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E-Fuels: Der Stoff aus dem Träume sind

5 Minuten
26. Mai 2023

Der Elektroantrieb ist die massiv umweltfreundlichere Alternative zum Verbrennungsmotor. Doch während der Wandel zur E-Mobilität in unseren Breitengraden aufgegleist ist, wird der Verbrenner in den grössten Teilen der Welt bis auf Weiteres die Hauptantriebsquelle bleiben. E-Fuels könnten die Lösung sein, doch der Widerstand ist gross.

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E-Fuel

Ein Windrad des E-Fuel-Werks Haru Oni in Chile.  Bild: Porsche

Wir verbrauchen 15 Milliarden Liter Erdöl – und zwar pro Tag. Das ergibt die schier unglaubliche Menge von 4,2 Milliarden Tonnen pro Jahr. Rund 3 Milliarden Tonnen davon verbraucht der Transportsektor für Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin. Das allein ist für den Ausstoss von 8,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr verantwortlich, wovon etwa 6 Milliarden Tonnen der Strassenverkehr verursacht.

E-Mobilität ist in gewissen Ländern (noch) illusorisch

Diese Zahlen sind erschreckend. Und sie verdeutlichen, dass wird dringend eine Alternative zum Erdöl brauchen. In unseren Breitengraden, in West-, Nord- und Zentraleuropa, ist der batterieelektrische Antrieb eine gute Alternative, weshalb das EU-Parlament nicht nur ab 2035 den Verbrennungsmotor für neuhomologierte Autos verbieten, sondern ab dann ausschliesslich den Batterieantrieb zulassen will. Die Schweiz würde diese Vorgaben übernehmen. Das dürfte zwar die CO2-Bilanz in Europa aufpolieren – doch das globale Problem des Erdölverbrauchs und der damit verbundenen Umweltbelastung ist damit nicht einmal ansatzweise gelöst. Denn der Wechsel zur E-Mobilität ist kurz- und mittelfristig nur in einigen wenigen privilegierten Ländern umsetzbar. In riesigen Regionen wie Indien, Südostasien, Afrika oder grossen Teilen Lateinamerikas wird die E-Mobilität auch in Jahrzehnten noch kein Thema sein, weil ein Wechsel derzeit nicht nur finanziell illusorisch, sondern auch technisch unrealistisch ist. Hier braucht es eine andere Lösung.

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Synhelion E-Fuels

Die Synhelion-Anlage in Jülich: Die Ausgangsmaterialen Kohlendioxid und Wasser werden mit Hochtemperatur-Solarwärme, die mit einem Spiegelfeld erzeugt wird, zusammengeführt. Ein paar chemische Prozessschritte später entsteht dadurch flüssiger Treibstoff wie beispielsweise Kerosin.  Bild: Synhelion

CO2 aus der Atmosphäre lösen

Tatsächlich gibt es die längst – und zwar in Form von synthetischen Treibstoffen. Einem Forscher-Team der ETH Zürich gelang es schon vor zwölf Jahren, so genanntes Synthesegas (oder Syngas) im Labor herzustellen. Dabei handelt es sich um Kohlenwasserstoffe, die mit Strom aus Wasser und Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt werden. Aus Syngas können allerlei synthetische Treibstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin raffiniert werden. Es kann aber auch als Basis für andere Produkte dienen, die aus Erdöl hergestellt werden, etwa Kunststoffe oder Kosmetikprodukte. Noch besser wird es, wenn das für die Herstellung von E-Fuel benötigte CO2 aus der Atmosphäre gelöst wird und man die zweite benötigte Zutat Wasserstoff mit nachhaltiger Energie erzeugt. Dann hat man nicht nur synthetisches Erdöl, sondern dieses ist bei der späteren Verbrennung erst noch CO2-neutral. Und auch das ist einem ETH-Team gelungen: 2019 hat es ein Verfahren entwickelt, um aus Sonnenlicht und der Umgebungsluft Kerosin zu erzeugen. Das Zaubermittel dazu heisst «Direct Air Capture» (DAC), ein Verfahren, mit dem CO2 aus der Luft gefiltert werden kann.

Synhelion will E-Fuels im grossen Massstab herstellen

Noch gibt es keine E-Fuel-Produktion im grossen Massstab – doch das soll sich bald ändern. Im vergangenen Sommer hat die Schweizer Firma Synhelion als weltweit erstes Unternehmen E-Fuel im industriellen Massstab produziert. Das Unternehmen nutzt dazu Solar-Wärme aus konzentriertem Sonnenlicht als Energiequelle. Die Ziele des ETH-Spinoffs sind ehrgeizig. Bereits 2025 will Synhelion die erste kommerzielle Produktionsanlage in Spanien mit einer Produktionskapazität von 875 Millionen Litern in Betrieb nehmen. Bis 2040 soll die Produktionskapazität auf 50 Milliarden Liter Solartreibstoff pro Jahr steigen, was dem gesamten europäischen Kerosin-Verbrauch entspricht. Gleichzeitig hat das Unternehmen HIF Global, an dem gewichtige Player wie Siemens Energy, Exxon Mobil oder Porsche beteiligt sind, eine E-Fuel-Anlage im Süden Chiles in Betrieb genommen. Zwar ist dies nur eine Pilotanlage mit einer jährlichen Kapazität von 130’000 Litern, doch bald schon soll in einem zweiten Werk in Patagonien die Jahresproduktion auf 55 Millionen Liter ansteigen. HIF Global hat nach eigenen Aussagen bereits mehrere andere Anlagen in Planung.

