Steffi Buchli: «System
Change? Ja. Anders
retten wir die Welt nicht!»

8 Minuten
13. September 2021

Die ehemalige Fernsehmoderatorin Steffi Buchli, 42, ist heute Chefredaktorin Sport der Blick-Gruppe. Im Interview mit Go Green redet sie über die Sommer von früher, Gewitter, die Angst machen und mutige junge Frauen, die ihr imponieren.

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Steffi Buchli im Interview mit Go Green im Restaurant Kaisin in Zürich: „Ich staune über diese jungen Klimaaktivisten, die so gut informiert sind und eine klare Meinung haben.“     Bild: Bernard van Dierendonck

Das derzeitige Klima hat einige Wetterkapriolen parat. Das haben wir auch diesen Sommer wieder gesehen. Denken Sie manchmal an die berechenbaren Sommer der Achtziger Jahre zurück? Bei 16 Grad am Morgen in der Badi sitzen?

Ich war kürzlich bei meinen Eltern in Savognin, wo ich einen grossen Teil meiner Kindheit verbrachte. Es war 30 Grad warm. Früher war das einzig Mögliche, nach dem Wandern bei 22, 23 Grad noch schnell die Füsse in den Bach zu halten. Aber heute ist der Badesee warm und Savognin wirkt wie ein Sommerbadeort. Da kriege ich schon Schiss. Wir können uns nicht mehr einreden, die Veränderung sei nur gefühlt. Sie ist statistisch erwiesen.

Haben Sie das verheerende Gewitter über Zürich miterlebt?

Am Rande. Wir wohnen etwas ausserhalb der Stadt und uns hat es nur gestreift. Aber es war verrückt, beängstigend. Die nächste Stufe. Kein Gewitter wie früher. Ich fragte mich, was da gerade passiert.

Was willst du zur Bekämpfung der Klimakrise tun?

Und danach? Gingen Sie zur Tagesordnung über?

Es ist ja so, dass wir für unsere Alltagsdinge einen Lösungsansatz haben. Wenn aber so etwas passiert, fragst du dich, ob das die neue Realität ist. Muss ich mich damit abfinden? Bei diesem Thema gibt es eine grosse Hilflosigkeit. Der Wunsch ist aber da, etwas beizutragen. Damit es nicht noch schlimmer wird.

Ihre Tochter Karlie ist fünfeinhalb Jahre alt. Denken Sie oft daran, welche Welt sie noch erleben wird?

Mit Kindern wird einem das sehr bewusst. Ich hoffe, dass die Veränderungen nicht zu massiv werden. Aber für die kommenden Generationen wird es ganz sicher nicht einfach. Für sie kann ich in dieser Hinsicht nichts Grosses tun. Ich kann nur im Kleinen etwas verändern. Und ich kann ihr keine Garantie geben, dass es gut kommt.

Wir sind alle überfordert mit der Frage, wie die Klimakrise zu lösen ist. Was glauben Sie, wird uns letztlich helfen? Staatliche Eingriffe? Technische Innovation? Persönlicher Verzicht?

Ich denke, was jeder einzelne tun kann, ist gut. Aber letztlich doch nur Kosmetik. Auch wenn ein Elektroauto (ob gross oder klein) besser ist in der Umweltbilanz. Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir viele der Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte rückgängig machen. Das fällt uns schwer. Nur schon, was die Mobilität mit dem Fliegen angeht. Sie und ich, wir sind als Journalisten geflogen, als ob es kein Morgen gäbe. Unsere Generation wollte auch privat die Welt entdecken. Wir haben diese Freiheit genossen und nicht gemerkt, was wir dabei getan haben. Mit Überseeflügen, die 650 Franken kosteten. Das kann gar nicht sein.

Die Pandemie unterbrach die Lust aufs Fliegen nur kurz.

Ich fragte mich, ob sich durch die Pandemie der Wahnsinn wieder etwas korrigiert. Dass ein Überseeflug irgendwann wieder 4500 Franken kostet und zu einem Luxusgut wird. Was gesund wäre. Aber das war ein frommer Wunsch, wie wir jetzt sehen. Uns bleibt eine Machtlosigkeit. Wenn wir weiterkommen wollen, müssten die Veränderungen massiv sein. Wahrscheinlich müssten wir hier im Quartier leben. Aber alles, was wir uns erarbeitet haben durch technische Entwicklungen, hat uns die Welt eröffnet.

Es ist auch schwierig, der nächsten Generation das Fliegen zu verbieten, wenn Sie selbst die Welt gesehen haben.

Absolut. Zu sagen, ihr könnt euch Neuseeland mit der 3D-Brille anschauen, das ist auch ganz toll und kommt nahe an die Realität. (lacht) Nein, ernsthaft: Damit lösen wir es nicht. Das wird schwer.

Viele Organisationen der Klimabewegung fordern einen Systemwandel, nicht nur einen Konsumwandel beim einzelnen. Das bedeutet auch staatliche Eingriffe bei Unternehmen. Es gibt mehr Regeln, wie etwas produziert wird, die zwingende Klimaampel auf den einzelnen Gütern und so weiter. Wären Sie dafür?

