Fliegen ist klimaschädlicher als gedacht: Neue Studien zeigen, dass Flugreisen unseren Fussabdruck viel stärker beeinflussen. Bild: istock.com
Schauen wir die verschiedenen Sparten als Ganzes an, dann fällt die Mobilität mit 31 Prozent als grösster Teil ins Gewicht. Dann folgt der Konsum mit 28 Prozent. Ernährung und Wohnen/Heizen machen je 16 Prozent aus. Und Dienstleistungen noch 9 Prozent.
Beim WWF-Footprintrechner liegt der Fokus auf den Treibhausgasen wie dem CO2. Und dessen Einfluss aufs Klima und die Ökosysteme, beziehungsweise unserer Lebensgrundlagen. Bei anderen Statistiken – wie jener des Bundesamts für Umwelt – geht es um politisch gewichtete Umwelt-Belastungspunkte. Dort fällt die Ernährung stärker ins Gewicht. Weil dort Sachen wie Landverbrauch und Düngemittel mit einfliessen. Aber der WWF schaut beim Thema ökologischer Fussabdruck zentral aufs Klimaänderungs-Potenzial. Da ist die Mobilität wichtiger.
Vor allem im Wohnbereich. Also beim Heizen und Stromverbrauch. Da werden bessere Dämm-Materialien verwendet, effizientere Heizungs-Systeme eingebaut und sparsamere Elektrogeräte gekauft. Zudem ist die Stromproduktion europaweit besser geworden. Wir sehen auch gute Tendenzen bei der Ernährung. Dass pflanzliche Produkte häufiger gekauft werden. Bei der Mobilität haben wir eher eine Verschlechterung festgestellt. Weil die Leute noch grössere Benzinschleudern kaufen. Der Konsum ist in etwa gleich geblieben.
Wir müssen weg von Öl, Kohle und Gas in der Produktion. Sei es in der Nahrungsmittel-Herstellung, bei der Fahrzeugtechnologie, beim Heizen, bei der Stromproduktion. Der Konsument muss da wenig tun. Nur politisch das Kreuzchen am richtigen Ort setzen. Also entsprechend abstimmen. Beim Rest geht es um Konsumentscheide in der Ernährung. Um die Abholzung von Regenwäldern, die Stillegung von Mooren und so weiter.
Kohle, Öl und Erdgas müssen vermieden werden
Der Grossteil kommt aus der vorgelagerten Kette. Aus der Produktion von Strom aus Kohlekraftwerken. Öl und Erdgas wird beim Transport und in der Produktion verbrannt. Dann kommt dazu, was wir beim Fliegen und Autofahren verbrauchen. Wenn wir auf Elektromobilität umstellen sieht es besser aus. Wenn wir die Autos und Lastwagen am Ende des Zyklus sauber recyceln. Und dafür auch wieder Ökostrom verwenden. Dann würden die Gesamtbelastungen massiv runter kommen.
Der ökologische Fussabdruck in der Schweiz: Mobilität und Konsum machen die grössten Anteile aus. Grafik: WWF
Ja, und da ist die Stromproduktion entscheidend. Wir müssen beim Aufbereiten der Metalle erneuerbaren Strom verwenden und die Metalle rezyklieren. Dann können wir den Ausstoss bei der Herstellung um den Faktor 10 reduzieren.
Davon gehen wir aus. An der EMPA wurde erst kürzlich ein interessantes Recycling-Verfahren entwickelt. Dabei wird fürs Recycling der Batterie zusätzlich nur Wasser und keine Chemikalien benötigt. Der Strom innerhalb der Batterie reicht dann, um den Grossteil der darin enthaltenen Metalle nutzbar für neue Batterien zu machen.
Energie Schweiz hat eine Studie dazu gemacht. Sobald ich mehr als 2000 Kilometer pro Jahr fahren muss, lohnt sich das Elektroauto. Dabei wird pessimistisch gerechnet und davon ausgegangen, dass es nur 15 Jahre lang fährt.
Ökologischer Fussabdruck – das Elektroauto ist viel besser als der Verbrenner
Ja. Wird das Auto so weit gefahren, werden die Herstellungs- und Entsorgungs-Aufwände im Vergleich mit einem Benziner mehr als zehnfach amortisiert. Das ist ein grosser Vorteil. Natürlich können wir sagen: Kein Auto ist besser als ein Elektroauto. Aber ein Elektroauto ist viel besser als ein Verbrenner.
