Klimaschutz durch Gebäudesanierung

5 Minuten
23. Oktober 2023

Die Schweiz ist zwar sehr solide gebaut, energetisch steht sie aber unter erheblichem Zugzwang. Durch die Gebäudehülle der Häuser verpufft ein grosser Teil der Energie. Höchste Zeit also für gründliche Gebäudesanierungen. Ein Interview mit Remo Thoma, Spezialist für nachhaltige Immobilien bei der Thurgauer Kantonalbank.

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Klimaschutz Gebäudesanierung

Mit der Installation einer Solaranlage kommen Eigenheim-Besitzer langfristig zu geringeren Energiekosten und leisten einen Beitrag fürs Klima.  Bild: zvg

Herr Thoma, es ist bekannt, dass in unserem Land zwei Drittel der Energie wegen ungenügender Dämmung einfach durch die Gebäudehülle, beziehungsweise durch die Dächer, Böden, Fenster und Aussenwände verpufft. Könnte mit konsequenten und systematischen Gebäudesanierungen nicht sehr viel für das Klima getan werden?

Remo Thoma: Kein Zweifel, das Sparpotenzial in diesem Bereich ist sehr gross. Mit einer besseren Wärmedämmung und effizienteren Fenstern können bis 60 Prozent der Heizkosten jährlich eingespart werden. Zudem besteht auch ein hohes CO2-Einsparpotenzial bei den Energieerzeugern. Denn noch immer kommen in rund 60 Prozent der Häuser fossile Brennstoffe wie Gas oder Erdöl für die Heizung und die Warmwasseraufbereitung zum Einsatz. Der CO2-Ausstoss der Gebäude macht hierzulande über einen Viertel des CO2-Ausstosses aus. Zwei Drittel der Wohngebäude stammen von vor 1980. Mit einem Umstieg auf erneuerbare Energien wie zum Beispiel Sonnen- und Geothermie oder Umgebungswärme beim Heizen wäre es möglich, die CO2-Emmissionen im Gebäudesektor fast auf null zu senken.

Energieverluste Einfamilienhaus
Haben diese bedenklichen Zahlen die Thurgauer Kantonalbank veranlasst, auf den Energiesanierungszug aufzuspringen?

Nein, unser Engagement ist von verschiedenen übergeordneten Zielen abgeleitet. Zudem hat sich die TKB bereits frühzeitig diesem Thema angenommen. Zum Beispiel mit der Erstellung einer umfangreichen Nachhaltigkeitsstrategie, der Installation einer separaten Nachhaltigkeitsabteilung oder auch der Installation dieser Fachstelle. In diesem Thema ist die TKB somit bereits länger zukunftsorientiert und engagiert unterwegs. Man nimmt das Thema ernst! Auch in der Branche wird Nachhaltigkeit in der Zwischenzeit stark aufgerollt, denn die Bankiervereinigung hat Mitte 2022 neue Richtlinien herausgegeben. Die TKB war somit mit der neu aufgebauten Fachstelle für nachhaltige Immobilien, welche im April 2022 lanciert wurde, im Branchenvergleich früh aktiv.

„Das Tempo der CO2-Reduktion muss unbedingt gesteigert und die aktuelle Sanierungsrate mindestens verdoppelt werden“

Es sind also auf breiter Ebene Massnahmen im Gange. Wird sich dies bald auch in den CO2-Resultaten niederschlagen?

Dafür engagieren wir uns, denn die jetzigen Bestrebungen reichen leider noch nicht ganz zur Zielerreichung. Die Schweiz liegt deutlich hinter dem CO2-Fahrplan, welcher bis 2050 erreicht werden müsste. Das Tempo der CO2-Reduktion muss also unbedingt gesteigert werden. Hier sind alle Eigenheimbesitzenden gefragt. Die aktuelle Sanierungsrate müsste mindestens verdoppelt werden. Wenn die Schweiz das Netto-Null-Ziel erreichen will, müssten als Beispiel pro Jahr rund 30’000 fossile Heizungen ersetzt werden. Erfreulich ist, dass in unserem Land bereits knapp 185‘000 Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von knapp 4300 Megawatt installiert wurden. Das ist ein Viertel der Wasserkraft.

„Der Königsweg ist es, eine effizientere Gebäudehülle zu erstellen. Dies ermöglicht eine Minimierung des Energiebedarfs und damit eine deutliche Kosteneinsparung“

Ein wirksamer Hebel, um bezüglich Klimazielen vorwärtszukommen, sind wie eingangs erwähnt speziell die Gebäudesanierungen.

