Reifenabrieb und Euro-7: Wie nachhaltige Reifen Mikroplastik stoppen sollen

3 Minuten
9. Oktober 2025

Der Reifenabrieb der Autos ist eine unsichtbare Gefahr und die grösste Mikroplastikquelle. Bald tritt die Abgasnorm Euro-7 in Kraft, die erstmals auch den Reifenabrieb reguliert. Damit sind die Pneu-Hersteller gefordert – und sie reagieren mit erstaunlichen Ansätzen für grüne Reifen.

 

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Reifenabrieb

Nachhaltig und futuristisch: Reifen wie die Michelin Uptis sollen den Rohstoffverbrauch massiv reduzieren.  Bild: Michelin

Pneus werden gemeinhin unterschätzt. Die schwarzen Gummi-Reifen, die so unscheinbar an jedem Auto angebracht sind, übernehmen Funktionen, die für die Fahrsicherheit grundlegend wichtig sind: Sie sind der einzige Kontaktpunkt vom Fahrzeug zur Strasse, übertragen nicht nur die Beschleunigung, sondern sorgen auch die Bremsleistung auf den Asphalt und halten das Auto in den Kurven in der Spur. Darüber hinaus beeinflussen die Pneus, wie viel Energie ein Auto verbraucht, um vorwärtszukommen – gerade bei Elektroautos sind deshalb rollwiderstandsarme Reifen gefragt. Und sie sind ein sehr wichtiger Faktor bei der Lärmemission eines Autos, denn die Abrollgeräusche haben daran einen hohen Anteil.

Euro-7 Norm: Erste Grenzwerte für Brems- und Reifenabrieb 2028

Autoreifen sind aber auch eine Umweltbelastung. Pneus hinterlassen konstant winzige Gummipartikel, die beim Fahren und Bremsen laufend abgerieben werden. Weltweit entstehen so pro Jahr etwa 6 Millionen Tonnen Reifenabrieb, der bisher ungefiltert in die Umwelt gelangt. In der Schweiz sind es rund 8900 Tonnen Partikel und somit die grösste Quelle von Mikroplastik, die in unserem Land entsteht. «Die Gummipartikel sind überall in der Umwelt – und wir haben kaum Kontrolle, wohin sie gehen», sagt Ursula Schneider-Schüttel von Pro Natura. Deshalb führt die EU mit der kommenden Euro-7-Norm (vgl. Box) erstmals klare Grenzwerte für Reifanabrieb ein, die ab 2028 für neue Pw und später auch für Lkw gelten. Die Vorschriften gelten nicht nur für den Reifen-, sondern auch für Bremsabrieb. Denn auch die Bremsscheiben emittieren bei jedem Verzögern schädliche Partikel.

Warum Elektroautos bis zu 50 Prozent mehr Reifenabrieb verursachen

Die Pneu-Hersteller stehen damit unter massivem Druck, um neue, umweltfreundlichere Reifen zu entwickeln, die weniger Abrieb erzeugen. Leider vergrössert die zunehmende Anzahl Elektroautos das Problem des Gummiabriebs noch zusätzlich: Weil sie wegen ihrer grossen und schweren Hochvoltbatterie deutlich mehr Gewicht auf die Waage bringen als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor, ist ihr Pneu-Verschleiss und damit der Reifenabrieb gemäss Studien bis zu 50 Prozent höher.

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Euro-7-Norm

Daraus entstehen nachhaltige Reifen: Bridgestone baut statt auf synthetischen Kautschuk auf Erdölbasis auf eine natürliche Variante – Kautschuk aus der Pflanze Guayule.  Bild: Bridgestone

Nachhaltige Reifen: Von Löwenzahn-Kautschuk bis PET-Flaschen-Recycling

Die Lösungsansätze der Reifenhersteller sind unterschiedlich, viele setzen aber vor allem bei den verwendeten Materialien an. Statt synthetischem Kautschuk auf Erdölbasis werden vermehrt nachhaltige Stoffe eingesetzt. Continental beispielsweise verwendet Kautschuk, der aus dem russischen Löwenzahn gewonnen wird – damit soll eine Verringerung von Verschleiss und Rollwiderstand um rund 25 Prozent erreicht werden können. Der japanische Hersteller Bridgestone produziert Kautschuk aus der Pflanze Guayule mit einem ähnlichen Effekt.

Branchenprimus Michelin verfolgt das Ziel, Reifen aus 100 Prozent biologisch hergestellten und recycelten Materialien auf die Strasse zu bringen, die dadurch deutlich abriebarmer sein sollen. Naturkautschuk, Harze auf biologischer Basis oder recycelte Kunststoffe kommen dabei zum Einsatz, genauso wie wiederverwertete PET-Flaschen oder Styropor. Die für die Pneu-Produktion benötigten Öle sind pflanzlich, der Füllstoff Silica kann aus Reisschalen gewonnen werden. Schon heute sind Reifenmodelle auf dem Markt, die zu einem relevanten Teil aus nachhaltigen Materialien bestehen, wie etwa der P Zero E von Pirelli, der zu 55 Prozent aus nachhaltigen Stoffen besteht. Goodyear hat einen strassenzugelassenen Prototypen präsentiert, der zu 90 Prozent aus nachhaltigen Materialien besteht.

