Kohleabbau in Deutschland: Die Mehrheit der Schweizer Pensionskassen investiert in klimaschädliche Energie. Bild: istock.com
Vielleicht hast du dein Geld in einem nachhaltigen Fonds angelegt. Und du weisst auch, wie deine Ersparnisse das Klima verändern können. Was oft vergessen geht: Die Schweizer Pensionskassen investieren 1200 Milliarden an der Börse. Es ist dein Geld, das einen gewaltigen Einfluss auf die Umwelt hat. Sandro Leuenberger von der Klima-Allianz Schweiz erklärt, wie dies funktioniert und was wir als Arbeitnehmer tun können.
20 Mal mehr finanzierte Emissionen als direkte Emissionen
Die direkten Treibhausgas-Emissionen sind das, was jede einzelne Person, die Industrie und so weiter in unserem Land emittieren. Die Klima-Allianz hat aufgrund von Daten des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) rund 20 Mal mehr finanzierte Emissionen berechnet. Das gesamte Geld, welches die Schweiz vor allem im Ausland investiert, ist unser wichtigster Klimahebel. Die Schweiz ist gross beim Finanzplatz. Er hat weltweite Bedeutung, die Finanzinstitute legen auch viel Geld für Vermögende im Ausland an. Insgesamt rechnen wir mit acht Billionen Franken. 1200 Milliarden oder 1,2 Billionen Franken gehen unter den Bereich der Pensionskassen, der Vorsorge-Einrichtungen inklusive SUVA- und AHV-Fonds. Diese Investitionen müssen dringend in die Ablösung der fossilen Weltwirtschaft fliessen. Die Lösungen sind seit langem da. Erneuerbare Energie, Lebensmittelproduktion ohne Fleisch, Soja und Palmöl aus der Urwaldabholzung, Plastikfreiheit und die Innovationen für die Kreislaufwirtschaft müssen das Geld erhalten.
Es gibt rund 1500 Pensionskassen in der Schweiz. Wir haben 10 Prozent davon klassifiziert. Diese entsprechen rund 80 Prozent des Anlagevolumens.
Viele meinen noch, von fossilen Energieträgern in erneuerbare Energien umzuschichten, heisse, keine marktgerechte Rendite zu erwirtschaften. Das Gesetz verlangt, dass sie mit dem Geld treuhänderisch umgehen müssen. Doch diejenigen, die wir als nachhaltig loben, zeigen auf: es ist eine Ausrede! Das Gesetz verlange das Verharren im «weiter wie bisher». Diese 23 Prozent fortschrittlicher Pensionskassen beweisen, dass es guten Spielraum für die nachhaltige Anlage unserer Altersgelder gibt.
Pensionskassen-Rating: Die Kriterien werden verschärft
Seit ein paar Jahren hat der Wind gedreht. Es gibt mindestens gleich gute Renditen. Aber heute schon können mit wirklich grünen Firmen sogar bessere Erträge erwirtschaftet werden. Wobei wichtig zu wissen ist: eine Pensionskasse investiert ja nicht in eine einzelne Firma. Sondern sie diversifiziert in ein paar tausend Unternehmen, welche vom SMI über den Nasdaq bis zum DAX abgebildet sind. Das ist der Mainstream. Wenn die ganze Welt aber immer so investiert wie der Markt, wird nichts verändert. Das Ziel ist, dass die Pensionskassen Schritt für Schritt umschichten. Von braun zu grün.
Die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, die Sustainable Development Goals (SDG), sind im Prinzip Synonym für die ESG-Kriterien. Darunter fällt insbesondere auch die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens von 2015 mit Ziel einer maximalen Erderwärmung von 1,5 Grad. Dies bedeutet, netto null Treibhausgasemissionen zu erreichen innerhalb kürzester Zeit, weit vor 2050. Wir von der Klima-Allianz werden die Klassifizierungs-Kriterien also verschärfen. Weil der Klimanotstand immer akuter wird. Wir werden «best practice» nur noch «good practice» nennen. «Visionäre» mit «grün» sind nur die besten 2 Prozent der 23 Prozent, welche nachhaltig investieren. Sie greifen wirklich ein. Die Nest-Sammelstiftung oder Stiftung Abendrot beispielsweise.
Sie eliminieren die schädlichen Sektoren wie die Förderung von fossilen Energieträgern, deren direkte Verwendung in Kohle- und Gaskraftwerken. Sie schliessen auch Automobilhersteller aus, die immer noch auf Diesel und Benzin statt E-Mobilität setzen. Auch Fluggesellschaften und Flughäfen erhalten kein Geld. Dafür können es Firmen nutzen, die ihren Klimafussabdruck systematisch reduzieren. Und Windparks, Solarzellenhersteller – die Anbieter der Lösungen.