Ja, denn ein Viertel aller CO2-Emissionen unseres Landes stammen aus dem Gebäudebereich. Reduzieren liessen sich diese Emissionen hier vor allem durch zwei Massnahmen: Der Königsweg ist es, eine effizientere Gebäudehülle zu erstellen, indem schlecht isolierte Fassaden, Dächer, Fenster oder Decken zu Aussenklima und unbeheizten Räumen saniert beziehungsweise ersetzt werden. Dies ermöglicht eine Minimierung des Energiebedarfs und damit eine deutliche Energiekosteneinsparung. Der zweite Lösungsansatz ist die Anpassung der Gebäudetechnik, indem zum Beispiel die Heizung und Stromverbraucher ersetzt und Solaranlagen installiert werden. Hier sinken die Kosten, weil generell weniger Energiekosten anfallen. Zudem hat dies massive CO2-Einsparungen zur Folge.

Gebäudehülle

Es gibt zwei Wege zur Gebäudesanierung: Entweder über eine bessere Gebäudehülle oder über eine bessere Gebäudetechnik.

Können Sie uns eine Vorstellung geben, wie hoch die Einsparungen ausfallen könnten?

Die sind auf jeden Fall erheblich. Wir schätzen das Energiesparpotenzial im Vergleich zu nichtsanierten Gebäuden auf 50 Prozent und mehr. Nach einer Sanierung steigt auch der Wohnkomfort deutlich. Kurz gesagt wird die Energieeffizienz der Immobilie gesteigert und der Energieverbrauch gesenkt. Zu beachten gilt: Ein nichtsaniertes Gebäude verliert zudem in 50 Jahren cirka 50 Prozent seines Wertes. Nicht zuletzt bringen energetische Sanierungen Steuervorteile, da die Kosten bis auf drei Steuerperioden verteilt, und dadurch vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden können, um so die Steuerprogression zu brechen und die Steuerbelastung zu senken. Gründe genug also, um eine Sanierung von Gebäudehülle und -Technik an die Hand zu nehmen.

Trotz des offensichtlich grossen Nutzens scheint das Tempo der Sanierungen aktuell aber nicht gerade gross.

In der Schweiz fällt die Umsetzung des Netto-Null-Zieles bzw. die Umsetzung der Energievorschriften in die Verantwortung der Kantone. Und gerade bei den Heizungen sind die Unterschiede zwischen den Kantonen gross. Im Kanton Zürich sind beispielsweise fossile Heizungen bereits grundsätzlich verboten, in verschiedenen anderen Kantonen, darunter auch im Kanton Thurgau, sind solche Heizungen auch künftig erlaubt und es gibt keine sofortige Sanierungspflicht für funktionierende Heizungen.

„In der Schweiz werden nachhaltige energetische Lösungen sowohl von Bund, als auch von Kantonen und Gemeinden finanziell unterstützt“

Vielfalt herrscht aber nicht nur bei den Vorschriften, sondern auch bei den Fördermassnahmen. Wie verschafft man sich da den Überblick?

Ja, die Vielfalt ist in der Tat gross. In der Schweiz werden energetische Lösungen sowohl von Bund, als auch von Kantonen und einzelnen Gemeinden finanziell unterstützt. Dazu gibt es noch institutionelle Förderprogramme. Der Bund zum Beispiel fördert den Bau von Photovoltaik-Anlagen mit Einmalvergütungen und unterstützt Effizienzmassnahmen zur Senkung des Stromverbrauchs. Die Kantone und teilweise die Gemeinde führen aber dazu noch separate Förderprogramme wo die Gebäudehülleneffizienz oder der Heizungsersatz im Fokus steht. Auf dem Portal energiefranken.ch sind alle verfügbaren Förderprogramme für Private aufgelistet.

Es müssen noch einige Solar-Anlagen installiert und viele fossile Heizungen ausgetauscht werden, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Die Sanierungskosten werden bestimmt nicht ganz günstig sein – gut wird dieses Vorhaben gefördert. Mit welchen Kosten müsste schweizweit konkret gerechnet werden?

Für die Erreichung des Netto-Null-Ziels sind in unserem Land pro Jahr nach Schätzungen der ZHAW knapp 13 Milliarden Franken Investitionen in energetische Sanierungen erforderlich. Und hier kommt auch die Verantwortung der Banken ins Spiel. Denn um die Klimaziele zu erreichen sind verschiedene Akteure gefragt. Der Staat, die Privatpersonen, die Unternehmen oder aber auch die Banken. Denn über 80 Prozent dieser notwendigen Investitionen sind über die Finanzinstitute finanzierbar. Als Thurgauer Kantonalbank leisten wir in verschiedenen Bereichen unseren Beitrag zur nachhaltigen Schweiz und dem Netto-Null-Ziel.

Wie sieht der Beitrag der TKB genau aus?

