Solarenergie vom Bauernhof - das gigantische Potential

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8. März 2023

131 Terawattstunden könnten über Agri-PV pro Jahr erzeugt werden – mehr als das Doppelte des derzeitigen Verbrauchs in der Schweiz. Das Potential der Solarenergie vom Bauernhof ist gigantisch. Auch die landwirtschaftlichen Erträge könnten in der Klimakrise dank Agri-PV sogar besser ausfallen, sagt Forscher Adrian Ernst vom weltbekannten Fraunhofer-Institut im Interview.

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Solarenergie Bauernhof

Ob über Birnen oder anderen Plantagen: Die Solarzellen bringen ein riesiges Strompotential, schützen vor Hagel und manchmal vor Frost.  Bild: Fraunhofer ISE

Adrian Ernst, die Energiewende ist in vollem Gange. Und Agri-PV, der Strom von Solarmodulen über Äckern und Wiesen, ist nicht nur in Deutschland ein grosses Thema. Wo und wann entstand die Idee von Agri-PV eigentlich?

Adrian Ernst: Ursprünglich war diese Idee bereits 1981 da. Unser damaliger Institutsleiter Adolf Goetzberger entwickelte sie. Es gibt eine bekannte Skizze, die «Kartoffeln unter dem Kollektor» hiess. Und die sieht den heutigen Anlagen sogar schon sehr ähnlich. Seine Idee hatte in der Forschung einfach noch keine Priorität. Das kam erst Anfang der 2000er wieder. Und seit 2010 beschäftigen wir uns intensiv damit.

„Der nächste Meilenstein wird Agri-PV im Wald“

Eine bekannte grosse Anlage gibt es ja in der Nähe des Bodensees. Was wird dort erforscht?

Wir hatten 2016 einen ersten Paukenschlag mit dieser Anlage in Heggelbach am Bodensee. Dort werden die Auswirkungen auf den Ackerbau mit vier verschiedenen Kulturen erforscht. Weizen, Kleegras, Sellerie und Kartoffeln. Dann folgten viele weitere Projekte. Der nächste Meilenstein wird dann Agri-PV im Wald.

Im Wald? Warum ausgerechnet dort?

Im Abforstungsbereich wird danach wieder aufgeforstet. Die Jungfichten brauchen aber gar nicht soviel Licht. Also können wir sie in diesem Bereich durch die Agri-PV verschatten.

Warum bauen wir die Solarenergie neben den Dächern nicht einfach auf Seen und Meeren. Dort stört es doch viel weniger?

Das Problem bei Floating-PV ist, dass die Effekte aufs Ökosystem See und das Ökosystem Meer noch zu wenig abschätzbar sind. Sie sind sehr komplex. Wenn wir grossflächig den Lichteinfall verändern, kann dies zu grossen Problemen führen. Die Simulationen im Wasser sind auch viel schwieriger. Und auf offenem Gewässer wird die Technologie durch die Gezeiten stark in Mitleidenschaft gezogen. Darum stehen im Hauptfokus – auch unseres Instituts – Baggerseen.

„Die Fläche, welche wir mit der Strasse haben, ist um ein Vielfaches kleiner“

Reichte es nicht aus, die Autobahnen mit Solarpanels zu überdachen?

Die Fläche, welche wir mit der Strasse haben, ist um ein Vielfaches kleiner. In Deutschland sind das 58 Gigawatt. Das reicht nicht für die Energiewende. Auch nicht, wenn wir alle Schienennetze der Bahn dazunehmen. Das Potential in der Landwirtschaft bewegt sich in einem komplett anderen Spektrum. Aber die Autobahn wird eine Rolle spielen, weil es einfach umzusetzen ist. Das sind Flächen, die sowieso schon der Natur entzogen wurden. Die soziale Akzeptanz ist da. Und die Erschliessung ist einfach.

Das Fraunhofer ISE macht nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen Ländern Versuche mit Agri-PV. Wo ist das besonders erfolgsversprechend?

In China, den USA, Japan, Korea, Frankreich, Italien und Deutschland sind die Projekte am weitesten fortgeschritten und am nächsten zur Industrie. In China sind sie schon sehr weit. Dort ist eine Anlage im Ackerbau im Format 1 Gigawatt in Betrieb.

