Steffi Buchli gibt Go Green im Restaurant Kaisin in Zürich ein Interview über Beruf, Familie und persönliche Nachhaltigkeit. Bild: Bernard van Dierendonck
Ich bin sehr oft positiv. Aber ich merke, dass ich mehr überlege. Ich bin nachdenklicher als in meinen Zwanzigern. Mein Verantwortungsgefühl für meine fünfeinhalbjährige Tochter Karlie ist ständig da. Ich spüre, dass ich für den kleinen Menschen da sein muss und will. Das gibt eine gewisse Ernsthaftigkeit im Leben. Die habe ich. Aber es ist selten eine Schwere. Meine Mutter hat mir eine gewisse Positivität vererbt.
Meistens, ja.
Es ist ein ständiges Jonglieren. Ein 100-Prozent-Job plus die Familie: Das ist viel, ganz klar. Aber wir habens gut organisiert, und ich bin ein strukturierter Mensch. Das hilft. Was mich beunruhigt ist, dass ich Termine verschwitzen könnte oder zu spät komme. Aber bei mir ist alles durchorganisiert. Meine Agenda ist minutiös durchgeplant. Inklusive An- und Abreise. Das tut mir gut und gibt mir Ruhe. Im Normalbetrieb funktioniert das.
Wenn die Familie oder das Unternehmen mehr braucht, muss ich an der Balance arbeiten. Und Prioritäten setzen. Aber auch ich komme an meine Grenzen.
Unser System ist klein. Mein Mann, meine Tochter und ich. Dazu unsere Nanny, die seit fünf Jahren in der Familie ist. Sie ist neben der Familie die Hauptbezugsperson für Karlie. So sind wir recht flexibel. Aber wichtig ist, dass ich meinem Mann sage, wenn ich am Limit bin. Wenn ich das nicht kommuniziere, kann es zu Streit kommen oder einer von uns fast zusammenbrechen.
Das ist mir passiert, ja. Ich dachte immer: Er sollte doch merken, dass es mir jetzt zuviel wird. Ich habe aber realisiert, dass jede Person ihre Bedürfnisse anmelden muss. Mein Mann hat die eigene Firma und ist zum Glück zeitlich sehr flexibel. Das entspannt. Und die Pandemie hat sicher geholfen. Es wird keine Dauer-Präsenz im Büro erwartet. Heute fragen sich nicht sofort alle, wo jede Mitarbeiterin ist. Wir haben aus dieser Zeit gelernt. Und im Journalismus arbeiten wir ja eh nicht «nine to five». Der Job muss einfach gemacht sein.
Ich wäre stolz, wenn ich das könnte. Nachhaltiger mit mir selbst? Daran muss ich arbeiten. Meistens komme ich schon zu wenig dazu, Sport zu machen. Dabei ist das Gefühl nach dem Sport grossartig. Ich müsste es besser im Hirn abspeichern, um es von mir einzufordern. Aber wenn ich vom Arbeiten heimkomme, bin ich natürlich im Clinch, sofort noch zum Sport zu gehen. Dann will die Familie auch etwas von mir. Also will ich ihn tagsüber integrieren, was auch nicht immer klappt. Dasselbe gilt fürs Essen. An stressigen Tagen esse ich schlecht. Dabei ist es das Dümmste, was frau tun kann. Genau dann sollte sich jede gut ernähren. Es ist ein ständiger Krampf.
Sport auszuüben hat nicht mehr so einen Reiz wie früher. Heute ist es eher ein Erledigen, was ja nicht sein sollte.
Joggen, Krafttraining, Rudern am Rudergerät. Das hat alles nicht mehr so den Reiz wie früher, als ich mich auf die Unihockey-Trainings freute. Heute ist es mehr ein Erledigen des Sports, was es ja nicht sein sollte.
Nicht im klassischen Sinn. Ich habe eine Zeit lang Yoga gemacht und von dort einiges mitgenommen. Aber ich habe kein Abendritual. Schon beim Sender MySports gewöhnte ich mir dafür an, während des Tages am Pult die Kopfhörer aufzusetzen. Dann Meditationsmusik zu hören und einfach zu atmen. Kaum jemand merkt, was ich da mache. Dieses Innehalten ist wahnsinnig wichtig. Auch wenn ich Musik dazu brauche. In der Stille meditieren – das kann ich nicht. Oder noch nicht.