Unsere Bank engagiert sich in vielerlei Hinsicht für einen nachhaltigen Gebäudepark im Thurgau beziehungsweise in der Schweiz. Wir haben ein nachhaltiges Produktangebot wie beispielsweise die Energiehypothek, bieten kostenlose Kompaktseminare zum Thema «Nachhaltig sanieren und finanzieren» an, organisieren Informationsabende mit kantonalen Energieberatungsstellen, thematisieren die Bereiche «Werterhaltung» und «Energieeffizienz» in den Kundengesprächen, zeigen das Sanierungspotenzial anhand eines Renovations- und CO2-Rechners in den Beratungen auf, geben Gutscheine für GEAK-Expertenberatungen ab und vermitteln die Kundschaft an Fachexperten wie öffentliche Energieberatungsstellen – zum Beispiel den Verein Energiefachleute Thurgau – weiter. Ausserdem bildet die TKB ihre Mitarbeitenden durch regelmässige Nachhaltigkeitsschulungen und Fachvorträge weiter.

Sie erwähnten den Gebäudeausweis GEAK. Was muss man darunter verstehen und wie wichtig ist er?

Der GEAK ist der «Gebäudeenergieausweis der Kantone» und dient der übersichtlichen Darstellung des energetischen Zustandes eines Gebäudes, beispielsweise der Gebäudehülleneffizienz oder der CO2-Emissionen. Ähnlich also, wie dies bei elektrischen Geräten der Fall ist. Mit Hilfe dieses Ausweises kann die Energieeffizienz eines Gebäudes in 7 Stufen klassifiziert werden. A bedeutet sehr effizient, G wenig effizient.

Und was ist das Plus bei GEAK Plus?

Mit dem GEAK Plus, dem GEAK mit Beratungsbericht, werden zum Energieausweis drei konkrete Sanierungsvarianten durch den GEAK-Experten ausgearbeitet. Der wirtschaftliche und ökologische Mehrwert einer potenziellen Sanierung kann auf diese Weise aussagekräftig aufgezeigt und die Varianten miteinander verglichen werden. Er enthält zum Beispiel Angaben zum Wärmebedarf, zu den zukünftigen Energiekosten oder zu erwartenden Fördergeldern. Um im Kanton Thurgau Fördergelder ab CHF 10’000.- zu erhalten, ist ein GEAK Plus nötig.

Sie sind bei der Thurgauer Kantonalbank Leiter der Fachstelle nachhaltige Immobilien, welche im April 2022 gegründet wurde und das Kompetenzzentrum für Fragen der Nachhaltigkeit beim Bauen ist. Was genau ist Ihre Aufgabe an dieser Stelle?

Ich bin TKB-Intern die erste Anlaufstelle für unsere Kundenberatung, Immobilienbewerter, das Produktemanagement, aber auch Kooperationspartner für den Kanton, wenn es um das Thema nachhaltige Immobilien geht. Meine Aufgabenbereiche umfassen einerseits die Befähigung und Schulung unserer Mitarbeitenden und andererseits die kontinuierliche Wissensvermittlung in Sachen Energiefragen und Immobilien. Eine weitere Aufgabe besteht darin, die Öffentlichkeit zu diesem Thema zu sensibilisieren, zum Beispiel anhand von Informationsanlässen oder Themenvorträgen.

Remo Thoma

„Gebäudesanierungen bergen
grosses Sparpotential“

Remo Thoma, Spezialist nachhaltige Immobilien Thurgauer Kantonalbank

Fachstelle „Nachhaltige Immobilien“ bei der Thurgauer Kantonalbank

Die im April 2022 gegründete Fachstelle nachhaltige Immobilien bei der Thurgauer Kantonalbank ist das Kompetenzzentrum für Fragen der Nachhaltigkeit, welche Immobilien betreffen. Es ist in folgenden Bereichen aktiv:

  • Informierung, Sensibilisierung und Unterstützung der Kundenberatung
  • Pflege und Intensivierung von Partnerschaften, zum Beispiel mit dem Kanton Thurgau
  • Vermittlung von externen Beratungsleistungen für Kundschaft
  • Beitrag an die Nachhaltigkeitsstrategie 2021-25 der TKB leisten
  • Aufbau von Knowhow zum Thema Nachhaltigkeit intern wie extern
  • interne und externe Repräsentation des Themas nachhaltige Immobilien

Energiefranken.ch

Auf dem Portal energiefranken.ch sind alle verfügbaren Förderprogramme für Private, Unternehmen und die öffentliche Verwaltung aufgelistet. Die Gesamtverantwortung des Portals liegt bei den Elektrizitätswerken der Stadt Zürich und Energieschweiz, dem Förderprogramm des Bundes im Bereich Energie.

Dieser redaktionelle Beitrag entstand im Rahmen der Kooperation mit der Thurgauer Kantonalbank. Er entspricht den Nachhaltigkeitsanforderungen von Go Green.

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Autor:in: Fredy
Gilgen
Fredy Gilgen ist selbstständiger Wirtschafts- und Finanzpublizist und Inhaber des Medienbüros FG GmbH in Bern. Vor seiner Selbstständigkeit schrieb er für die Wirtschaftszeitung CASH, CASH Online, die NZZaS, die Tageszeitung "Der Bund" und die Schweizerische Depeschenagentur.
www.fredygilgen.ch
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