Kabarettist Renato Kaiser, Gewinner des Salzburger Stiers 2020: Fliegt nicht, reitet keine Kühe.
Ich finde es eigentlich etwas Tolles. Denn es geht da ja auch um die Einfachheit. Ich bin Fan davon, dass das Leben einfach ist und wir möglichst wenige Dinge besitzen. Nicht darum, dass die Leute denken: «Ooooh, der Renato Kaiser schaut aber für die Umwelt!.» Nein. Auch nicht aus Bescheidenheit oder weil ich asketisch sein will. Mich überfordert es, wenn ich viele Dinge besitze! Ich nehme gerne nur eine Handvoll Dinge mit und die benutze ich dann vor Ort auch wieder. Das macht es einfacher.
Nein. Meine Freundin fand, wir könnten einen Campervan mieten. Nein, stimmt nicht, sie wollte sogar einen kaufen. Wir hatten da eine kleine Meinungsdifferenz, weil ich sagte: Wir müssen erstmal sehen, ob wir das überhaupt können und wollen. Wir haben uns jetzt einen Hundeanhänger für unsere Hündin gekauft. Denn sie ist schon recht alt. Sie kann noch gehen, aber sie kommt nicht mehr weit. Mit dem Hundeanhänger habe ich sie jetzt etwas beruhigt. (lacht)
Ich übernachtete selten in einem Luxushotel. Denn die überfordern mich auch. Es gibt Leute, die finden es schön, wenn sie rundum versorgt werden. Ständig fragt dich jemand, was du willst. Aber ich fühlte mich eher kontrolliert. Fast schon verfolgt. Weil dir alle hinterher-höselen. Die Veranstalter, die mich in solchen Luxusbunkern einquartierten dachten sicher: Ah, der arme Künstler, der die ganze Zeit nur Whisky säuft und auf der Strasse lebt – geben wir ihm mal ein Zimmer mit Sauna. Ich fühlte mich wirklich eher als Fremdkörper und konnte den Luxus gar nicht geniessen.
Ich verstehe den Gedanken, sich mal richtig etwas gönnen zu wollen. In Sachen Hotels machen mir nur drei Sorten Sinn: Absolute Über—Luxus-Hotels, ganz normale Hotels und Absteigen. Alles dazwischen macht keinen Sinn. Bei einem Stern weisst du: Es hat ein Bett und du muss halt wegen den Ratten ein wenig schauen. (lacht). Vier Sterne verstehe ich gar nicht. Ein schönes Zimmer und eine schöne Dusche. Sobald irgendwo eine grosse Regenbrause hängt, flippen ja alle schon aus. Die sehen auch alle gleich aus. Absolute Luxushotels mit Dingen, die man noch nie gesehen hat – das kann ich noch verstehen.
Die Verschwendung ist es, dass es Luxushotels gibt. Nicht, dass Nullen wie ich einmal im Leben dahin gehen. Es muss aber Leute geben, die sich das regelmässig gönnen. Grundsätzlich sollte es das gar nicht geben. Ich finde, jeder Mensch sollte einmal nur darum hingehen, dass er wieder lernt, die Reichen angemessen zu verabscheuen. Die sind so reich, mit ein wenig Abscheu von mir können die schon leben.
Schon lange her! Das ist die richtige Antwort, gell? Ich glaube, als meine Freundin und ich vor drei Jahren nach Guernsey flogen. Das war in meinem Kreuzbandriss-Sommer. Eigentlich wollten wir in Skandinavien eine Rundreise machen. Die Alternative war dann Guernsey. Die ist megaschön. Aber ich bin in meinem Leben noch nicht oft geflogen. Ich war auch selten weit weg. 2015 mal in Amerika. Kurzstrecken fliege ich gar nicht gerne. Alle haben mir immer so vorgeschwärmt, wie toll es ist, in eineinhalb Stunden in Hamburg zu sein.
