Wasserkraft in Arosa - sauberer Strom aus den Bergen

4 Minuten
3. November 2025

Arosa ist nicht nur eine beliebte Tourismusdestination, sondern auch eine Pionierin in Sachen nachhaltiger Energie. Die Gemeinde produziert mehr Strom, als sie verbraucht – und arbeitet daran, auch die Wintermonate klimafreundlich zu meistern. Tino Mongili, Geschäftsleiter bei Arosa Energie, gibt einen Einblick in die Wasserkraft in Arosa und in die Energiezukunft.

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Wasserkraft in Arosa

Energie aus den Bergen: Das Kraftwerk Lüen nutzt die Kraft der Plessur – mitten im alpinen Fels und Wald. Bild: Bernard van Dierendonck

Während im Winter Schneekanonen laufen und Lichter in Hotels und Chalets brennen, liefern die Kraftwerke im Tal und entlang der Plessur sauberen Strom – teils mit Maschinen, die seit über hundert Jahren zuverlässig arbeiten. Arosa bezieht seinen Strom heute vollständig aus erneuerbaren Quellen, hauptsächlich aus Wasserkraft. Übers Jahr gesehen produziert die Gemeinde rund 50 Prozent mehr Energie, als sie benötigt. Im Winter jedoch müssen rund 40 Prozent des Bedarfs von ausserhalb eingekauft werden, weil die lokale Produktion saisonal zurückgeht – eine typische Herausforderung für alpine Regionen.

Tino Mongili erklärt im Gespräch, wie die Gemeinde diese Balance zwischen Energiebedarf, Natur und Zukunft meistert – und warum die Geschichte eines alten Kraftwerks in Lüen zugleich ein Blick in die Energiezukunft ist.

Tino Mongili, das älteste Kraftwerk Arosas steht in Lüen. Was ist dort geplant?

Tino Mongili: Das Kraftwerk Lüen wurde 1914 gebaut – gleichzeitig mit der Arosa-Bahn – und läuft bis heute. Die Maschinen sind entsprechend alt: Baujahre 1914, 1928 und 1990. Eine jüngere Anlage stammt von 2013, das ist das Kraftwerk Sagenbach welches von einem Seitenbach gespiesen wird. Wir sind derzeit mitten in einer Gesamterneuerung, die bis Ende 2026 abgeschlossen sein wird. Es werden sämtliche Maschinen ersetzt, und die Anlage bleibt bis 2063 konzessioniert. Im Moment wird am Stauwehr bei Molinis–Pradapunt gearbeitet. Das Kraftwerk selbst läuft noch, was technisch anspruchsvoll ist – wir arbeiten hier gewissermassen am offenen Herzen eines laufenden Kraftwerks.

Kraftwerk Lüen

Tino Mongili, Geschäftsleiter von Arosa Energie, im Kraftwerk Lüen.  Bild: Bernard van Dierendonck

Neben der Sanierung in Lüen steht ein neues Wasserkraftwerk in Planung. Warum braucht es das?

Das geplante Kraftwerk Pradapunt liegt im Abschnitt der Plessur zwischen Litzirüti und Molinis. Diese Strecke ist bislang ungenutzt, bietet aber rund 400 Meter Höhendifferenz – doppelt so viel wie das bestehende Werk Litzirüti. Mit gleicher Wassermenge können wir also die doppelte Energie erzeugen. Die Gemeinde Arosa hat der Konzession mit über 90 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt. Das Projekt liegt nun beim Kanton Graubünden zur Genehmigung. Wir rechnen mit dem Abschluss des Konzessionsverfahrens bis 2026 und hoffen auf einen Baustart 2028.

Wieviel Energie wird dann in Zukunft dort produziert werden?

Das neue Werk soll rund 42 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr liefern – etwa das Doppelte des heutigen Kraftwerks Litzirüti. Es nutzt kein zusätzliches Wasser, sondern leitet das bereits turbiniert – statt es direkt in die Plessur zurückzugeben – weiter in die nächste Stufe. So entsteht eine Kette von Kraftwerken entlang der Plessur: von Arosa über Lüen bis zum Kraftwerk Sand in Chur, das von der IBC Chur betrieben wird.

Der Bau neuer Wasserkraftwerke birgt oft Zündstoff, weil es ein Eingriff in die Natur ist. Wie gehen Sie mit Umweltanliegen um?