Schlechte Noten für UBS und Roche im Pensionskassen-Rating

Der Schweizer Finanzplatz ist für das 20-fache der Schweizer Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Grafik: Klima-Allianz Schweiz
Viele Pensionskassen, die wir schlecht eingestuft haben, sind intransparent. Firmen wie Roche oder die UBS kommunizieren nur intern. Sie denken, die Öffentlichkeit gehe das nichts an. Wer aber Unzeitgemässes wie fossile Firmen zu verstecken hat, ist meist verschlossen. Die Credit Suisse informiert, aber sie praktiziert nur wenige Ausschlüsse. Wenn überhaupt, halten sich die unbeweglichen Vorsorgeeinrichtungen nur an gewisse UN-Minimalnormen. Die besagen, dass Rüstungsfirmen, welche Minen und Streumunition herstellen, gebannt sind. Nur, weil sie darauf verzichten, ist es noch lange nicht nachhaltig investiert. Wer dies kommuniziert, ohne sich zu verbindlichen Plänen für die Umschichtung von braun zu grün zu verpflichten, macht klares Greenwashing.
Die SUVA beispielsweise ist noch nirgends. Sie haben zwar Nachhaltigkeitsprinzipien, verstehen aber etwas Anderes darunter. Dass sie für die zukünftigen Generationen die Unfallversicherung gewährleisten beispielsweise. Im engeren Sinne ist das vielleicht wirtschaftlich nachhaltig. Aber sonst nichts. Sie investieren genauso wie der Mainstream. Das heisst, in alle 3000-4000 börsenkotierten Firmen der Welt, die in den Indizes abgebildet sind.
Das Ziel: In ESG-konforme Indizes investieren
Das tun die mit «good practice» bewerteten Pensionskassen in «hellgrün», wie wir sie neu nennen. Es gibt ja auch Rating-Anbieter, welche die Firmen, in welche investiert wird, bewerten. Punkto Umweltverhalten, sozialem Verhalten, Gewerkschaftsrecht, Gender-Gerechtigkeit und Unternehmensführung. Solche Ratings sind erhältlich und damit gibt es auch ESG-Indizes. Statt in 4000 Firmen investieren die Pensionskassen dann einfach in 1400, die ESG-konform sind. Ohne dass die Diversifikation und der Risikoschutz beeinträchtigt werden.
Credit Suisse finanziert Erdölbohrungen in der Arktis
Da bin ich nicht sehr optimistisch. Schlussendlich passiert das, was entscheidend ist, in der Realwirtschaft. Ohne die Politik fliesst das meiste Geld weiterhin in klimaschädliche fossile Energien. Die Credit Suisse finanziert immer noch direkt Pipelines und Erdölbohrungen in der Arktis. Gesetze müssen dies verhindern. Ansetzen müssen Politik und Wirtschaft an verschiedenen Orten. Regulierungen müssen die Industrie für die Emissionen bezahlen lassen. Und demgegenüber die erneuerbaren Energien unterstützen. In der grünen Technologie brauchen wir viele Lösungen. Dies heisst aber auch, dass die Geldgeber wie die Pensionskassen von sich aus, jetzt und heute ihren wichtigen Hebel tätigen müssen.
Engagement der Aktionäre ist wichtig
Sie sollten aussteigen, so werden die Finanzierungen für die Klimasünder schwieriger. Wenn die fossilen Saurier wegen tieferer Nachfrage an den Märkten einen höheren Zins zahlen müssen. So werden sie finanziell geschwächt und müssen etwa die Förderung neuen Erdöls und Erdgases runterfahren. Das Zweite ist das Engagement, die Einflussnahme der Aktionäre. Damit die Ölgiganten, so sie es denn schaffen, in andere, nicht klimaschädliche Geschäftsfelder einsteigen. Und Stromerzeuger müssen schleunigst auf Wind und Sonne umsteigen. Autohersteller müssen Elektrofahrzeuge entwickeln und am Markt durchsetzen. Wo es keine schnellen Lösungen gibt wie beim Zement, also bei Firmen wie Holcim, müssen sie zu Forschung und Entwicklung gepusht werden. Da müssen erste Ideen in die Praxis umgesetzt werden.
Ja, das ist so. Weil sich viele Pensionskassen gar nicht darum kümmern. Sie lassen das Geld durch die Vermögensverwalter investieren. Die Asset Owner übergeben die Verantwortung an die Asset Manager. Die UBS und die Credit Suisse tun dies beispielsweise für die Pensionskassen. Aber auch Swisscanto. Und Blackrock, der weltweit grösste Vermögensverwalter.