Nein. Ich muss zuerst von irgendwoher zum Flughafen fahren, dort warte ich, dann kommt der Flug, vom Flughafen eine Stunde bis in die Stadt. Ich bin dann auch schon mindestens fünf Stunden unterwegs. Dann bin ich lieber neun Stunden im Zug. Da kann ich schlafen oder was auch immer. Den Kurzstrecken-Hype kann ich nicht nachvollziehen.
Oh Gott, nein! Coolness strebte ich sowieso nie an. Ich war nie richtig cool. Ich kam schon als Kind mit allen gut aus, wurde nie gemobbt. Aber Coolness spielte nie eine Rolle in meinem Leben. Das macht entspannt. Und durch meine vielen Auftritte haben solche Städte sowieso an Reiz eingebüsst. Ich war in meinem Leben sicher zwölf- oder 15-mal in Berlin, Hamburg und Wien. Das macht einen entspannter. Den Hype um diese Städte kann ich darum auch nicht so nachvollziehen, weil ich privilegiert bin. Wenn ich ein freies Wochenende habe, bleibe ich lieber zuhause und spiele Fifa. (lacht) 36 Stunden in einer Grossstadt und davor und danach der Reisestress? Ich sehe den Reiz nicht so.
Ich habe bei vielen Dingen Glück, dass sie gleichzeitig nachhaltig sind. Aber es hängt ja oft auch zusammen, dass Dinge, die Sinn machen, nachhaltiger sind. Zug fahren und ausruhen gegenüber Flugstress beispielsweise. Das Flugzeug ist nicht gemacht, um raufzugehen und gleich wieder runter. Sonst wäre es ein Frosch. Der Zug wurde unterschätzt und alles der Wirtschaftlichkeit untergeordnet. Ich verstand es überhaupt nicht, dass das Nachtzugangebot verringert wurde. Denn das ist ja etwas vom Geilsten und Schlausten überhaupt.
Nein, aber ich finde es mühsam, dass es den Bodensee gibt. Und ich komme ja vom Bodensee. Denn man muss immer um ihn herum. Auf der Regionalbahn-Intensivstation. Die ältesten, kaputtesten, gruusigsten Wagen siehst du da. Und alle, die dumm genug sind, damit zu fahren, müssen dann damit umgehen. Darum empfehle ich das Schiff zur Überquerung. Übers Wasser pflügen. Da fühlst du dich fast wie Jesus. Einfach mit mehr Leuten.
Wir waren immer am selben Ort zum Wandern. Meine Mutter ist Italienerin aus dem Trentino. Und wie in allen Familien mit einem Elternteil aus dem Ausland wird die Fahrt in die Heimat den Kindern als Ferien verkauft. Wir verbrachten also Ferien in einem Bergdorf im Trentino. Wenn ich jetzt daran denke, finde ich es schön. Aaah, Stille und Einsamkeit in den Bergen! Aber als Kind war es nur «still und alleine». Und dann musst du wandern. Und mit Wandern holt man die Kinder nicht hinter dem Ofen hervor. Wobei man sie natürlich auch nicht hinter den Ofen sperren sollte. Aber eben: In meinem Alter finde ich den Gedanken an diese Ferien ja schon wieder schön.
Doch! Irgendwann fuhren wir dann nach Jesolo an die Adria. Wahrscheinlich wollten sie mich zuerst durch die harte Schule von Bergen, Kälte und Wandern schicken, bis ich mit irgendwelchen Animateuren im Lido di Jesolo Beachball spielen durfte.
Ich bin nicht so erprobt darin. Denn ich habe auch keine Ideen und Visionen, wohin ich gehen könnte. Ich arbeite halt zuviel. Ich weiss noch, wie ich in der Jugend mal mit dem Musikverein Melodia Goldach nach Rom gefahren bin, um für die Schweizer Garde ein Konzert zu spielen. Als wir durch die Toskana fuhren, dachte ich: Wow, das ist das Paradies! Es gibt also schon Orte, für die sich Ferien lohnen würden.