Wir stehen in engem Austausch mit Umweltverbänden. Beim Projekt Pradapunt gab es eine Einsprache, wie meist bei solchen Vorhaben, aber einige Punkte konnten mit den Einsprechern bereits bereinigt werden. Wichtig ist: Das neue Kraftwerk bringt auch ökologische Vorteile. Es reduziert den sogenannten Schwall-Sunk-Effekt – also plötzliche Pegeländerungen, wenn das Wasser beim Anlaufen oder Abschalten der Turbinen stark schwankt. Durch die gestufte Nutzung fliesst die Plessur künftig gleichmässiger, was der Pflanzen- und Tierwelt zugutekommt. Zudem haben wir im Rahmen der Erneuerung des Kraftwerks Lüen auf eine Wasserkraftnutzung in den Tälern Sapün und Fondei zugunsten des Naturschutzes verzichtet.

Plessur Arosa

Hier beginnt der Weg der Energie: Das Wasser der Plessur wird für die Stromproduktion genutzt – und später wieder der Natur zurückgegeben. Bild: Bernard van Dierendonck

Wie hat sich der Energieverbrauch in Arosa über die Jahre und angesichts des Wachstums verändert?

Seit 1990 ist der Gesamtverbrauch erstaunlich stabil. Früher gab es viele Elektroheizungen, die inzwischen durch Wärmepumpen ersetzt wurden – das senkt den Strombedarf. Die Beschneiung im Winter ist ein wichtiger Faktor, sie läuft aber netto nur rund während sechs Wochen. Die Bergbahnen sind mit etwa 12 Prozent des Gesamtverbrauchs die grössten Einzelabnehmer, gefolgt von Hotels und Privathaushalten.

Wie hoch ist der Gesamtbedarf in Arosa?

Im gesamten Netzgebiet verbrauchen wir rund 48 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Unsere beiden Kraftwerke und Beteiligungen liefern zusammen etwa 67 Millionen Kilowattstunden. Im Sommer haben wir Überschüsse, im Winter müssen wir Energie zukaufen.

Wie geht Arosa mit diesen saisonalen Schwankungen um? Welche Speicherlösungen stehen im Vordergrund?

Wir verfügen mit dem Stausee Isel über einen Wochenspeicher. Damit können wir Produktion und damit die erzielten Preise etwas steuern – also produzieren, wenn die Preise hoch sind, und speichern, wenn sie tief sind. Eine saisonale Speicherung über mehrere Monate wäre hingegen technisch wie wirtschaftlich kaum machbar: Der Speicher müsste zehn- bis fünfzehnmal grösser sein. Auch Batteriespeicher in dieser Grössenordnung wären derzeit unrealistisch – wegen Volumen und Kosten.

Seilbahn Lüen

Die Standseilbahn zur Kraftwerkszentrale Lüen mit der Druckleitung im Hintergrund.
Bild: Bernard van Dierendonck

Welche Bedeutung hat im Vergleich die Solarenergie in Arosa?

Der Anteil ist noch klein: rund 700’000 Kilowattstunden Einspeisung im letzten Jahr – etwa ein Prozent. Viele Anlagen sind auf Privathäusern. Schnee ist im Winter ein Problem: Liegt eine dicke Schneeschicht auf den Modulen, ist der Ertrag null. Vertikale Anlagen oder Fassadenanlagen funktionieren besser.

Gibt es neue Projekte im Solarbereich?

Ja, die Arosa Bergbahnen haben an der Mittelstation der Weisshornbahn eine spannende Anlage realisiert: Die Fassade, die früher Werbung trug, wird jetzt mit senkrechten PV-Modulen bestückt. Dank Albedo-Effekt – Lichtreflexion durch Schnee – erzielt man im Winter teils sogar höhere Leistung als im Sommer. Auch architektonisch gibt es Fortschritte: Solarmodule als Balkonbrüstungen, die wie Holz aussehen – aber Strom erzeugen.

Wem gehört Arosa Energie eigentlich?

Arosa Energie ist eine selbstständige, öffentlich-rechtliche Gesellschaft – eine 100-Prozent-Tochter der Gemeinde Arosa. Diese Struktur bringt wirtschaftliche Flexibilität und einen klaren Gemeinwohlauftrag.

Was kann Arosa als Tourismusdestination zur Energiewende beitragen?

Arosa hat den Vorteil, dass die Energieversorgung lokal und erneuerbar ist. Wir produzieren sauberen Strom hier im Tal, nutzen ihn effizient – und bauen erneuerbare Kapazitäten weiter aus. Gäste können ihren Teil beitragen, indem sie E-Mobilität nutzen, Unterkünfte mit nachhaltiger Energieversorgung wählen oder generell bewusst mit Energie umgehen.

Diesen Beitrag erstellte Go Green im Rahmen der Kooperation mit Arosa Tourismus. Er entspricht den Nachhaltigkeitsanforderungen von Go Green. Mehr nachhaltige Storys zu Arosa gibt es hier!

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Autor:in: Go
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gogreen.ch
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