Kühe als Klimafaktor: Ein Drittel der globalen Methanemissionen kommt aus der Viehhaltung, in der Schweiz fallen 83 Prozent der Methanemissionen bei der Viehhaltung an, 95 Prozent davon aus der Rindviehhaltung. Das Methan entweicht den Tieren übrigens hauptsächlich beim Rülpsen. Bild: istock.com
1,5 Grad Celsius. Das von uns gesetzte Klimaziel gerät langsam aber stetig ausser Reichweite. Die COP27 war gewohnt trostlos und auch die Schweiz ist sehr einseitig unterwegs: Obwohl wir mit dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative im Inland langsam in die richtige Richtung steuern, ignorieren wir beispielsweise Treibhausgasemissionen beim Import, die Rolle des Finanzsektors, die internationale Luft- und Schifffahrt oder unsere historischen Treibhausgasemissionen in unseren Bestrebungen. Darum werden wir ziemlich sicher das 1,5°C-Ziel verfehlen. Auch wenn dann das nächstbeste Ziel 1,51°C wäre, vergessen wir bisher einen der wichtigsten Hebel, mit dem 1,5°C wieder in Reichweite rücken könnte: Die rasche Reduktion unserer Methanemissionen.
Ohne Methan-Ausstoss könnte es 0,5 Grad kühler sein
Methan ist ein potentes aber auch spannendes Treibhausgas. Hätten wir bisher kein Methan ausgestossen, wäre es heute ca. 0,5°C kühler. Während eine Erwärmung von 0,5°C durch CO₂ über zehntausende Jahre anhält, baut sich die Erwärmung durch bereits emittiertes Methan alle 8 Jahre um die Hälfte ab. Somit heizt Methan über 20 Jahre 81-mal stärker als die selbe Menge CO₂, während es über 100 Jahre betrachtet nur noch 29-mal stärker wärmt.
Methan wärmt die Atmosphäre kurzfristig mehr auf, die erwärmende Wirkung schwindet aber innerhalb von Jahrzehnten. Grafik: Cyril Brunner
Gegenwärtig emittieren wir jedes Jahr noch mehr Methan, als sich gleichzeitig abbaut. Somit nimmt die Erwärmung durch das Methan noch zu und die Methankonzentration hat gerade jetzt im November wieder einen neuen Höchstwert erreicht. Das Interessante geschieht nun, wenn wir unsere Methanemissionen reduzieren. Dann kann sich Methan in der Atmosphäre schneller abbauen, als wir neues Methan hinzufügen. Der Beitrag von Methan zur Erwärmung geht zurück. Und zwar beträchtlich.
Verpflichtung zu 30 Prozent Methan-Reduktion
Daher sehen viele Klimaszenarien auch vor, dass wir unsere Methanemissionen rasch reduzieren. Bei den Klimaszenarien des Weltklimarats IPCC, welche die Erwärmung nahe 1,5°C begrenzen, im Schnitt um 32 Prozent zwischen 2020 und 2030. Und bis 2050 auf die Hälfte dessen, was wir im Jahr 2020 ausgestossen haben. Der Global Methan Pledge, welcher letztes Jahr an der COP 26 in Glasgow verabschiedet wurde, sieht vor, die globalen Methanemissionen zwischen 2020 und 2030 um 30 Prozent zu reduzieren. Die Schweiz hat sich mit der Unterzeichnung verpflichtet, zu diesem Ziel beizutragen.
Das Methan und der Klimawandel – „nur“ 1,3 Grad Erwärmung sind theoretisch möglich
Würden wir rein hypothetisch morgen aufhören Methan zu emittieren und alle anderen Anstrengungen so betreiben, wie es ein 1,6°C-Klimaszenario vorsieht, dann würde die maximale Erwärmung auf 1,3°C anstelle von 1,6°C begrenzt werden. Halten wir hingegen unsere Methanemissionen auf dem heutigen Niveau, kommen wir auf 1,8°C.
Methan als mitentscheidender Faktor: Bei einer drastischen Verringerung des Ausstosses über fossile Energien und Viehhaltung kann die Erderwärmung entscheidend reduziert werden. Grafik: Cyril Brunner
Der Elefant im Raum ist nun, wie wir unsere Methanemissionen reduzieren können. Dazu ist es wichtig, zuerst zu wissen, wo wir Methan ausstossen. In der Periode 2008-2017 stammten 33 Prozent aller Methanemissionen aus der Förderung und der Nutzung fossiler Energien, 31 Prozent aus der Viehhaltung, 18 Prozent von Abfalldeponien, 8 Prozent aus dem Reisanbau und 8 Prozent aus der Verbrennung von Biomasse. Bei den fossilen Emissionen ist es immer dann ein Problem, wenn Erdgas entweicht, denn es besteht fast ausschliesslich aus Methan. In der Periode 2008-2017 entwich ungefähr ein Drittel des Erdgases beim Kohleabbau, ein Drittel bei der Erdölförderung und Raffinierung und das letzte Drittel beim Erdgastransport, entweder durch Lecks, oder weil man es zur Revision der Pipelines oder des Gasnetzes in die Atmosphäre entliess.