Können Sie ein anschauliches Beispiel geben von der Grösse der Anlage und was mit dieser Leistung betrieben werden kann?

1,5 Hektar Fläche bringen etwa 1 Megawatt. Mit einem Gigawatt können cirka 100’000 Haushalte mit Solarstrom versorgt werden.

„Wie ich Strom erzeuge und einen möglichst hohen landwirtschaftlichen Ertrag erwirtschafte ist die Kernfrage“

Hat das Einfluss auf die landwirtschaftlichen Erträge der genannten Anlage?

Von jener Anlage wir noch keine genauen Daten. Aber das ist sicher mit die Kernfrage unserer Forschung. Strom erzeugen mittels Photovoltaik kann ich auf jeder Fläche. Wir wollen wissen, wie ich gleichzeitig Strom und einen möglichst hohen landwirtschaftlichen Ertrag erwirtschafte.

Findest du Agri-PV eine sinnvolle Art der Stromproduktion?

China testet ja bekanntlich selten in kleinem Rahmen.

Genau. Und sie haben eine herausragende Umgebung für die PV-Industrie geschaffen, die sehr stark vom Staat subventioniert wird. Nach 2010 haben sie uns in Europa den Platz abgenommen. Und natürlich haben sie eine ganz andere geografische Ausgangslage als wir in Europa. Im Westen Chinas gibt es gigantische Flächen, mit denen sie arbeiten können. Hier in Europa gibt es einen Flächenkonflikt, aus dem sich Agri-PV entwickelt hat.

Was spricht denn für Agri-PV und für andere PV-Flächen wie Hausdächer, Autobahnen, Bahnschienen, Stauseen und so weiter?

Meiner Meinung nach spricht nie etwas dagegen, Dachanlagen zu bauen. Manchmal spricht aber etwas dagegen, eine Agri-PV-Anlage zu bauen. Jedes Agri-PV Projekt muss auf seine landwirtschaftliche Dienlichkeit geprüft werden.

„In Deutschland braucht es zum Ausbauziel der Regierung bis 2040 nur vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche für Agri-PV“

Agri-PV-Anlage

Eine hoch aufgeständerte Agri-PV-Anlage: Die zusätzlichen Erträge aus dem Stromverkauf könnten für Landwirt:innen zum wichtigen zweiten Standbein werden.  Bild: Fraunhofer ISE

Niemand will, dass die ganze Landschaft unter Photovoltaik-Anlagen liegt.

Genau. Dazu kann ich Ihnen ein schönes Beispiel geben. Es gibt das Ausbauziel der Deutschen Bundesregierung bis 2040 von 350-400 Gigawatt. Um dieses gesamte Ziel zu erreichen – und da reden wir von allen PV-Varianten – wären nur vier Prozent der landwirtschaftlichen Fläche mit Agri-PV nötig.

„Um das Land für die Energiewende fit zu machen, brauchen wir nicht so viel Fläche“

Das ist erstaunlich wenig.

Genau. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Es spricht keiner davon, die gesamte Landwirtschaft mit Solarenergie auszustatten. Es ist gar nicht so viel nötig. Denn dazu kommen ja noch die ganzen Freiflächenanlagen. Um das Land für die Energiewende fit zu machen, brauchen wir nicht so viel Fläche. Wobei dies das technische Potential ist.

Im Vergleich zu…

…zum wirtschaftlichen Potential. Da fallen noch ein paar Prozentpunkte weg, da es schwierig ist, alles zu erschliessen. Aber die vier Prozent erwähnen wir bei Vorträgen, um den Landwirt:innen auch die Angst zu nehmen.

Auch in der Schweiz wäre das Potential riesig. Gemäss einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften könnten mit Agri-PV jährlich über 130 Terawattstunden Strom produziert werden. Mehr als doppelt soviel, als die Schweiz derzeit pro Jahr verbraucht. Das Bundesamt für Landwirtschaft legt aber fest, dass Anlagen entweder einen Wetterschutz bieten oder aber den landwirtschaftlichen Ertrag steigern sollen. So gesehen wird es auf Ackerflächen schwierig. Ist das ein Fehler?