Meinen Sie eine Reise nach Grenchen? (lacht)
Das Gute ist, dass ich eine Freundin habe. Sie hat Fantasie, macht gerne Ferien und weiss auch, wie man Ferien macht. Die meisten Ferientage habe ich wegen ihr gemacht. Ich habe ihr immer gesagt: Du erinnerst uns, dass wir Ferien machen müssen und entscheidest, wohin. Ich komme mit. Zum Beispiel haben wir eine Kreuzfahrt zum Nordkap gemacht. Das Gute daran ist – von wegen Nachhaltigkeit – wir haben das gemacht, bevor es zum Politikum wurde. Damals war es noch nicht schlimm. Wir durften noch. Heute würde ich natürlich keine Kreuzfahrt mehr machen.
Was ich mal machen möchte ist eine Expedition nach Spitzbergen. Mit einem Expeditionsschiff. Das ist teuer, aber nicht komfortabel. Mit dem Gedanken, es doch noch einmal gesehen zu haben, bevor es weg ist.
Das Expeditionsschiff fährt ja sowieso dahin. Ich würde natürlich nicht mit einem touristischen Schiff dahin. Schnell den letzten Eisbären fotografieren und dabei noch einmal ein paar Tonnen Schweröl rausballern? Nein, nein!
Solche Freunde habe ich gar nicht. Da muss man einfach konsequent sein. Leuten, die einem erzählen, sie fliegen auf die Malediven, musst du gar nichts sagen. Nicken, lächeln und nebenbei nimmst du das Handy und kündest die Freundschaft auf Facebook, entfolgst ihnen auf Instagram und Twitter und entfernst dich langsam von ihnen. Dann in eine andere Stadt ziehen und einen Neustart machen. (lacht) Nein, im Ernst: Weil ich soviel arbeite, rede ich leider nicht so oft mit Freunden. Und wenn doch, sind sie zum grössten Teil sensibilisiert. Und ich würde es nur bei jemandem ansprechen, der es exzessiv macht.
Ja, wenn jemand einmal in fünf Jahren eine solche Reise macht, muss ich es nicht ansprechen und der Spielverderber sein. Das finde ich auch schwierig, wenn immer alles auf die einzelne Person heruntergebrochen wird. Natürlich sind wir mitverantwortlich mit unserem Konsum. Natürlich sollen wir weniger Fleisch essen und so weiter. Es fängt beim Einzelnen an. Aber für meinen Geschmack ballern die Grosskonzerne immer noch viel zu viel raus und schränken sich viel weniger ein. Es muss einfach in einem guten Verhältnis sein. Die Tatsache ist doch, dass heute schon sehr viele Leute bewusster konsumieren. Die Sensibilisierung hat stattgefunden. Niemand erzählt heute mehr von seinem Malediven-Flug, ohne zu wissen, was es mit sich bringt. Früher flog jeder dorthin, wo er wollte. Nicht mal ansatzweise dachten die Leute an die Umwelt. Und dass es problematisch sein könnte.
Ja. Alles passierte nach der Devise: Je mehr, desto besser. Egal, wieviel Sinn es macht.
Kühe retten?
Ah! Kühe retten wäre noch was. So Abenteuer-Ferien mit Greenpeace. In den Tierfabriken die Kühe retten. Kühe reiten würde ich nicht. Es würde mir auch nichts geben. Und es wäre ein Hohn. Ich lebe ja vegan. Dann zu sagen: Wenn ich dich schon nicht fresse, dann sitze ich wenigstens ein wenig auf dir! Hopp, hopp, auf geht’s! Lasst doch diese Kühe in Ruhe.
Ich kenne mich mit Tieren zuwenig aus. Beim Reiten auf dem Pferd ist es vielleicht anders. Solange es nicht Dressurreiten unter Drogen und mit Peitsche ist? Beim Reiten denke ich so ganz hippiemässig an die Gemeinschaft. Pferd und Reiter stimmen beide überein, dass sie reiten gehen.