Es gibt diverse Studien dazu. Selbst wenn Sie in der Produktion und beim Laden einen Anteil Kohlestrom haben: Das Elektroauto ist viel effizienter in der Energieumwandlung. Ein Verbrennungsmotor bringt nur 25 Prozent des Energiegehalts des Benzins auf die Strasse. Ein Elektroauto über 90 Prozent.
…hätten wir in etwa nur einen Viertel der Emissionen.
Der Individualverkehr und die Flugreisen sind ungefähr gleich gross. Die Flugreisen fallen mittlerweile sogar höher ins Gewicht.
Flugreisen machen 27 Prozent des Fussabdrucks aus
Das Flugreise-Verhalten der Schweizer nahm seit 2015 massiv zu. Bis zur Pandemie. Dann ging es leicht zurück. Was wichtig ist: Wenn ich nach Neuseeland fliegen würde, dann stiege ich in Dubai um. Die meisten nationalen Statistiken berücksichtigen aber nur den ersten Flug. Also Zürich-Dubai. Die lange Strecke von Dubai nach Neuseeland wird den Konsumenten aus Dubai angerechnet. Es gibt auch solche Berechnungen, welche nur die Flüge innerhalb des Landes berechnen. Also Zürich-Genf beispielsweise. Wir aber haben alles berücksichtigt. Und wir haben dabei mit Umfragewerten von total 56 000 Menschen gearbeitet.
In der bisherigen Version des Footprint-Rechners kamen wir auf diese Anteile. Mittlerweile gibt es jedoch neue Erkenntnisse über die Strahlungswirksamkeit von Flugzeugen. Wenn Kerosin verbrannt wird, entsteht vereinfacht gesagt Wasser und CO2. Das Wasser bildet Kondensstreifen. Das hat eine zusätzliche Wärmewirkung. Die Strahlen werden weiter oben zurückgeschickt und erhitzen die Luft darunter. Bisher gingen wir davon aus, dass es ein Faktor 2 ist zur Kerosin-Verbrennung. Mittlerweile sagen Experten, die Treibhauswirksamkeit ist deswegen dreimal so hoch. Das fehlt in vielen Statistiken. Weil die nur das CO2 und die Stickoxid-Emissionen berechnen. Aber mit dem Wärmeeffekt ist es Faktor 3. Unser Klimaexperte Patrick Hofstetter und das Parlament nennen jetzt die Zahl von 27 Prozent.
Das Flugzeug verschlechtert unsere Bilanz massiv, das Elektroauto ist viel besser als Benziner. Grafik: WWF
Ja. Wir reden von cirka 12 Flugstunden pro Jahr. Bisher gingen wir in der Schweiz von 15 bis 18 Prozent aus.
Weltweit gesehen ist der Anteil tatsächlich geringer. Wenn wir mit Faktor 2 rechnen sind es global ungefähr 4 Prozent. Mit Faktor 3 sind es 7 Prozent. Die Schweizer:innen fliegen aber deutlich mehr als der weltweite Durchschnitt.
Nein, nur einen Drittel des Problems. Gemäss der neuen Studie. Denn Wasser entsteht auch bei der Verbrennung der neuen Treibstoffe. Und wenn das in 10 Kilometer Höhe ausgestossen wird, hat es die zusätzliche Strahlungswirkung. Von daher werden uns diese Treibstoffe nicht entscheidend helfen. Die Weltbevölkerung muss mit weniger Flugreisen auskommen.
Kreuzfahrten haben starken Einfluss auf ökologischen Fussabdruck
Da fehlt es an Reichweite. Die Kurzstrecken nach London hätten sie eventuell bis 2050 im Griff. Aber eigentlich brauchen wir ja die Langstrecken. Und das bekommen die Entwickler nicht so schnell hin.
Ja, das muss es in Richtung der Konsument:innen heissen. Sie sind entscheidend. Und bei der Ernährung bewusster konsumieren. Alles andere können wir bei der Umstellung in der Produktionskette mit geschlossenen Kreisläufen grösstenteils abfangen.
Da geht es um Personenkilometer. Das Velo ist durchschnittlich 10 000 bis 15 000 Kilometer unterwegs. Der Zug viel länger. Und der Strom für den Betrieb kommt in der Schweiz fast ausschliesslich aus Wasserkraft. Im Gegensatz zur Deutschen Bahn. Die ist wegen dem Anteil an Kohlestrom um den Faktor 4 oder 5 schlechter. Aber immer noch besser als das Auto. Aber bei uns ist der Zug so gut wie das Velo.