Löwenzahn-Gummi

Löwenzahn-Kautschuk von Continental bringt weniger Verschleiss und Rollwiderstand.  Bild: Continental

Neue Materialien, Lasersysteme und luftlose Reifen im Kampf gegen Mikroplastik

Allerdings sind nicht nur die Materialien der Pneus entscheidend; die beim Fahren unvermeidlichen Gummipartikel sollen möglichst gar nicht in die Umwelt gelangen. Start-ups wie The Tyre Collective arbeiten deshalb an Systemen, die den Pneu-Abrieb direkt am Rad auffangen, um ihn aus der Umwelt fernzuhalten. Wann solche Systeme marktreif werden, ist allerdings offen. Michelin nutzt ein Lasersystem namens «SAMPLE» zur Echtzeit-Analyse von Abriebpartikeln, um neue, abriebärmere Gummimischungen zu entwickeln. Ausserdem forschen die Pneu-Hersteller an immer neuen Reifendesigns und -architekturen, die den Gummiabrieb weiter senken sollen. Ein weiterer Entwicklungsansatz sind Reifen, die nicht mit Luft gefüllt werden, sondern stattdessen auf einer Struktur aus vielen einzelnen Lamellen aufbauen, die nicht nur Unebenheiten besser ausgleichen und dabei weniger pannenanfällig sein sollen, sondern auch weniger Abrieb erzeugen.

Grüne Reifen als Milliardenmarkt: Euro-7 schafft Druck und neue Möglichkeiten

Die Pflicht, abriebärmere und damit umweltschonendere Pneus zu entwickeln, ist für die Reifenhersteller eine Herausforderung, aber auch eine Chance. Gemäss einer Studie von BCC Research wächst der Markt für «grüne» Reifen von 70 Mrd. Franken im Jahr 2024 auf geschätzt 123 Mrd. Franken im Jahr 2029, was einem jährlichen Wachstum von fast 12 Prozent entspricht. Pneu-Hersteller, die den neuen Euro-7-Grenzwert früh erfüllen, können sich im neuen Markt entsprechend profilieren und dürfen mit höheren Margen sowie Vorrang bei den Autoherstellern rechnen. Denn jedes ausgelieferte Neufahrzeug ist ab Werk mit einem Satz Pneus ausgestattet – ein sehr lukrativer Markt für die Pneu-Hersteller.

Euro-7 Abgasnorm im Überblick: Was ab 2026 für Autos gilt

Ab dem 29. November 2026 gilt die neue Abgasnorm Euro 7 für neu homologierte Fahrzeugtypen und ein Jahr später für alle Neuzulassungen. Sie führt keine strengeren Prüfstandgrenzwerte für klassische Emissionsschadstoffe wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Kohlenmonoxid (CO), Stickoxide (Nox) oder Partikel ein, legt aber erstmals verbindliche Anforderungen für Realemissionen im Fahrbetrieb fest. Hierzu gehört auch die Regulierung sogenannter Non-Exhaust-Emissionen für Brems- und Reifenabrieb.

Euro‑7 schreibt zudem ein «Onboard Monitoring System» (OBM) vor, das Emissionsüberschreitungen erkennen soll. Stickoxide (NOₓ) müssen über einen Sensor erfasst werden, Partikel (PM) dürfen rechnerisch bestimmt werden. Zudem müssen künftig alle Pw mit einem «On-Board Fuel Consumption Monitoring System» (OBFCM) ausgestattet sein, das den tatsächlichen Treibsstoffverbrauch speichert.

Für Elektro- und Plug‑in-Hybridfahrzeuge gelten erstmals Batteriehaltbarkeitsanforderungen: Die Speicherkapazität der Batterie darf nach fünf Jahren oder 100’000 Kilometern nicht unter 80 Prozent des ursprünglichen Werts fallen, nach acht Jahren oder 160’000 Kilometern nicht unter 72 Prozent. Mindestanforderungen an die Reichweite werden noch definiert.

Darüber hinaus verlangt die neue Vorschrift Manipulationssicherheit bei kritischen Fahrzeugkomponenten wie Steuergeräten, Einspritzsysteme, Batterien oder Kilometerzählern. Neu sind auch regulatorische Anforderungen für Lebensdauer von bestimmten Komponenten. Fahrzeughersteller müssen die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte, Verbrauchsangaben sowie die Funktion der vorgeschriebenen Diagnosesysteme OBD, OBM und OBFCM über eine Lebensdauer von 160’000 Kilometern beziehungsweise acht Jahre nachweisen.  (ds)

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Autor:in: Dave
Schneider
Dave Schneider ist Autojournalist und beschäftigt sich seit Jahren mit der Elektromobilität.
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