Richtig nachhaltig unterwegs ist Tim Hollemann, der Co-Geschäftsführer der Markthalle in Luzern: Vor allem das Konzept gegen Foodwaste ist ein Hebel für Klima und Umwelt. Bild: Bernard van Dierendonck
Es ist wie Ferien. Klar wäre für unseren Stadtbummel durch Luzern auch eine frühe Anreise von Zürich aus locker möglich gewesen. Doch nun treten wir prima ausgeschlafen vor das Hotel Continental Park. Die Luft ist frisch, die Strassen sind vom nächtlichen Regen nass.
Die Unterkunft wurde uns von Luzern Tourismus organisiert und sie orientierten sich für Go Green bei der Auswahl am Label Swisstainable. Dem Label des Schweizer Tourismus-Verbandes welches dem nachhaltigen Engagement des Tourismussektors Sichtbarkeit verleihen möchte. Das Continental Park trägt das mittlere, das Level «engaged» der dreistufigen Auszeichnung. Das Haus tut sich besonders hervor bei den Massnahen zum Energie- und Wassersparen, als Bike-Hotel und beim Angebot von regionalen Produkten im dazugehörigen Restaurant Bellini. Aus ökologischer Sicht besonders vorteilhaft ist die Gästekarte, welche bei jeder Hotelbuchung in der Stadt inbegriffen ist. Denn mit dieser haben Gäste auch gleich freie Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln im Stadtzentrum.
Arlette Scheidegger, Guest Relations Manager des Hotel Continental Park in Luzern, zeigt einen der Trinkwasserhähne: Energie- und Wassersparen sind hier Teil des Nachhaltigkeitskonzepts. Bild: Bernard van Dierendonck
Zu Fuss unterwegs mit dem Audio-Guide
Das Continental Park liegt direkt neben dem Luzerner Bahnhof. So beginnen wir unseren Stadtbummel am Bahnhofsplatz, schlendern in Richtung Seepromenade, als zum ersten Mal das Handy in der Jackentasche surrt. Nein, es ist keine Textnachricht, auch keine E-mail, sondern es meldet sich der elektronische Stadtführer mit Informationen zum auffälligen Torbogen. Dieser dominiert wie ein kleiner Arc de Triomphe den Bahnhofsplatz. Während das Pariser Pendant an die Kriegsgefallenen erinnert, steht dieser Torbogen als Andenken für den alten Bahnhof, der 1971 einem Grossbrand zum Opfer fiel.
Weniger tragisch ist die nächste Anekdote, die es auf dem Telefon zum weltberühmten Kultur- und Kongresszentrum, dem KKL zu hören gibt. Das Gebäude zeichnet sich nicht nur durch das bis zu 45 Meter weit ausladende, filigrane Dach aus, sondern auch durch die beiden Wasserkanäle, die direkt ins Gebäude hineinführen. Der Stararchitekt Jean Nouvel sicherte die Kanäle aus ästhetischen Gründen nicht mit Geländern ab und so kam es bei der Einweihung, wie es kommen musste: Ausgerechnet die Mutter von Jean Nouvel stürzte in einen der Kanäle. Sie sollte nicht die einzige bleiben. Auch in den Monaten danach plumpste die eine oder andere Person ins Wasser. Das KKL hat sich unterdessen vorgesehen und hält für etwaige pudelnasse Gäste verschiedene Kleiderganituren bereit.
Vor dem KKL, einem der Wahrzeichen Luzerns: Eine Gruppe übt sich im Tai Chi. Bild: Bernard van Dierendonck
Unser elektronischer Guide unterhält uns immer wieder mit spannenden Anekdoten. So einen Führer gibt es nicht nur zur Altstadt, sondern auch zum Hirschmatt-Neustadt-Quartier oder zur Musikstadt Luzern. Wir von Go Green würden auch einen Guide zur nachhaltigen Stadt Luzern begrüssen. Während unseres Stadtbummels entdecken wir schon mal ein paar potentielle Beiträge:
Nachhaltiger Stadtbummel #1: Netto Null bis 2040
Beim dicht befahrenen Verkehrsknotenpunkt vor dem Bahnhof könnte der Guide vom 25. September 2022 erzählen. Damals hat die Stimmbevölkerung der Stadt Luzern die engagierten Klimaschutzpläne ihrer Regierung mit überwältigender Mehrheit gutgeheissen. Bis 2040 soll Luzern klimaneutral werden. Damit dieses Ziel erreicht wird, werden in grossen Teilen der Stadt Öl- und Gasheizungen und der Bezug von nichterneuerbarer Energie verboten sein. Ein Förderprogramm wird den Anteil an Solarenergie von 2 auf 25 Prozent bewegen. Selbstverständlich setzt die Stadt auch beim Verkehr den Rotstift an: In Zukunft wird die Anzahl Autos pro Tag in der Stadt um 20’000 reduziert. Dazu werden die Hälfte aller Parkplätze aufgehoben und bis 2040 gehören auch Autos mit Verbrennungsmotoren in der Stadt verboten. Noch sind das Zukunftspläne.
