Mode soll länger halten: Wir müssen uns nicht alle paar Wochen ein neues Outfit zulegen. Bild: istock.com
Kleidung gehört zu unserem Alltag, ohne sie würde uns nicht nur der Schutz gegen die Sonne, den Regen oder die Kälte fehlen, sondern auch ein Teil unserer Identität. Was wir tragen, macht uns aus und kommuniziert nach aussen, wer wir sind und was wir wollen. So sehr das zwar zutrifft, tragen viele von uns unbewusst nicht das, was widerspiegelt, welche Werte sie eigentlich vertreten. Konkret geht es hierbei um Zwangs- und Kinderarbeit, vergiftete Gewässer und Felder, Berge von toxischem Abfall, der Reduktion der Biodiversität aufgrund von Pestiziden, Herbiziden, Düngern und Monokulturen. Auch dieses Elend für Mensch und Natur klebt an unserer Kleidung (und manchmal noch ein bisschen toxische Rückstände der Färbung und Stoffbehandlung).
Überkonsum unethischer und unökologischer Güter
Natürlich gibt es einen Grund, wieso sich die Modeindustrie in diese Richtung entwickelt hat: Profit ist wichtiger geworden, als das Wohlergehen der Menschen und der Umwelt. Für uns unsichtbar, tragen am anderen Ende der Welt Menschen und der Planet die Konsequenzen unseres eskalierenden Überkonsums unethischer und unökologischer Güter. Ich bin überzeugt, dass viele Menschen sich anders verhalten würden im Umgang mit Kleidung, wenn die Modeindustrie offen Auskunft darüber geben würde, was sich hinter den Kulissen abspielt. Die Verantwortung für eine nachhaltigere Welt ist meiner Meinung nach eine geteilte: Designer:innen müssen besser Produkte kreieren, aber genauso wichtig ist die Rolle der Konsumierenden.
Nachhaltiger Mode kaufen: Was ist zukunftsfähig?
Doch selbst wer die Probleme der Modeindustrie kennt, steht schon vor dem nächsten Problem: Wo und was ist denn aus sozialer und umwelttechnischer Sicht vertretbar? Was ist zukunftsfähig?
Das ist tatsächlich sehr komplex. Und weil die Industrie zusätzlich auch noch sehr intransparent damit umgeht, ist es schwierig, bewusste und reflektierte Entscheidungen zu treffen. Damit ihr Euch etwas orientieren könnt, habe ich hier eine kleine Liste mit Tipps zusammengestellt:
1. FRAGEN FRAGEN FRAGEN
Ob über die Grundsätze des Geschäfts, die Herkunft der Materialien, was das Öko-Zertifikat genau bedeutet, ob es eine vertretbare Alternative gibt – Nachfragen ist ein extrem unterschätztes Tool. Und dumme Fragen existieren nicht. Sobald dir das Verkaufspersonal Auskunft gibt, kannst du anhand der Fakten entscheiden, ob das Produkt deiner Nachhaltigkeitsphilosophie entspricht. Wenn deine Fragen nicht beantworten werden, sind ihnen die Informationen nicht bekannt oder können diese nicht ehrlich kommunizieren. Falls du keine Antwort kriegst, ist Vorsicht geboten.
Tauschen statt kaufen: Kleider, welche du nicht mehr trägst, könnten jemand anderes tragen. Bild: istock.com
2. Nur kaufen, was du auch wirklich brauchst
Viel zu oft lassen wir uns von schönen Werbungen, Freund:innen oder dem Verkaufspersonal Dinge aufschwatzen, die wir nicht brauchen. Dabei wirfst du nicht nur dein Geld zum Fenster raus, sondern es sammeln sich auch Dinge Zuhause an, für die du keine Verwendung hast. Wenn du dir beim Einkaufen unsicher bist, dann lass dir ein Produkt für ein paar Tage reservieren und schlaf nochmal darüber. Meistens merken wir relativ schnell, ob wir etwas vermissen oder es am nächsten Tag schon völlig vergessen haben.