Als Forschungsinstitut sollten wir uns bei der Bewertung von politischen Entscheidungen etwas zurückhalten. Trotzdem wäre es sicher interessant, den Hintergrund der Entscheidung zu erfahren. Den landwirtschaftlichen Ertrag unter Agri-PV Anlagen in jeder Saison zu steigern ist aktuell absolut utopisch. Der Effekt des Agri-PV-Systems auf den Ertrag hängt auch von der Witterung ab. Mit dem Klimawandel wird sich dies zukünftig jedoch gravierend ändern. In Deutschland haben wir seit 2021 eine erste technische Vornorm. In dieser ist festgelegt, dass der Ertrag der Kulturpflanzen auf der Gesamtprojektfläche nach dem Bau der Agri-PV Anlage mindestens 66 Prozent des Referenzertrages betragen muss. Davon werden bei Anlagen der Kategorie I (hoch aufgeständert) noch 10 Prozent Flächenverlust abgezogen und bei Anlagen der Kategorie II (bodennah) 15 Prozent.

„In trockenen Jahren können die Schattenpflanzen unter Agri-PV einen höheren Ertrag abwerfen“

Inwiefern ist ein landwirtschaftlicher Minderertrag durch den Einsatz der Agri-PV denn belegt?

Zusammenfassend gilt: Die Agri-PV wirkt sich auf alle drei sogenannt abiotischen Umweltfaktoren aus. Das sind Wasser, Licht und Temperatur. Beim Licht müssen wir zwischen Sonnenpflanzen wie Mais und Schattenpflanzen wie Weizen, Gerste oder Roggen unterscheiden. Letztere sind relativ früh lichtgesättigt. Das heisst, dass sie recht früh durch mehr Sonne nicht mehr Photosynthese betreiben können. Und darüber hinaus den Lichteinfall mit einer Abwehrreaktion kompensieren. Das wirkt sich auch negativ auf die Fruchtbildung aus. Weil sie sich schützen muss, hat sie auch einen höheren Wasserverbrauch. Das Gegenteil gilt für Mais, der sich bei Trockenheit und hohen Strahlungswerten deutlich wohler fühlt. Da macht die Verschattung – zumindest in Mitteleuropa – keinen Sinn.

Und Schattenpflanzen profitieren von der Agri-PV?

In trockenen Jahren können die Schattenpflanzen einen höheren Ertrag abwerfen, richtig. Die meisten Forschungsergebnisse haben wir bei Äpfeln. Da führte der Schatten zu weniger Sonnenbrand und Hitzestress. Also fault ein Apfel weniger. Die Farbe und Zuckergehalte sind aber gleich.

Was ist mit anderen Erträgen?

Im bezüglich Temperatur und Niederschlag gemässigten Jahr 2017 lag der Ertrag von Kartoffeln tiefer. In den trockenen Jahren 2018 bis 2020 stieg der Ertrag. Und sowohl in einem für Agri-PV sehr guten, als auch in einem sehr schlechten Jahr ist der Anteil der vermarktbaren Kartoffeln unter Agri-PV-Anlagen immer am höchsten gewesen. Kartoffeln wurden beim Qualitätsstandard «Grösse» besser.

„In einem heissen Jahr bewegt sich das Modul schützend vor die Pflanze, in einem schattigen Jahr klappt sich das Modul eher weg“

Können die Anlagen je nach Witterung nicht angepasst werden?

Doch. Wir arbeiten an getrackten Modulen, die sich mit dem Sonnenstand bewegen. Dabei experimentieren wir mit zwei verschiedenen Algorhythmen. Einer maximiert den Stromertrag, das heisst, das Modul bewegt sich immer mit dem Zenit. Ein anderer bringt pflanzenphysiologische Vorteile. In einem heissen Jahr bewegt sich das Modul schützend vor die Pflanze, in einem schattigen Jahr klappt sich das Modul eher weg, damit mehr Licht in den Blattraum fällt.

Solarstrom Potential Deutschland

Das Potential von Agri-PV schwingt in Deutschland obenaus – ein vergleichbares Bild gilt verhältnismässig für die Schweiz.  Bild: Fraunhofer ISE

Kommt damit gleichwertiger oder besserer landwirtschaftlicher Ertrag plus Stromertrag in Reichweite?

