Klimakleber – wir machen es uns zu einfach!

3 Minuten
28. Juli 2023

Dass wir uns über die sogenannten Klimakleber beschweren, hat auch mit unserem Egoismus und unserem Hang zu Apathie zu tun. Ein Kommentar.

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Klimakleber

Ein Klimaaktivist hat sich auf die Strasse geklebt: Der Zorn der meisten Autofahrer ist ihm sicher.  Bild: istock.com

Kaum ein Begriff ist dieser Tage so emotional aufgeladen wie «Klimakleber». Die (Boulevard-)Medien haben den Begriff geschaffen. Damit wurde nicht nur eine Sache simplifiziert, es schwingt auch ein verächtlicher Unterton mit. Aus Klimaaktivisten, die sich aus Protest gegen fossile Energien und den klimaschädigenden Verkehr auf die Strasse kleben, wurden – ganz knackig – Klimakleber.

Abgesehen von dieser effektvollen Vereinfachung, welche den Protest unterschlägt, gibt es an deren Aktionen natürlich berechtigte Kritik. Dass der Klimaaktivist Max Voegtli sich nur Tage nach einer Verkehrs-Blockade ins Flugzeug setzte, um in Mexiko Ferien zu verbringen, ist für viele der Gipfel der Bigotterie. Solche Leute haben es nicht anders verdient, als im medialen Shitstorm zu stehen.

Klimakleber – eine willkommene Ablenkung

Die politische Rechte schlachtet das genüsslich aus. Die Message ist klar: Wohlstandsverwahrloste Jugendliche halten fleissige Bürger von der Arbeit ab. Oder vor den wohlverdienten Ferien im Süden. Und auch die breite Masse schert alle über den gleichen Kamm. Alle verlogen, alle sind Voegtli.

Vielleicht sollten wir aber einmal in den Spiegel schauen und uns eingestehen, was die Wut über Voegtli oder über die Stunde im Stau für uns auch ist: Sie ist wahnsinnig praktisch, damit wir uns ablenken und nicht mit der Sache – der Klimakrise – beschäftigen müssen.

Vielleicht sollten wir uns überlegen, was es ist. Ein Protest. Und wie gross die Zukunftsangst dieser Aktivisten sein muss, um sich auf die Strasse zu setzen und die massiven Beleidigungen und körperlichen Angriffe der Autofahrer auszuhalten. Auf Online-Medien kursiert auch ein Video, das zeigt, wie ein Lastwagenfahrer über einen sitzenden Demonstranten einfach hinausrollen will und ihn mit dem tonnenschweren Ungetüm vor sich herschiebt wie eine lästige Fliege.

Vielleicht sollten wir bei diesem langen Blick in den Spiegel uns auch noch einmal vor Augen führen, was dieser ablaufende Monat war: der global heisseste Juli seit tausenden von Jahren.

Das Problem sind Egoismus, Gier und Apathie

Die Wissenschaft prognostiziert uns in den kommenden Jahrzehnten noch weit mehr Waldbrände, mehr Dürren, mehr Extremwetterereignisse. Die Folge sind auch Millionen von Flüchtenden aus dem globalen Süden. Und wir enervieren uns über Aktivisten, die vor allem eines wollen: uns wachzurütteln.

Unsere Bequemlichkeit und unser Whataboutism kommen uns bei der Lösung unserer Zukunftsprobleme allzu oft in die Quere. Der Amerikaner James Gustave Speth, Gründer des World Resources Institute und Berater mehrerer amerikanischer Präsidenten in Umweltfragen, fasste das so zusammen: «Früher dachte ich, die grössten globalen Umweltprobleme seien der Verlust der biologischen Vielfalt, der Zusammenbruch von Ökosystemen und der Klimawandel. Ich dachte, dass wir diese Probleme mit 30 Jahren guter Wissenschaft angehen könnten. Aber ich habe mich geirrt. Die grössten Umweltprobleme sind Egoismus, Gier und Apathie. Und um damit umzugehen, brauchen wir eine spirituelle und kulturelle Transformation, und wir Wissenschaftler wissen nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen.»

Die notwendige schnelle Abkehr von Öl, Gas und Kohle ist die technische Notwendigkeit, um der Menschheit eine Lebensgrundlage zu erhalten. Letztlich müssen wir – wie Speth richtig festhält – aber eine Wertediskussion führen. Es geht darum, welche Welt wir wollen. Und ob wir bereit sind, uns dafür zu verändern. Diesen Diskurs müssen wir als Gesellschaft führen. Auch mit jenen, die sich aus schierer Verzweiflung auf die Strasse kleben.

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Autor:in: Christian
Bürge
Der Journalist ist Co-Founder und Chefredaktor des Magazins
Go Green.
www.christianbuerge.com
Kommentare
  • Avatar-Foto Käptn Peng:

    Welche Klimakrise? Der verregnete und kalte Sommer? Entspannt Euch doch und glaubt nicht alles, was euch DIE WISSENSCHAFT als DIE WAHRHEIT erzählt. Alles mit dem Ziel, die Gesellschaft umzubauen. Und auf dem Weg dahin alle Skeptiker zu verleumden und mundtot zu machen.

  • Avatar-Foto Bernard van Dierendonck:

    Vielen Dank für diesen Kommentar. Es ist wichtig, dass wir uns der Verantwortlichkeiten bewusst sind, die entscheidenden Menschen in die Pflicht nehmen und nicht mit dem Finger auf fliegende „Klimaaktivisten“ zeigen. Denn letzteres ist nur Ablenkung.

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