3. Auf gute Ökolabels schauen
Der Ökolabel-Dschungel! Auch wenn die vielen verschiedenen Ökolabels total überfordernd und unübersichtlich sind, erweisen sich einige davon doch als sehr wichtig. Für faire Arbeitsbedingungen ist die FairWearFoundation Spitzenreiterin, für eine ökologische Produktion das GOTS-Zertifikat. Diese beiden sind auch in der Welt der nachhaltigen Produkte am besten vertreten. PublicEye hat einen hervorragenden Guide für Zertifikate erstellt, falls Du Dich etwas genauer informieren möchtest.
Vermehrt erstellen Stores ihre eigenen Ökolabels – die sehen zwar oftmals grün aus, sagen aber in der Regel nicht viel über die Nachhaltigkeit aus, da sie nicht gezwungenermassen von Drittpersonen überprüft wurden.
Ist ein Produkt nicht zertifiziert, heisst das noch nicht unbedingt, dass es schlecht ist. In diesem Fall solltest du unbedingt nachfragen. Viele kleinere Modelabels können sich Zertifikate nicht leisten, da diese sehr teuer sind und verkaufen deshalb ihre zukunftsfähigen Designs ohne Zertifizierung.
Wie oft kaufst du neue Kleider ein?
Fast-Fashion-Ketten lassen uns glauben, wir müssten ständig neuen Kollektionen hinterherrennen – wir müssen aus der Spirale ausbrechen. Bild: istock.com
4. Nicht dem Style nachjagen
Während ein Stil durch die halbjährlichen Kollektionen von Haute-Couture-Designer:innen früher eine ganze Dekade abgedeckt hat, , sind wir mittlerweile bei einer wöchentlich neuen Kollektion von Fast-Fashion-Anbietern übergegangen. Fazit: Die Modeindustrie wird immer schneller und die Kleidung kurzlebiger. Um als «stylisch» wahrgenommen zu werden, wird uns vermittelt, wir sollten uns alle paar Wochen eine neue Garderobe zulegen. Und oftmals ist ja die Qualität dieser Ware auch so schlecht, dass sie ohnehin auseinanderfällt, kaum hast du sie ein paar Mal getragen. Um dem entgegenzuwirken, müssen wir lernen, was genau unser persönlicher Geschmack und Stil ist und in qualitativ Hochwertiges und Passendes investieren. Nachhaltige Mode kaufen lohnt sich. Letzten Endes kannst du so viel länger Freude daran haben und dir den Stress sparen, dich andauernd neu erfinden zu müssen.
5. Secondhand einkaufen – natürlich!
Ihr wusstet, dass das noch kommen muss – old but Gold! Da die Modeindustrie kontinuierlich mehr produziert als wir verbrauchen können, sind unsere Secondhand-Läden in Zürich oder Second Hand Bern voll mit oftmals fast neuer Ware. Und aus der Nachhaltigkeitsperspektive kommt Secondhand an zweiter Stelle – gleich nach dem, was Du schon besitzt. Die Angebote sind unglaublich breit: von Wühlkisten für alle, die gerne Schätze richtig suchen, über Occasion-Angebote nachhaltiger Labels bis zu Haute-Couture-Vintage-Läden, die vorselektieren.
6. Rezyklierte Fasern sind gut, aber Vorsicht ist geboten
Seit einigen Jahren ist vermehrt die Rede von «Kreislaufwirtschaft» und «Zirkularität». Die Bewegung unserer Gesellschaft in diese Richtung ist absolut angebracht und wichtig. Wir müssen unsere Wegwerfmentalität und Gewohnheiten überdenken und Rohstoffe aus nicht-mehr-Verwendbarem zurückgewinnen. Eigentlich sind also rezyklierte Fasern eine gute Sache. Aber auch hier: Es wird gerne getrickst! Manchmal beim tatsächlichen Gehalt an rezyklieren Fasern, manchmal werden neue Rohstoffe direkt rezykliert, ohne sie zuerst neu zu verwenden (rezyklierte Fasern verkaufen sich teurer) und manchmal wird durch suboptimale Fasermischungen verhindert, dass Materialien nochmal rezykliert werden können, da sie sich nicht mehr trennen lassen.
