaltung von Umwelt und Natur ist ihr ein grosses Anliegen, weshalb sie sich nun als Autorin bei Go Green mit ökologischen Nachhaltigkeitsthemen befasst.
Kommentare
  • Avatar-Foto Ines:

    Super Entwicklung, die ich sehr begrüsse! Ich kann verstehen, dass Italien Angst hat um die Einkommen in der traditionellen Fleischindustrie. Aber es führt kein Weg an „Clean Meat“ vorbei, wenn wir den Fleischhunger der Menschen stillen wollen. Auch das Gesundheitsargument zieht nicht: Mit Clean Meat kann man z.B. die Zusammensetzung der Fettsäuren so steuern, dass sie besser für den Menschen ist.

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