Sie wollen es nicht wissen. Denn eigentlich könnten sie es ja wahrnehmen. Da sie in die Börse investieren. Und damit automatisch Rohstoffkonzerne wie BHP oder Glencore drin haben. Oder Kohlestrom-Erzeuger wie RWE in Deutschland. Die Pensionskassen müssten spezifizieren, was sie wollen. Nämlich den Kohlenstoff-Abdruck reduzieren und unverantwortliche Konzerne ausschliessen. Solche, welche die Umwelt schädigen und die Menschen ausbeuten. Sie müssten auch das Engagement bei Firmen, die verbesserungsfähig erscheinen, in die eigene Hand nehmen. Etwa via Ethos, den bewährten Dienstleister für die Ausübung von wirksamem Druck auf die Unternehmen. Nestlé etwa musste sich kürzlich Ethos beugen und den Aktionären einen ersten Klimaplan unterbreiten.
Pensionskassen-Rating: „Fossile Vermögenswerte sind dann Ruinen“

Die Investition in erneuerbare Energien wie Solarstrom ist heutzutage bereits sehr rentabel. Bild: istock.com
Mit dem Tool auf unserer Seite des Klimaratings kann ein Arbeitnehmer seine Pensionskasse auswählen und so direkt ein Mail versenden, falls sie nicht nachhaltig ist. Die Pensionskassen müssen gegenüber ihren Kunden, den Versicherten, zu den Klimarisiken Stellung nehmen. Schliesslich spricht sich selbst in der Finanzwelt herum : Wenn kohlenstoff-intensiv investiert wird, drohen Wertverluste. Denn die Klimakatastrophen werden kommen. Und es wird für die Staaten plötzlich so dringend wie der Lockdown beim COVID, die Treibhausgase rasant zu senken. Die fossilen Vermögenswerte sind dann Ruinen. Deren Aktien sinken in den Keller und die Erträge gehen auf Null. 20-30 Prozent der Renten sind so im schlimmsten Fall für die heute Jungen in Gefahr.
Nein. Der engstirnige Teil bewegt sich wie schwere Tanker. Selbst wenn jemand «Stopp!» sagen würde, fahren die noch ein paar Kilometer weiter. Die ganze Organisation muss Stück für Stück umgepolt werden.
Die Migros hat mit der Pensionskasse wirklich vorwärts gemacht. Sie finanzieren 30 – 40 Prozent weniger Treibhausgase als der Weltmarkt. Die Swiss Life ist bei uns auch klimaverträglich. Einige Versicherungen sind relativ bewusst punkto finanzielle Klimarisiken. Viele filtern die nicht nachhaltigen Firmen mittels ihrer Software heraus. Die zunehmenden Klimakatastrophen verursachen ja auch riesige Schäden, welche die Versicherungen tragen müssen. Das bewirkt zunehmendes Bewusstsein für die Notwendigkeit, gegenzusteuern.
Klima-Ratings künftig als Standard beim Anlegen
Es gibt Firmen wie das Schweizer Fintech Carbon Delta – die heute zum amerikanischen Finanzdienstleister MSCI gehört – welche Portfolios auf ihre Klimawirkung und auf die Verlustrisiken für die Investoren beurteilt. Wie lange kann Exxon noch Öl fördern und damit Geld verdienen? Wie weit ist VW mit den Elektroautos? Daraus entstehen Ratings, die wiederum direkt die durch das investierte Geld gepushte Erderwärmung aufzeigen. Solche Ratings werden künftig zum Standard werden.
Der Zug fährt international definitiv Richtung Nachhaltigkeit ab! Das wissen eigentlich auch jene Schnecken, die bei uns noch auf Rot gewertet werden. Wenn dann die NZZ schreibt, dass die Pensionskassengelder in Gefahr sind, bimmeln auch bei der Credit Suisse oder Roche ein paar Alarmglocken. Aber wie gesagt, es geht im Lichte des Klimanotstandes viel zu langsam voran.
Innerhalb der nächsten zehn Jahre muss sehr viel passieren. Das Jahr 2030 ist entscheidend. Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft es nicht schaffen, die richtigen Hebel zu bewegen, werden die Auswirkungen katastrophal sein. Gerade der Schweizer Finanzplatz hat eine grosse Auswirkung. Und eine entsprechende Verantwortung.
Sandro Leuenberger ist engagiert als freiwilliger Experte bei der Klima-Allianz Schweiz. Sein Fokus ist die klimaverträgliche Umlenkung der Investitionen von Banken, Versicherungen und Pensionskassen. Das Feld der Finanz und das System der beruflichen Vorsorge kennt er aus seiner langjährigen Funktion als Arbeitnehmervertreter im Stiftungsrat der Pensionskasse seiner früheren Firma. Er ist Autor des Klima-Ratings der Pensionskassen.