Die Markthalle Luzern: Die ganze Woche über gibts hier ausschliesslich regionale Lebensmittel und viele kreative Ideen für Upcycling im Food-Bereich. Bild: Bernard van Dierendonck
Nachhaltiger Stadtbummel #2: Frischer in der Markthalle
Mit einem besonders aufgestellten Klingelton würde sich heute schon der Ökoguide im Bahnhof selbst melden und uns zielstrebig ins Untergeschoss zur Markthalle führen. In diesem Feinkostladen ist von Montagmorgen um 6 Uhr bis sonntags um 21 Uhr nonstop Marktbetrieb. Gemüse, Brot, Menüs für den schnellen Zmittag, Wein und Cidre – Produkte von rund 200 Produzent:innen werden hier verkauft. Der Co-Besitzer Tim Hollemann erklärt, dass sich die Markthalle konsequent der Regionalität und Saisonalität verpflichtet. «Bei uns suchst du im Winter vergeblich nach Peperoni oder Auberginen, dafür ist das Wintergemüse von einzigartiger Frische.» Er schwärmt vom Salat, der locker eine Woche lang frisch bleibt, oder vom Brot vom Luzerner „Eigenbrötler“, welches auch nach fünf Tagen noch prima sei.
Zero Foodwaste
Was Tim Hollemanns Markthalle auszeichnet, ist der clevere Umgang mit dem Thema Foodwaste. Während gemäss einer Auflistung des Bundesamtes für Umwelt im Detailhandel 8 Prozent der Lebensmittel vernichtet werden müssen, weil sie das Ablaufdatum überschreiten, geht die Markthalle dieses Problem offensiv an. Im Team arbeitet die Gourmetköchin Andrea Troxler, welche sich kreativ dem potentiellen Foodwaste annimmt und daraus hochwertige Lebensmittel zaubert. So entstehen aus Karotten-Pickles, aus Rotwein und verschiedenen Pilzen das Produkt «Geiler als Sojasauce», aus Milch über dem Verkaufsdatum wird Milchkaramell – zum Süssen von Kaffee oder als leckerer Brotaufstrich.
Tim Hollemann in der Markthalle mit einer Sojasauce, die aus Karotten-Pickles, Rotwein und verschiedenen Pilzen gemacht wird. Bild: Bernard van Dierendonck
Dieses Upcyling wurde auch schon vom Portal Gault Millau gewürdigt. Besonders gefielen den Berufsfeinschmeckern die selbstgemachte Gemüsebouillon oder die vegane Bratensauce. Von letzterer kann das Team gar nicht genug herstellen. Denn sie ist trotz des hohen Preises jeweils schnell ausverkauft. «Ich weiss nicht, wie es die Detailhändler schaffen, trotz der grossen Menge an Foodwaste über die Runden zu kommen. Wir beschäftigen 22 Angestellte, bezahlen unseren Lieferant:innen faire Preise für ihre tollen Produkte und schreiben gerade dank des Upcylings schwarze Zahlen.»
Mit einem Fläschen «Sojasauce», einer Gemüsebouillon für die Küche daheim und einem veganen Cookie als Proviant für unseren Stadtbummel verlassen wir den Spezialitätenladen.
Der Hybrid-Katamaran „Bürgenstock“ flüstert rund um die Anlegestelle höchstens. Bild: Bernard van Dierendonck
Vom Hybridschiff zu bezahlbaren Wohnungen
Draussen scheint mittlerweile die Sonne. Im Seebecken dreht das Hybridschiff Bürgenstock bei. Der futuristische Katamaran fährt im Stadtgebiet ausschliesslich mit flüsterleisem und sauberem, elektrischem Antrieb. Unser Stadtspaziergang führt uns entlang der weltberühmten Kapellbrücke und anschliessend hinein ins touristisch weniger bekannte Hirschmatt-Neustadt Quartier. Nach einer kleinen Viertelstunde meldet sich der offizielle Stadtführer wieder. Wir stehen vor einer auffälligen dreieckigen Überbauung. Rote Sonnenstoren und viele Fenster bringen Leben in die fünfstöckige Fassade. Himmelrich nennt sich dieser Wohnkomplex. Ursprünglich erbaut in der Zwischenkriegszeit, als der genossenschaftliche Wohnungsbau boomte. Auch schon damals grassierte die Wohnungsnot und das Himmelrich war die erste Überbauung welche zur Schaffung von bezahlbaren Wohnungen von den städtischen Subventionen profitierte. Die fast hundertjährigen Häuser wurden erst vor kurzem von der Genossenschaft durch den aktuellen Wohnblock ersetzt.