Die Paradedisziplin ist es, eine Anlage so zu designen, dass sie im Schnitt in den nächsten Jahren nicht zu weit vom Ertrag absinkt. Und in den heissen Jahren einen Vorteil bringt. Die Toleranzgrenze liegt bei uns bei ungefähr 20 Prozent.

„Der landwirtschaftliche Ertrag soll gesichert und sogar gesteigert werden. Gerade auch mit der Perspektive des Klimawandels“

Ist das viel oder wenig Verlust?

Die Industrie wäre auch mit 50 Prozent noch einverstanden. Aber wir wollen auch die Landwirtschaft fördern. Darum haben wir bewusst den Namen «Agri-PV» gewählt. Die Landwirtschaft steht im Vordergrund. Weil der landwirtschaftliche Ertrag gesichert und sogar gesteigert werden soll. Gerade auch mit der Perspektive des Klimawandels.

„Die Zahlen lügen nicht: Die Globalstrahlung hat sich erhöht, die Niederschläge wurden weniger“

Es wird heisser und trockener. Insofern ist es nur eine Frage der Zeit, bis in der Landwirtschaft diese Anlagen auch ertragsmässig ein Vorteil sind. Oder nicht?

Die Zahlen lügen nicht. Die Globalstrahlung hat sich erhöht, die Niederschläge wurden weniger. Es geht also darum, die Landwirtschaft von heute, aber vor allem die Landwirtschaft von morgen fit zu machen für den Klimawandel. Und der Landwirtschaft ein zusätzliches finanzielles Standbein zu liefern, um die Abhängigkeiten vom Ertrag zu reduzieren.

„Viele Landwirte sind ohnmächtig und haben das Gefühl, sie seien dem Klimawandel hilflos ausgeliefert“

Niederschlag Globalstrahlung

Die Fakten sind klar: Die Niederschläge werden weniger, die Globalstrahlung erhöht sich.  Bild: Fraunhofer ISE

Kommt das bei den Landwirt:innen gut an?

Aus meiner Erfahrung herrscht da eine gewisse Euphorie. Denn viele sind ohnmächtig und haben das Gefühl, sie seien dem Klimawandel hilflos ausgeliefert. Sie stellen Hagelnetze auf und treffen andere Schutzmassnahmen. Die Landwirtschaft ist in vielerlei Hinsicht nicht rentabel. Das liegt nicht an den Landwirten oder den Verbrauchern, sondern an den überhohen Gewinnmargen im Lebensmittelmarkt. Die Landwirte sind abhängig von dieser Lebensmittelbranche, die sie im Würgegriff hat. Durch den Strom als zusätzliche Einnahmequelle wird dieser Druck zweifellos gelindert.

„Die landwirtschaftlichen Betriebe brauchen in Zukunft mehr Strom“

Abgesehen vom Strom, den die Bauern ins Netz einspeisen könnten, würden sie ja auch ihren Eigenverbrauch decken, der immer grösser wird.

Ja, in Zukunft wird sich der Eigenstromverbrauch der Betriebe deutlich erhöhen. Einerseits durch Maschinen mit Elektroantrieb, aber auch beim Thema Smart-Farming mit autonomen Maschinen. Diese Lösungen sind alle bereits da. Und sie brauchen Strom. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist es deutlich vorteilhafter für den Landwirt, den Strom vor Ort selbst zu verbrauchen, als ihn zu schwankenden Preisen auf dem Markt zu verkaufen.

„Die ganze PV-Industrie sucht nach Lösungen, damit für die Dunkelflaute-Tage genügend Strom da ist“

Im Sommer werden die Landwirt:innen Stromüberschüsse haben, die sie einspeisen könnten. Im Winter müssten sie beziehen. Wie siehts mit der Speicherung aus?

Da sucht die ganze PV-Industrie nach Lösungen. Damit für die Dunkelflaute-Tage genügend Strom da ist. Eine mögliche Lösung könnte die Speicherung in Form von Wasserstoff sein. Also die Umwandlung von Strom zu Wasserstoff und zurück zu Strom. Das hat derzeit noch einen schlechten Wirkungsgrad.