Im Schnitt der Gesamtbevölkerung sind sie vernachlässigbar. In der Schweiz machen jährlich rund 100 000 Personen eine Kreuzfahrt. Ein guter ökologischer Fussabdruck ist für sie schwierig. Problematisch sind bei Kreuzfahrten das grosse Unterhaltungs- und Lebensmittelangebot. Die Anlagen laufen mit Dieselgeneratoren. Und frische Nahrungsmittel werden häufig per Helikopter eingeflogen.
Nein, ebenfalls nicht mit drin sind der Strom und Wärmeverbrauch im Haushalt. Und dazu öffentliche Dienstleistungen von Behörden. Militär, Polizei, und so weiter. Übrig bleiben Dinge wie Bekleidung, Unterhaltungselektronik, Haustiere, Spielzeug, Restaurant- und Eventbesuche. Sämtliche non-food-Produkte und diverse Dienstleistungen, die wir erstehen.
Weniger ist mehr in der Gesamtheit. Ich muss mich einfach fragen, was ich wirklich brauche. Vor allem auch bei Dingen wie Kleidern und Handy. Fast Fashion hat zugenommen. Bei den elektrischen Geräten ist es meist so, dass sie kleiner werden. Das ist eigentlich ein guter Trend. Dafür haben wir grössere Fernseher.
Sie leben wahrscheinlich in derselben Blase wie ich. (lacht) Nein, es ist leider nicht so. Kleider und Elektrogeräte machen zusammen auch etwa 7 Prozent aus.
Achtung auf den Rebound-Effekt
Eine Pet-Flasche zu produzieren verursacht 80 Gramm CO2. Im Idealfall kann ich beim Recycling 40 Gramm sparen. Fahre ich mit dem Benzinauto zum Recycling-Hof, stosse ich aber – inklusive Autoproduktion – 200 Gramm für einen Kilometer aus. Recycling ist wichtig und richtig. Aber wir dürfen uns selber nicht belügen. Und uns dafür belohnen. Wir nennen das den Rebound-Effekt. Wenn wir danach ein Steak essen, geht es bei weitem nicht auf.
Dass wir uns politisch dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen geändert werden. Weg von Öl, Gas und Kohle. Und es muss für alle einfacher werden, den eigenen ökologischen Fussabdruck zu minimieren. Nicht nur für die intrinsisch Motivierten, welche Bio-Produkte kaufen und vegan leben. Was wir selber angehen können ist, weniger zu fliegen und uns bewusster – auch pflanzlicher – zu ernähren.
Der Fleischkonsum der Schweizer:innen liegt im Schnitt bei 50 Kilogramm pro Jahr. Bild: istock.com
Ja. Der Fleischkonsum macht – zusammen mit Milchprodukten – in etwa die Hälfte des Ernährungs-Fussabdrucks aus. Auch ein wichtiger Faktor sind Getränke. Mineralwasser aus der Flasche, Kaffee, Süssgetränke. Orangensaft beispielsweise, der sehr viele Früchte benötigt.
Wenn er als Genussmittel, also in kleinen Mengen konsumiert wird, schon. Bei Getränken ist tendenziell alles besser, was in der Nähe hergestellt wird. Hahnenwasser statt Mineralwasser. Schweizer oder europäischer Wein statt Wein aus Übersee.
Ja. Die Zahlen sind klar.
Ja, ein schwieriges Thema. Viele Landwirte setzen seit langem auf die Milchproduktion. Zudem verkauft uns die Werbung geschickt, dass Fondue, Raclette und Milch in der traditionellen Schweizer Ernährung nicht fehlen dürfen. Das Konfliktpotential ist daher hoch. Gegen die Alpidylle, wo Kühe auf Weiden grasen, und im Winter mit Heu gefüttert werden gibt es auch aus ökologischer Sicht eher wenig auszusetzen. Denn die dünnen Humusschichten an Berghängen eignen sich eher schlecht für die pflanzliche Nahrungsmittelgewinnung.
Mehr pflanzliche Ernährung – weniger Fleisch
Problematisch wirds jedoch, wenn für die Futtermittel-Produktion im In- oder Ausland Wälder gerodet werden. Und sie Moorlandschaften trockenlegen. Dann werden viele Treibhausgase freigesetzt, die bisher im Boden und in den Pflanzen eingelagert waren. Deshalb sollten gut ackerbare Flächen möglichst effizient genutzt werden. Das heisst für den Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln genutzt werden. Werden pflanzliche Lebensmittel an Tiere verfüttert, erhalten wir danach einen viel kleineren Anteil and tierischen Nahrungsmitteln. Zudem empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation generell eine pflanzenbasierte Ernährung mit möglichst geringem Fleischkonsum. So wird unser ökologischer Fussabdruck kleiner.