Nachhaltiger Stadtbummel #3: Second Hand Luzern
Vor einem Geschäft im Himmelrich steht ein grosses Schild auf dem Trottoir: «Üsé Secondhand, Heureusement open.» Wir folgen dem Pfeil in den Laden, der offenbar nicht nur ein Herz für Kleider, sondern auch für die sprachliche Vielfalt hat.
Holzgestelle und Kleiderständer vor Sichtbeton. Die Einrichtung ist schnörkellos und schlicht. Es sind die Kleider, Schuhe und Nippes in allen Farben und Formen, die hier für eine gemütliche, einladende Stimmung sorgen. Am Tresen diskutiert die Verkäuferin Sylvie Kohler mit einer Frau, die einen Koffer und eine Tragtasche voller Kleider mitgebracht hat. Schwarze Hosen, ein langes dunkles Kleid, Jeans oder ein rosa Wintermantel mit Kunstpelzkragen, die Verkäuferin zieht ein Stück nach dem anderen hervor und taxiert es mit Kennerinnenblick. «Im Unterschied zu einem Brockenhaus nehmen wir hier nicht alle Kleider entgegen. Wir kuratieren nach den Kriterien Qualität und Saisonalität», erklärt sie.
Gefällt ein Kleid, dann würde es Üsé der Kundin abkaufen. Oder wenn diese kein Geld dafür möchte, spendet das Secondhandgeschäft einen Teil des Erlöses an Fashion Revolution Switzerland. Einer Organisation welche die Missstände in der Modeindustrie aufzeigen möchte und sich dafür einsetzt, dass alle Menschen Zugang zu sicheren, sauberen und fairen Kleidern haben.
Sylvie Kohler vom Secondhand-Shop „Üsé“ taxiert angelieferte Kleider. Bild: Bernard van Dierendonck
Heute kommt es weder zu Kauf noch Spende. Sylvie Kohler empfiehlt der Frau, die Kleider zum Secondhand-Laden der Caritas zu bringen. Die Kundin ist ob dieser Option erleichtert, so muss sie ihre Kleider nicht wegwerfen.
Wir stöbern derweil im Herren-Kleiderständer, ziehen hier eine Hose hervor und begutachten dort einen Hoody. Wie so oft in Secondhand-Geschäften ist die Auswahl für Männer eher übersichtlich, da hätte frau schon eine sehr viel grössere Auswahl an bestens assortierten Trouvaillen.
Nachhaltiger Stadtbummel #4: Vegane Happen im Bayts
Was wäre ein Stadtbummel ohne einen kulinarischen Abschluss? Beispielsweise gibts eine ganze Reihe vegane Restaurants in Luzern. Nur wenige Schritte vom Himmelrich entfernt verwöhnt ein neues veganes Trendlokal. Wie im Üsé bedienen sich die drei Besitzerinnen der multisprachlichen Wortschöpfung und nennen ihr Restaurant Bayts. Dies in Anlehnung an die Schweizer Beiz und dem englischen Bite für Happen. Die Karte fürs Mittagessen ist klein gehalten. Fixer Bestandteil ist der Döner mit selbstgemachtem Seitan.
Die klima- und umweltverträglichste Handlung, die wir rund ums Essen überhaupt machen können ist nicht regional oder saisonal zu konsumieren, sondern ein rein pflanzliches Menu zu bestellen: Das gibts in Luzern beispielsweise im Restaurant Bayts. Bild: Bernard van Dierendonck
Als zweites Menü wird zur weissen Randensuppe ein wunderbares Chili sin Carne mit Reis und sour cream serviert. Obwohl die Portionen gross genug sind, können wir das Dessert nicht auslassen. Zu neugierig macht die Popcorncrème mit Tonkabohnen! Auch wenn die Kellnerin meint, es schmecke leicht nach Heu, sind wir von der karamellisierten, luftigen Crème begeistert. Beim nächsten Besuch werden wir im Bayts fürs Abendessen reservieren. Dann laden die Wirtinnen jeweils zu einem Überraschungsmenü ein, welches zum Teilen gedacht ist und die Vielfalt der pflanzlichen Küche aufzuzeigen verspricht. Ein nachhaltiger Stadtbummel durch Luzern ist aber so oder so sehr zu empfehlen.
Dieser Beitrag wurde von Go Green im Auftrag von Luzern Tourismus erstellt. Er entspricht den Nachhaltigkeitsanforderungen von Go Green.