E-Fuel Rennsport

Bei Porsche werden im 911 GT3 Cup bereits E-Fuels eingesetzt.  Bild: Porsche

Von Umweltverbänden kritisiert

E-Fuels haben aber auch Nachteile. Abgesehen davon, dass die Herstellung derzeit noch viel zu teuer ist, ist die «Well-to-Wheel»-Bilanz miserabel. Um ein Auto zu bewegen, wird je nach Quelle das Fünf- bis Siebenfache an Energie benötigt als bei einem batterieelektrischen Auto. Michael Steiner, Entwicklungsvorstand von Porsche, wischt diesen Nachteil aber gleich vom Tisch: «Wenn man bei uns in Europa regenerativ erzeugten Strom direkt in ein E-Auto lädt, hat man einen wesentlich höheren Wirkungsgrad. Diesen Strom in E-Fuel umzuwandeln und damit ein Auto anzutreiben, ergäbe keinen Sinn.» In Patagonien «ernte» ein Windrad aber etwa viermal so viel Strom wie in Deutschland – Windenergie, die sonst nicht aufgefangen würde. «Somit haben wir einen anderen Ausgangspunkt. Deshalb müssen wir in Regionen der Welt, wo regenerative Energie im Übermass gewonnen werden kann, regenerative Energie einfangen und konservieren. Da kommen flüssige Energieträger wie E-Fuel ins Spiel.»

Giftige Stoffe trotz CO2-Neutralität

Nachhaltig hergestellte E-Fuels sind bei der Verbrennung zwar CO2-neutral, doch auch sie stossen dabei giftige Stoffe aus. Umweltverbände kritisieren etwa einen erhöhten Ammoniak-Ausstoss. Ein Test von «Traffic & Environment» (T&E), eine Dachorganisation für NGO, die sich für einen nachhaltigen Verkehr einsetzen, hat einen deutlich höheren Ausstoss von Kohlenmonoxid (CO) ergeben. Dem gegenüber stehen andere Tests, etwa vom ADAC oder vom deutschen Fachmagazin «auto, motor und sport», bei denen E-Fuel weniger solche Schadstoffe emittierten als fossile Treibstoff. So oder so ist aber davon auszugehen, dass rasch entsprechende Filtersysteme oder andere Methoden zur Emissionsverminderung entwickelt werden könnten. Und eine individuelle Mobilität ganz ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt ist ohnehin illusorisch – das gilt auch für die Elektromobilität.

Grafik E-Fuels

Mit CO2 aus der Atmosphäre und aus erneuerbaren Energien hergestelltem Wasserstoff können E-Fuels produziert werden.  Grafik: mobil.org

Kein Interesse der Politik

E-Fuels könnten also zu einer markanten Reduktion des CO2-Ausstosses im Transportsektor beitragen. Doch die europäische Politik zeigt kaum Interesse. Nachdem der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing vor Kurzem eine Ausnahmeregelung für E-Fuels vom ab 2035 geplanten Verbot von Verbrennungsmotoren gefordert hat, war der Aufschrei in der Medienwelt gross. Viele sehen durch synthetische Treibstoffe den Wandel zur E-Mobilität gefährdet. Doch darum geht es beim Thema E-Fuels nicht. «Weltweit sind rund 1,3 Milliarden Autos mit Verbrennungsmotor auf den Strassen unterwegs», gibt Michael Steiner zu bedenken. Gemäss Prognosen werde sich dieser Bestand in den nächsten zwanzig Jahren nicht signifikant reduzieren. «Es werden zwar viele Elektroautos hinzukommen, aber die dominierende Antriebsart bleibt wohl vorerst der Verbrennungsmotor. An dieses Thema müssen wir ran.»

Kostenfrage als Knackpunkt

Um ein Auto mit E-Fuel zu betreiben, sind keine technischen Modifikationen nötig. Auch die gesamte Infrastruktur kann unverändert bleiben. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass wir bald schon unsere Autos mit synthetischem Treibstoff betanken werden. Ein Knackpunkt sind die Kosten: Gemäss Porsche könnte man in Chile einen Liter E-Fuel für 2 Dollar herstellen. Damit E-Fuels also wirtschaftlich werden können, müsste der synthetische Treibstoff steuerlich begünstigt werden. Ginge es tatsächlich um die dringend benötigte Reduktion der CO2-Emissionen, wäre das zweifellos umsetzbar. Doch aktuell verdienen die Staaten durch CO2-Abgaben und Bussen – darauf zu verzichten und im Gegenteil viel Geld für eine umweltfreundliche Alternative zu fossilen Treibstoffen ausgeben zu müssen, scheint noch für viele ein unüberwindbares Hindernis zu sein.

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Autor:in: Dave
Schneider
Dave Schneider ist Autojournalist und beschäftigt sich seit Jahren mit der Elektromobilität.
Kommentare
  • Avatar-Foto Richi:

    was ist mit Wasserstoff?!

  • Avatar-Foto Daniel Kieser:

    E-Fuels sind auch für die entwickelten Länder wichtig. Die Elektromobilität wird zwar in unseren Breitengraden als alternativlos vermarktet. Das ganze Drum- und Dran bei der Elektromobilität ist allerdings nicht zu unterschätzen und wird im Elektro-Hype sträflich unter den Tisch gekehrt (Ladezeiten, knappe Elektrizität, Infrastrukturkosten, graue Energie, Knappheit seltener Erden …). Ich wäre nicht erstaunt, wenn in mittlerer Frist von der Elektromobilität weg zu besseren Antriebsarten umgerüstet werden müsste.

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