Ich versuche, spätabends mehr denn je offline zu sein. Gerade auch in Sachen social media. Lieber noch ein Buch lesen oder einen Zeitungsartikel aus der Sonntagspresse. Aber weil der Kopf oft noch rattert, bevor ich einschlafe, habe ich einen Block neben dem Bett. Dann schreibe ich etwas auf, um es nicht mehr mitzutragen. Denn wenn ich negativ werden könnte, ist es am Abend. Dann Probleme zu wälzen ist nicht förderlich. Am nächsten Tag sind sie ja meist nicht mehr so gross.
Ich gönne mir gerne zuerst eine emotionale Reaktion. Ob Zuhause oder im Job.
Ja, ich fluche zwischendurch. Dann versuche ich aber, es setzen zu lassen, ruhig zu werden und nach vorne zu schauen. Vor Kurzem musste ich in einer geschäftlichen Sache kurz beissen. Aber ich sah dann schnell auch die Möglichkeit, dass ich es ins Positive wenden kann. Ich bin sehr pragmatisch.
Die Probleme der Welt sind schwieriger zu bewältigen als meine kleinen täglichen Geschäftsprobleme. Dort fühle ich mich schneller ohnmächtig. Und es geht mir nah.
Ich habe die Doku Seaspiracy über die Überfischung der Weltmeere geschaut. Das ging mir so nah, dass ich es wegschieben musste. Ich konnte es kaum ertragen. Ich habe früher beim Radio auch News produziert. Ereignisse wie Kriege oder Anschläge beschäftigen mich. Das wäre nichts für mein tägliches Leben gewesen.
Ich habe die Doku Seaspiracy über die Überfischung der Weltmeere geschaut. Das ging mir so nah, dass ich es wegschieben musste. Ich konnte es kaum ertragen.
Ich werde oft darauf angesprochen, warum ich kein Fleisch esse. Dann ist es für mich manchmal schwierig. Soll ich ihnen jetzt sagen, warum ich es nicht mehr mache? Ich will niemanden vor den Kopf stossen, niemandem das Filet verderben. Je nach Anlass wäge ich ab. Wenn ich merke, dass die Grundhaltungen weit auseinanderklaffen, ist es kaum diskutierbar. Es gibt kaum einen gemeinsamen Nenner. Streiten wäre dann eine Variante, aber…
Ja, aber ich bin wohl zu wenig missionarisch. Ich habe die Geduld nicht. Und oft die Argumente nicht präsent, um über Fleisch- oder Fischkonsum zu reden. Das ist auch eine sehr emotionale Geschichte. Argumentativ bin ich vielleicht zu wenig stark, um wirkliche Überzeugungsarbeit zu leisten. Es ist auch eine Frage des Energielevels. Manchmal tue ich es. Ich sage meine Meinung, aber nicht in einer zweistündigen Diskussion.
In der Regel ja. Weil die Basis da ist und es zwischenmenschlich drinliegt. Aber wenn mich jemand provoziert oder Blödsinn redet, sage ich schon mal etwas.
Seit den Olympischen Spielen in Peking 2008. Da hat es mir in den Feinkost-Läden und Restaurants abgelöscht. Wenn ich einen Gemüsereis bestellte, fand ich noch irgendwelche undefinierbaren tierischen Knöllchen drin, wo ich mich fragte: Was ist das denn? Auch das ganze Delikatessen-Zeugs hat mir nicht gepasst. Kurz nach meiner Rückkehr kam ich mit meinem heutigen Mann zusammen. Er wuchs vegetarisch auf. Ab diesem Zeitpunkt war unser Kühlschrank vegetarisch.
Gerade bei Geschäftsanlässen, ja. Wie oft ich mich erklären muss – Wahnsinn! Ich denke oft: Das sollte doch langsam durch sein! Lustig ist, dass diese Leute in der Folge ihren eigenen Fleischkonsum rechtfertigen. Sie sagen dann Sachen wie: «Weisst du, ich esse ja auch nur noch Fleisch vom Bauern, den ich persönlich kenne. Und Bio.» Da kann ich mir ein Lachen manchmal nur schwer verkneifen.
Hier gehts zu Teil 2 / „System Change? Ja. In homöopathischen Dosen retten wir die Welt nicht!“

Gut, wenn immer mehr mehr denken!
Ist einfach eine sympathische Frau, die sagt, was sie denkt!
Die Steffi Buchli macht das super!!