In der Schweiz stammen 83 Prozent der Methan-Emissionen aus der Viehhaltung
Wie bereits erwähnt, stammt ein Drittel der globalen Methanemissionen aus der Viehhaltung. Auch wenn grasende Rinder in der Landschaft idyllisch und natürlich aussehen, trügt der Eindruck. Denn wir halten schlicht zu viele Rinder. Heute halten wir 31-mal so viele Nutztiere, wie es wilde Säugetiere gibt, wobei es fünf Mal weniger wilde Säugetiere gibt, als noch vor 10’000 Jahren.
Gemäss dem Treibhausgasinventar fallen in der Schweiz 83 Prozent aller Methanemissionen bei der Viehhaltung an, wovon 95 Prozent davon von der Rindviehhaltung stammen. Die restlichen Methanemissionen kommen aus alten Abfalldeponien. Damit liegen die Schweizer pro-Kopf-Methanemissionen mit 0,02 Tonnen pro Jahr unter dem weltweiten Durchschnitt von 0,04 Tonnen Methan pro Jahr. Wobei diese Betrachtung im Ausland anfallende Methanemissionen importierter Güter wie Rindfleisch, Reis, Erdgas, Erdölprodukte sowie Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken ignoriert.
Klimawandel durch Methan: Auch auf Mülldeponien entsteht beim bakteriellen Abbau organischer Verbindungen klimaschädliches Methan. Bild: istock.com
Wenn wir von den fossilen Rohstoffen wegkommen, können wir unsere Methanemission entsprechend um bis zu einem Drittel senken. Dies bedingt aber auch, dass wir Lecks bei Ersatzprodukten wie Biogas oder erneuerbarem, synthetischem Methan möglichst von Anfang an vermeiden. Gleiches gilt übrigens auch für Wasserstoff, welcher auch treibhausaktiv ist.
Weniger Rindfleisch, Milchprodukte und Reis wirken sich positiv aus
Darüber hinaus können wir mit der Wahl der Lebensmittel, die wir essen, direkt Einfluss auf unsere Methanemissionen nehmen. Besonders eine Ernährung mit weniger Rindfleisch, Milchprodukten und weniger Reis wirkt sich positiv aus. Letztlich können wir auch andere Staaten dabei unterstützen, ihren Abfall nicht zu deponieren sondern entweder gar nicht erst entstehen zu lassen, zu recyceln oder zu verbrennen. Am besten mit einer Abscheidung und Speicherung von CO₂ aus den Abgasen (CCS).
Die Schweiz ohne konkreten Plan zur Umsetzung
Und was sehen die nationalen Klimastrategien in der Schweiz vor? Nebst der Verringerung der fossilen CO₂-Emissionen leider nicht viel. Weder, wie die Schweiz einen fairen Beitrag zum Global Methan Pledge leisten könnte, noch wie sie den Bärenanteil ihrer Methanemissionen angehen möchte, jenen durch die Viehhaltung. Einzig wurde bisher das vage Ziel formuliert, bis 2050 die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft zu halbieren. Dabei sind die Massnahmen klar und wir können uns ausnahmsweise auch nicht hinter der Hoffnung auf Technologie oder Innovation verstecken. Denn es wird im Jahr 2050 dasselbe zu tun sein, wie heute. Und so kann jede und jeder mit der eigenen Ernährung entscheiden, ob sie beziehungsweise er einen Beitrag an unsere Klimaziele leisten möchte. Das 1,5-Grad-Ziel liegt immer noch in unseren Händen.
Cyril Brunner ist Klimaforscher an der ETH Zürich und schreibt als Gastautor Beiträge für das Go Green Magazin. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit Klimaschutzmassnahmen, Emissionsreduktionspfaden, Netto-Null sowie mit der Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre.
Zu den aufschlussreichen Blog-Beiträgen der ETH Zürich gehts hier!
Danke für den tollen Artikel. Warum ist Reis methanintensiv?
Stossen die Reisfelder Methan aus?
Würde mich sehr interessieren. Andere Getreide auch oder ist es wegen des Anbaus im Wasser?
Freundliche Grüsse
Carola Hillman
carola.hillman@bluewin.ch
Hallo Frau Hillmann,
in unserem Beitrag „Reis essen Klima auf“ erklären wir, wie der Reisanbau die Methanemission verursacht.
https://www.ews-schoenau.de/energiewende-magazin/zur-sache/reis-essen-klima-auf/
Vielleicht beantwortet der Beitrag Ihre Fragen.
Mit freundlichen Grüßen
Werner Kiefer, Redaktion EWS Energiewende-Magazin