Besteht nicht auch die Möglichkeit, dass der Fahrzeugpark auf dem Bauernhof als bidirektionaler Speicher genutzt wird?

Genau. Dass wollen wir in Betrieben austesten. Dass Elektro-Traktoren -Autos und anderes Gerät im Fuhrpark, das an einem Tag nicht benutzt wird, aufgeladen werden kann. Und in der Nacht den Strom an den Haushalt abgibt.

„In der südlichen Hemisphäre hat Agri-PV ein hohes Potential“

Wie gross ist die Leistungsdifferenz solcher Anlagen im Sommer und Winter? Und macht die Agri-PV in der südlichen Hemisphäre deshalb noch mehr Sinn?

Unsere Berechnungen zeigen, dass wir im Winter 60 – 70 Prozent weniger PV-Leistung haben. Was die südliche Hemisphäre betrifft: ja, da hat die Agri-PV ein sehr hohes Potential. Wir haben zwei Projekte in Afrika, eines in Saudi-Arabien. Die Idee der deutschen Bundesregierung ist auch, dass die Energie für grünen Wasserstoff aus Ländern wie Namibia bezogen werden kann.

Solarpanels Feld

Das Mehrfachnutzungskonzept: ackerbauliche Produktion, Blühstreifen und Energieproduktion. Quelle: Elysium Solar, Imagefoto 

Der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft wird dank Agri-PV verringert. Wieviel Wasser wird dank der Verschattung gespart?

Es ist klar, dass Verschattung zu weniger Evapo-Transpiration führt. Evaporation ist die Verdunstung des Wassers aus dem Boden. Transpiration ist die Verdunstung des Wassers vom Blatt. Zusammen ist das Evapo-Transpiration. Wie hoch die Wasserersparnis ist, hängt vom jeweiligen Design der Anlage und der Verschattung ab. Es hängt auch vom Klima und vom Boden ab. Sandige Böden können Wasser nur schlecht halten. Bei einem Projekt in Saudi-Arabien hatten wir jedenfalls 30 Prozent weniger Wasserverbrauch.

„Die Kühe gehen immer an die schattigen Plätze. Ihre Körpertemperatur sinkt. Was den Milchertrag und die Milchqualität verbessert“

Gibt’s auch bereits Ergebnisse von Agri-PV-Anlagen auf Weideflächen?

Es gibt Hersteller, die sich mit der Grünlandnutzung beschäftigen. Da starten wir vom Fraunhofer ISE aber dieses Jahr erst unsere Projekte. Es scheint aber diverse Vorteile zu bringen. In Kombination mit Viehhaltung beispielsweise. Die Kühe gehen immer an die schattigen Plätze. Ihre Körpertemperatur sinkt. Was den Milchertrag und die Milchqualität verbessert.

Agri-PV-Anlagen bieten Schutz vor Sonne und Hagel, aber auch vor Frost. Unter den Anlagen ist es also je nachdem wärmer?

Es ist so, dass die Anlagen Mikroklima-stabilisierend wirken. Und sie wirken dem Strahlungsfrost entgegen, der in trockenen Nächten entsteht, weil die Wärme des Bodens und des Pflanzengewebes nicht von Wolken reflektiert werden. Darum wird’s unnatürlich kalt. Die Agri-PV-Anlage bietet dann eine Wärmedecke. Natürlich nicht, wenn es Minus 10 Grad kalt ist.

„Die Landwirtschaft ist schon ein unglaublicher Eingriff in die Natur. Wir haben uns nur daran gewöhnt“

Es heisst, die Agri-PV-Anlagen dienen auch der Schaffung artenreicher Biotope. Wie?

Das Mikroklima unter den Anlagen ist unter anderem weniger trocken und lebensbejahend für alle möglichen Arten. Im Vergleich zu üblichen Freiflächenanlagen ist das Land generell für Flora und Fauna noch erschliessbar.

Stromerzeugungspotential

Offene Ackerflächen haben in der Schweiz  mit Abstand das grösste Potential: Heute verbraucht die Schweiz zum Vergleich 60 Terawattstunden pro Jahr.  Quelle: ZHAW

Wie wichtig ist die gesellschaftliche Akzeptanz?