Ich komme da immer in einen Konflikt. Eigentlich bin ich wirtschaftsliberal. Ich finde unternehmerische Freiheit wichtig. Darum widerstrebt mir Regulierung. Die Frage ist, ob wir eine Wahl haben. Ich glaube nicht.

Wir können der nächsten Generation nicht sagen: Ihr könnt euch Neuseeland mit der 3D-Brille anschauen. Das ist auch ganz toll. Damit lösen wir das Problem nicht.

Also doch ein System Change!

Ja, wahrscheinlich. In homöopathischen Dosen retten wir die Welt nicht.

Sollten Banken boykottiert werden, welche fossile Energien weiter unterstützen?

Ich denke schon, ja. Aber wenn wir so beginnen, müssten wir es strikt weiterdenken und weiterziehen. Dann gäbe es viel schneller keinen Verbrenner mehr auf den Strassen und keine Ölheizung mehr im Keller.

Go Green hatte vor Kurzem die 16-jährige Klimaaktivistin Leandra Breu im Interview. Sie besetzte am Paradeplatz mit vielen Mitstreitern die Eingänge der CS und der UBS. Was haben Sie mit 16 Jahren so gemacht?

(lacht) Ich war total unpolitisch! Nein, nicht ganz. Ich befasste mich mit den Abstimmungsvorlagen. Ich diskutierte gerne. Aber so etwas hätte ich mich niemals getraut. Hier wächst zweifellos eine politischere Generation heran. In meiner Maturaklasse gab es vielleicht zwei bis drei, die im Ansatz politische Menschen waren. Ich war weit weg davon. Interessiert, ja. Aber ohne starke Grundhaltung. Ich staune über diese jungen Frauen, diese jungen Menschen. Die sehr gut informiert sind und sehr klar in ihrer Meinung. Ich habe Respekt davor.

Waren Ihre Gedanken eher bei der nächsten Party?

Das kann man so sagen. Wir waren leicht und locker unterwegs. Ohne, dass wir uns gross Gedanken gemacht hätten.

Bedauern Sie diese Generation manchmal, dass sie so beschwert ist? Oder bewundern Sie diese einfach für ihren Mut, etwas laut auszusprechen?

Gute Frage! Aus meiner Optik bewundere ich sie. Auch wenn sie vielleicht aus einer Panik heraus reagieren. Es geht schliesslich um ihre Zukunft. Aber es stimmt, was wir hatten – diese Leichtigkeit und vielleicht Leichtsinnigkeit – werden sie wahrscheinlich nie erleben.

Sie haben sich jetzt – als Erwachsene - für Frauenrechte eingesetzt. Müssten wir uns nicht auch mehr für die junge Generation einsetzen, ihnen mehr Gewicht geben in politischen Entscheiden?

Wenn wir an nationale Politik denken, sehen wir viele Menschen mit grauen Schläfen. Ich persönlich glaube auch, dass viele alte graue Herren über die 16-jährigen jungen Frauen lachen, die vor den Banken protestieren. Das muss sich ändern.

Es muss richtig was passieren! Wir werden das tun, weil es anders nicht geht.

Müssten sie politisch früher mitentscheiden und mitbestimmen können?

Ich würde es unterstützen, die jüngeren schneller an die Machthebel zu bringen. Es geht ja um ihre Zukunft. Das bedingt aber, dass sie nicht nur Aktivisten sind, sondern auch gestalten wollen. So oder so: Wir müssen die Jugend verstehen lernen. Das geht mir ja auch im Medienjob so. Ich kann nur noch mutmassen, was die ganz jungen Leute fühlen und denken, was sie lesen und konsumieren wollen.

Wie kriegt die Menschheit die Kurve für eine lebenswerte Zukunft?

Ich bin grundsätzlich positiv, dass wir es mit dieser Dringlichkeit schaffen, die richtigen Stellschrauben zu drehen. Es muss richtig was passieren! Wir werden das tun, weil es anders nicht geht. Aber damit werden wir höchstens die Kurve der Zerstörung abflachen. Vielleicht geht der Zyklus der Menschheit in ein paar Generationen zu Ende, vielleicht nicht. Aber wir müssen uns zumindest eine Chance geben. Und das geht wahrscheinlich nur mit radikalen Veränderungen.

Hier gehts zum 1. Teil des Interviews / Steffi Buchli: „Nachhaltiger mit mir selbst? Daran muss ich arbeiten!“

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Autor:in: Christian
Bürge
Der Journalist ist Co-Founder und Chefredaktor des Magazins
Go Green.
www.christianbuerge.com
Kommentare
  • Avatar-Foto Ernst K:

    Gut, wenn immer mehr mehr denken

  • Avatar-Foto Stefanie Weiler:

    Die Frau ist engagiert und schaut über die Nasenspitze und den Sport hinaus. Sollten noch viel mehr Promis tun.

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