Die können ja mit den Hufen Dinge zeichnen. Sah ich mal im Fernsehen. Aber vielleicht war das ja eine Fiktion. Aber nochmal zu den Kühen: Was ich super fände, wäre mit Kühen zu kuscheln. Du bist auf dem Bauernhof, gehst wandern und weiss ich was, kommst heim und vor dem Znacht legst du dich eine Stunde zur Kuh.
Ja. Die sind ja auch noch intelligent. Wir haben ja irgendwann aus Eigennutz die Unterscheidung gemacht, in welchem Verhältnis die Tiere zu uns stehen. Nutztiere und Haustiere. Wenn wir begonnen hätten, die Schweine ins Haus zu nehmen, gäbe es jetzt vielleicht auch Kreuzungen mit viel zu kurzen und zu langen Beinen. Wir hätten es aber sicher auch fertig gebracht, die Schweine kaputt zu züchten.
Das Schwabenmeer? Jesses, jetzt haben Sie es mir kaputt gemacht. Man sollte nicht sagen, hey, fahr doch an einen See und stell’ dir vor, es sein ein Meer. Das ist immer negativ. Du machst es nicht gross, sondern macht den See eigentlich kleiner, als er ist. Er ist nicht wie das Meer, aber einfach kein Meer, sondern man sollte sagen: Hey schau, das ist ein See, du Tubel! Seen sind geil! Jetzt fahr’ zum See und sei glücklich! Für einmal. Du kannst in drei, vier Jahren wieder mal ans Meer.
Ja, sie haben all die kleinen Seen zerstört. Für uns alle. Was den Bodensee betrifft: Wir haben uns an Dinge gewöhnt, die megaschön sind. Ich merkte das selber. Ich wuchs ja in Goldach am Bodensee auf. Ich war oft am See, in der Badi. Für mich war es normal. Ich fand ihn nie schön. Er war einfach zu gross, um ein schöner See zu sein. Warum auch immer. Jetzt war ich länger weg. Und ich vermisste ihn nicht. Ich vermisse nie etwas. Aber sobald ich etwas wieder sehe – und in diesem Fall ging ich mit der Mutter im Bodensee schwimmen – merke ich: Oh! Der ist ja megaschön! Und in Goldach ist der 0815-Einstieg, keine besonders schöne Bucht.
Ich sage es so: Wenn du nicht jedes Jahr ans Meer kannst, dann geh’ doch zwischendurch an den See. Es ist sehr schön. Das Meer ist super, völlig klar. Aber Ferien am Meer wurden zu Gewohnheitsferien. Es wurde zum sicheren Wert. Wohin gehst du? Ah, ans Meer – das werden schöne Ferien. Egal, wie das Hotel ist. Egal, wie nervig der Animateur ist und wie furchtbar die Musik ist, die dort läuft. Darum sollen wir uns bei Ferien etwas mehr überlegen und merken: Ah, der Bodensee ist schön – solange man nicht zu de huere Schwobe überegoht natürlich.
Aus dem Zwang heraus fanden alle: Oh, wow, es ist ja megaschön hier. Aber ich garantiere Dir: Ab dem Moment, wo wir wieder reisen dürfen, ist es genauso wie vorher. Jetzt hat man es ja gesehen. Und jetzt hat man ja fast die Berechtigung, wieder das andere zu tun. Ich höre das in Diskussionen oft. Dass die Leute sagen: ‘Wenn ich reisen werde, dann richtig weit!’ Ich verstehe ja den Frust, aber teilweise ist es schon lächerlich. Die Pandemie ist zwar furchtbar, aber im Ernst: Jetzt mussten sie eineinhalb Jahre in diesem Land bleiben, diese armen Sieche und mussten in dieser Zeit auch noch an schöne Seen und in die Berge in die Ferien. Und ganz gönnerhaft sagen sie dann: «Es ist schon auch schön.» Aber die Berge sind nicht der Mittelpunkt der Aussage. Sondern es geht darum, dass sie sagen: Schau mal, wie ICH dahin gehe in die Berge. Läck, bin ich ein guter Schweizer! Aber jetzt langts dann auch!