Sehr wichtig. Wir haben sogar eine eigene Abteilung, die sich damit beschäftigt. In Norddeutschland gibt es eine grosse Obstbauregion. Dort ist die Bevölkerung noch nicht so warm mit der Idee von Agri-PV. Im Süden eher. Dort haben sie sowieso schon grossflächig Hagelschutznetze. Und wir dürfen nicht vergessen: Die Landwirtschaft ist schon ein unglaublicher Eingriff in die Natur. Wir haben uns nur daran gewöhnt. Der nächste Schritt ist nun eben die kombinierte Landnutzung.

Wird die Energiewende letztlich nicht einen Sieger unter den verschiedenen Systemen sehen, sondern ganz einfach eine Vielzahl an Energiequellen?

Genau. Letzten Endes wird auch die Solarenergie von diversen Flächen kommen. Das Potential der Landwirtschaftsflächen ist einfach ungleich grösser.

Adrian Ernst B.Sc. Agrarwissenschaft arbeitet seit 2022 am Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme in Freiburg im Breisgau. Schon während des Studiums wurde das Interesse für die noch junge Agri-Photovoltaik-Technologie geweckt. Im Fachbereich Agri-PV am Fraunhofer ISE ist er vor allem für den Landwirtschaftlichen Themenkomplex tätig. Die genaue Abstimmung der landwirtschaftlichen Arbeit auf verschiedenste APV Systemdesigns um die Synergie zwischen Technik und Natur zu maximieren steht dabei im Mittelpunkt der Arbeit.

Mit über 1400 Mitarbeitern ist das Fraunhofer ISE das grösste Solarforschungsinstitut Europas. Es ist der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung angegliedert. Mit rund 30’000 Mitarbeiter:innen ist es die grösste Organisation für angewandte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen in Europa.

ZHAW-Studie: Agri-PV lohnt sich auch in der Schweiz

Eine im Auftrag des Bundesamts für Landwirtschaft und von der ZHAW durchgeführte Studie zeigt das riesige Potential von Agri-PV für die Schweiz auf. Auch unter Berücksichtigung verschiedener Ausschlusskriterien bleibt immer noch ein Gesamtflächenpotential von 256’982 Hektaren übrig, die sich in der Landwirtschaftszone und rund um das Siedlungsgebiet in einer Pufferzone von 1 km von der Solareinstrahlung her für die Agri-Photovoltaik eignen würden. 133’941 Hektaren davon entfallen auf die offenen Ackerflächen bzw. Fruchtfolgeflächen, 116’892 Hektaren auf die Dauergrünlandflächen und 6’148 Hektaren auf die Dauerkulturen. Das Stromerzeugungspotential beträgt insgesamt 131,9 Terrawattstunden pro Jahr. Die Ackerflächen tragen dazu zu 70.7 % (93.3 TWh/a) bei, die Grünlandflächen zu 25,4% (33,5 TWh/a) und die Dauerkulturflächen zu 3,9% (5,1 TWh/a). 

Nur geringe prozentuale Ackerfläche nötig

Berücksichtigt man darüber hinaus die Nähe zum Stromnetz, dann bleiben bei der Fruchtfolgefläche ein Potential von ca. 94’500 Hektaren (66,10 TWh/a), bei den Grünlandflächen 42’000 Hektaren (12,17 TWh/a) und bei den Dauerkulturen 2’000 Hektaren (1,66 TWh/a) übrig. 

Wenn wir annehmen, dass der Strombedarf in der Schweiz bis 2050 von heute 60TWh/a auf 80TWh/a steigt und etwa 10 Prozent von diesem zukünftigen Bedarf aus der Agri-PV gedeckt werden müssten, hiesse dies konkret in Bezug auf den Flächenbedarf: 

– 11’486 Hektaren offene Ackerfläche (ca. 1,1% der landwirtschaftlichen Nutzfläche) oder 

– 27’914 Hektaren Dauergrünland (ca. 2,6% der landwirtschaftlichen Nutzfläche) oder 

– 9’643 Hektaren Dauerkulturen (0,9% der landwirtschaftlichen Nutzfläche) 

Quelle: ZHAW

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Autor:in: Christian
Bürge
Der Journalist ist Co-Founder und Chefredaktor des Magazins
Go Green.
www.christianbuerge.com
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