Ein T-Shirt sollte nicht weniger als 20 Franken, der Richtwert sollte 40 Franken betragen. Bild: istock.com
7. Achtung bei undefinierten Begriffen
Begriffe wie «nachhaltig produziert», «umweltfreundlich», «klimaneutral», «natürlich», «grün», «partnerschaftlich» oder «vegan» werden auch – aber nicht nur – in der Mode-Welt grosszügig eingesetzt. Der Grund: Alle diese Begriffe haben keine klare Definition und können somit hervorragend für Greenwashing eingesetzt werden. Es gibt uns doch allen ein gutes Gefühl, etwas Zukunftsfähiges zu kaufen. Und dieser Goodwill wird über die Benennungen und eine schwammige Kommunikation schamlos ausgenutzt. Sind Zertifikate vorhanden, die diese Aussage belegen, ist es eine total andere Sache. Und hier nochmal mein Lieblingstipp: Fragen Fragen Fragen!
8. Den Preis hinterfragen
Stimmt der Preis? Eine Frage, die viele nicht zu beantworten wissen. Grundsätzlich kannst du dir aber etwa ausrechnen, was es sein sollte, wenn faire Löhne bei der Herstellung, das Material, der Transport, die Ladenmiete, das Verkaufspersonal, Zollgebühren etc. bezahlt werden müssen. Es gibt keinen fixen Preis, an dem Mensch sich orientieren kann, da verschiedenste Faktoren hineinspielen.
Trotzdem hier ein Richtwert: Ein nachhaltiges und fair produziertes T-Shirt kann sicher nicht weniger als 20 Franken kosten, in der Regel sind die Preise ab 40 Franken gut vertretbar. Jedoch: Nur weil etwas teuer ist, heisst es noch nicht, dass es auch nachhaltig ist. Und eines dürfen wir nicht vergessen: Wenn wir nicht den vollen Preis bezahlen, dann bezahlt es der Planet oder jemand anderes mit Armut, Krankheit oder dem Leben.
Schaue auch nach Läden, die selektieren
Mit diesen Tipps im Sack bist du nun bestens gerüstet für das nächste Mal, wenn du dir etwas Neues zum Anziehen anschaffen musst, kannst oder darfst. Nachhaltige Mode kaufen ist eine Frage des Wissens und der Vorbereitung. Falls dir das alles zu kompliziert ist: Es gibt inzwischen verschiedene Läden, welche diese Arbeit der Recherche erledigen und selektieren. Beispielsweise glore Schweiz (Luzern und Zürich), Rrrevolve (Zürich und Bern), Stoor (Bern), KariKari (Zürich), Marinsel (Basel), Ooid Store (Basel), Villa Paul (Baden) und viele weitere.
Mara Rodriguez hat Modedesign studiert und ist Expertin für Nachhaltigkeit in der Mode. Sie hat die digitale Toolbox fiberstorm.ch gegründet und setzt sich für Wissensvermittlung über Nachhaltigkeit in der Modebranche sein.
Wir inspirieren mit Go Green – hilf mit!
Die Produktion dieses Beitrags hat einiges gekostet.
Als Leser: in von Go Green konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos aber ohne Bezahlschranke. Das ist gut so und soll so bleiben. Denn wir wollen so viele Menschen wie möglich über Nachhaltigkeit und die besten Zukunftslösungen informieren und inspirieren. Mit einem kleinen Betrag hilfst du uns, damit wir allen weiterhin ein spannendes Angebot zeigen können.
PS: Das geht – beispielsweise mit Twint – sehr schnell und einfach!
Vielen Dank für deine Unterstützung!
Zum Thema Zertifikate empfehle ich dringend, ein paar Studien von unabhängigen Wissenschaftlern zu lesen. Es wird ein ganz anderes Bild werfen auf Labels wie GOTS.
Das Problem liegt in unserem Konsum. Wir müssen lernen, mit weniger auszukommen. Das System des ständigens Wachstums ist auf einem Planeten, der nicht mitwachsen kann, tödlich.