Wir sollten den Konsum an tierischen Produkten auf ein gesundes Mass reduzieren. Das heisst im Schnitt etwa 100 bis 300 Gramm Fleisch pro Woche. Dann könnten viele Landflächen wieder zuwachsen. Und so auch wieder Kohlenstoff aufnehmen.
Ein komplexes Thema. Die Bank oder Pensionskasse verleiht das Geld für unterschiedliche Zwecke. Auch für Konsum von Dritten. Ich sollte mein Erspartes einer Kasse anvertrauen, die eine ökologisch nachhaltige Anlagestrategie verfolgt. Somit bleibt weniger Geld im Topf anderer Kassen. Bei den Finanzen ist noch etwas anderes interessant. Was gut verdienende Schweizer erreichen könnten, wenn sie generell weniger Finanzen zur Verfügung hätten. Also beispielsweise einen Tag weniger arbeiten und 20 Prozent weniger verdienen. Tendenziell würden wir bei unnötigen Ausgaben für Luxusgüter Abstriche machen. Entsprechend würde auch 20 Prozent weniger konsumiert. Und unser ökologischer Fussabdruck wäre im Durchschnitt um 2,5 Tonnen geringer.
Ja. Vor 50 Jahren haben die Leute schliesslich auch glücklich gelebt. Mit viel weniger Geld. Aber früher gaben die Leute 30 Prozent für Nahrungsmittel aus. Und heute nur noch knapp 7 Prozent des Haushaltseinkommens. Wir geben das Geld für unnütze Dinge wie teure Handys und Fast-Fashion aus.
Ökologischer Fussabdruck: Wir geben zuwenig fürs Essen aus
Nein, nur die umweltschädlichen Nahrungsmittel.
Genau. Die Gesamtumweltbelastung sollte sich im Preis spiegeln. Umweltschädliche Produkte verursachen für die Gesamtwirtschaft hohe Kosten. Es ist daher absurd, wenn beispielsweise die Produktion von tierischen Produkten staatlich subventioniert werden. Oder auch die Nutzung von fossilen Energieträgern. Davon profitieren nur wenige auf Kosten aller. Bei Abstimmungen wie diesen Sommer zum CO2-Gesetz hat sich jedoch leider gezeigt, dass Konsumenten häufig nur daran denken, wo sie mehr bezahlen müssen. Und nicht ans Gesamtbild, wo sie besser wegkämen. Schlussendlich bezahlen wir die Kosten unseres Nichthandelns via Steuern, Versicherungs- und Krankenkassenprämien.
Weg vom Öl und Gas. Das heisst, wenn eine Öl- oder Gasheizung im Einsatz ist, sollte diese per sofort ersetzt werden. Für besonders umweltschonende Wärmepumpen- und Pellets-Heizungssysteme gibt es Bestenlisten. Im Idealfall wird nebst dem Heizungsersatz auch gleich die Wärmedämmung der Gebäudehülle verbessert. Beim Häuserbau gilt zudem: Weg vom Beton. Biogene Baustoffe sollten eingesetzt werden. Holzfasern und so weiter. Auch Recycling-Zement und Tonerde-basierte Baustoffe. Holz hat den Vorteil, dass wir Kohlenstoff einlagern.
In der Schweiz haben die meisten Haushalte automatisch ein relativ umweltfreundliches Stromangebot. Mit einem grossen Teil an Wasserkraft. Ich müsste mich bewusst für anderen Strommix entscheiden. Mit mehr Kernkraft beispielsweise. Der Schweizer Strommix ist also schon relativ CO2-arm. Daher noch ein letztes Mal: Weg von Benzin, Heizöl und Gas ist der wichtigste Schritt hin zu einem nachhaltigen Zusammenleben.
Christoph Meili ist Umweltingenieur MSc. ETH, beim WWF Schweiz zuständig für Ökobilanz-Fragen, insbesondere mit Bezug zu individuellem Konsum.
… ja, ja, weniger Fliegen, wenn es so einfach wäre. Aber das mit dem weniger arbeiten, dass das auch einen positiven Effekt auf das Klima hat, finde ich einen interessanten Gedanken!
Sprechen wir bei der Grafik von Sitzplatzkilometern oder von realer Auslastung?
Vor Pandemie: Flugzeug ca. 70% und Auto 25%? Zug? Velo 100%.
Nur damit die Grafik richtig eingeordnet werden kann….