Pulsuhr - brauche ich sie wirklich fürs tägliche Training

3 Minuten
8. September 2021

Pulsuhr anschnallen und nach der Arbeit noch schnell Joggen gehen. Auch hier setzen sich viele mit der Uhr unter Leistungsdruck. Die ehemalige Eiskunstlauf-Europameisterin Sarah van Berkel sagt, wann das Sinn macht. Und wann nicht.

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Mit Pulsuhr zum Joggen oder nicht?

Die ehemalige Spitzensportlerin Sarah van Berkel beim Joggen in den USA: Wer braucht in diesen Weiten noch den Blick auf die Pulsuhr?  Bild: zvg

Ich bin mit meinem Sohn unterwegs. Er im Jogger-Kinderwagen, ich zu Fuss. Ich starte meine Stoppuhr, renne los. Aller Anfang ist für mich immer schwer beim Joggen. Auch wenn die heutige Strecke um den Klingnauer Stausee ganz flach ist. Meist komme ich erst nach einigen Kilometern in den Rhythmus. So wie jetzt. Als ich mich ziemlich gut fühle, vibriert meine Uhr. Sie zeigt an: Leistungszustand: – 1. Uff! Die nächsten Schritte werden nicht einfacher. Minus eins? Wieso denn das? Habe ich zu wenig geschlafen? Zu wenig oder das falsche gegessen? Mann! Soll ich vielleicht die kürzere Route nehmen? Oder heute einfach spazieren?

Auf den Körper hören

Nach den negativen Gedanken versuche ich mich aber zu motivieren. Vielleicht bin ich das letzte Mal ja ohne das Zusatzgewicht des Kinderwagens gerannt. Und schliesslich ist es ja nur eine Zahl. Denn wie gesagt, meine Beine fühlen sich ja gar nicht schlecht an. Jetzt bin ich erst recht motiviert, ein gutes Training zu schaffen.

Sarah van Berkel: „Ohne Sportuhr habe ich ein Stück Freiheit zurückgewonnen.“  Bild: zvg

Die heutigen Möglichkeiten, um Training, die Fitnesszustand und Bewegung zu tracken, sind fast grenzenlos. Daten zu Zeit, Herzfrequenz, Geschwindigkeit, Schritt- und Trittfrequenz oder Krafteinsatz können problemlos mit dem Telefon oder einer Uhr gemessen werden. Und jedes erdenkliche Training gibts auch auf einer App. Doch der Einsatz welcher Mittel macht überhaupt Sinn? Ist das Gefühl nicht viel entscheidender als eine Zahl?

Die Pulsuhr motiviert, ohne bin ich spontaner

Natürlich ist das eine sehr individuelle Entscheidung. Ich selber habe in diesem Bereich eine Wandlung durchgemacht. Früher als Spitzensportlerin führte ich ein Trainingstagebuch. Mein Fitnesstrainer Robin Städler notierte jedes Detail, jede Übung, Anzahl Serien, Wiederholungen, Puls, Gewicht, Qualität und Ausführung kleinlich genau. Um zu analysieren und später daraus zu lernen. Die Veränderungen des Körpers und der Leistung zu spüren. Die Fortschritte aber auch schwarz auf weiss zu sehen, finde ich erstaunlich, faszinierend, motivierend und belohnend zugleich. Doch nach meiner Sportkarriere war ich froh, einfach mal ohne Uhr unterwegs zu sein.

Ein Stück Freiheit gewinnen

Mein Training nicht aufzuzeichnen, war gleichzeitig auch ein Zeichen für mich: Für einmal ohne Ziel Sport zu treiben und einfach mal spontan sein zu können. Ein Stück Freiheit sozusagen. Zwischenzeitlich fehlten mir zwar die Ziele. Und die Befriedigung, diese zu erreichen. In der Schwangerschaft und der ersten Zeit nach der Geburt verliess ich mich wieder mehr nur auf mein Gefühl und trainierte spontan nach Lust und Laune. Es ging mir mehr um meine Gesundheit. Bis ich kürzlich meine Fitnessuhr wieder hervorholte und an den Strom anschloss.

Pulsuhr ja, aber mein Gefühl hat Vorrang

Ich installierte auch die Strava-App erneut auf dem Smartphone– eine Art soziales Netzwerk für Ausdauersportler. Ich sehne mich wieder nach einer gewissen Kontrolle. Die Technik gibt mir die Motivation, mich täglich genügend zu bewegen. Sei es auf Inline-Skates, auf dem Velo, joggend oder spazierend. Mit und ohne Kinderwagen. Aber ich trage sie nur, wenn die positiven Gedanken überwiegen. Wenn mein subjektives Gefühl Vorrang hat. Auch wenn die Datenlage dagegen spricht.

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Autor:in: Sarah
van
Berkel
Die Autorin ist eine ehemalige Schweizer Eiskunstlauf-Europameisterin. Heute arbeitet sie als Medienchefin und Journalistin.
Kommentare
  • Avatar-Foto aha:

    ja, schwieriges Thema… bin auch immer hin-und hergerissen.

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