Mit dem Elektroauto durch den Winter - Tipps und Tricks

5 Minuten
20. Oktober 2022

Im Winter erhöht sich der Stromverbrauch von neueren E-Autos etwa im Umfang, wie auch Verbrenner mehr Treibstoff verexplodieren. Wir zeigen, wie wintertauglich Elektroautos im Winter sind, wie du in der Kälte die Reichweite maximierst und richtig lädst.

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Elektroauto Winter

Mit dem E-Auto im Winter unterwegs: Auch in Sachen Reichweite kein Problem mehr im Jahr 2022.  Bild: istock.com

Um es vorwegzunehmen: Heutige Stromer – nicht nur die besten Elektroautos – sind ohne Wenn und Aber wintertauglich. Und bieten dabei in der kalten Jahreszeit gegenüber den Verbrennern einige gewichtige Vorteile:

  • Das eAuto lässt sich über die App vorheizen und die Scheiben enteisen.
  • Das eAuto hat einen grösseren Temperaturarbeitsbereich und «springt» auch bei Minustemperaturen immer an.
  • Besseres Fahrverhalten im Schnee, da der Elektromotor feiner und schneller angesteuert werden kann.
  • Allrad-eAutos haben mehrere Motoren. Im unwahrscheinlichen Fall eines Defekts ist das Auto mit dem anderen eMotor immer noch fahrbar.
  • Ein Katalysator ist erst wirksam, wenn er heiss (200-300°C) ist. Deshalb emittieren selbst modernste Benziner in den ersten 3 Minuten soviel Luftschadstoffe wie auf einer 1’000 km langen Fahrt mit betriebswarmem Motor (Empa, Das Kaltstart-Dilemma). Bei einem eAuto gibt’s keine Thermofenster – es ist im Betrieb immer emissionsfrei.

Vorheizen bringt mehr Reichweite

Was ist denn nun aber dran an dem Vorurteil, Elektroautos hätten im Winter kaum mehr Reichweite und seien deshalb unbrauchbar?

Um die Frage der eAuto-Reichweite im Winter zu beantworten, testete der norwegische Automobilclub NAF vergangenen Winter 31 Elektroautos bei Temperaturen von -10 bis 0°C. Die Reichweitenverluste von 28 Modellen verteilten sich auf -11% bis -25%. Zusätzlich drei Ausreisser mit mehr als 28% Verlust. Ohne diese drei betrug die durchschnittliche Reichweiteneinbusse -18%. Die drei reichweitenstärksten Kandidaten im Test fuhren bei Minustemperaturen über 500 Kilometer weit – mehr als genug für ausgedehnte Ausflüge in verschneiter Landschaft.

Und es liegt noch mehr drin: Im norwegischen Wintertest fuhren die Testfahrzeuge ohne Vorheizen los. Durch Vorkonditionierung von Batterie und Innenraum, während das eAuto noch am Stromnetz hängt, kann der Reichweitenverlust um einige Prozentpunkte verringert werden.

Elektroauto im Winter: einen Sechstel der Reichweite abziehen

Aber woher stammt die falsche Vorstellung, ein eAuto sei nicht wintertauglich? Frühere eModelle hatten tatsächlich das Problem von bis zu 50% Reichweitenverlust im Winter. Bei diesen konnte die Batterie nicht aufgeheizt werden, und es gab im Automobilbereich noch keine Wärmepumpen. Mit modernen Stromern sind aber auch längere Winterfahrten kein Problem. Die dafür notwendige Technik sind «aktives Batterietemperaturmanagement» und eine Wärmepumpe – in unseren Breitengraden zwei Musskriterien für eMobilisten, die ein eAuto mit viel Winterreichweite benötigen.

Als einfache Faustregel für die realistische Winterreichweite gilt: Bei einem eAuto mit den beiden oben genannten Features sowie vollem und vorgewärmtem Akku einen Sechstel der WLTP-Reichweite abziehen.

Auch Verbrenner brauchen mehr Saft

Brauchen auch Verbrenner im Winter mehr Saft? Ja: Die längere Kaltlaufphase des Motors, der höhere Rollwiderstand aufgrund von Winterreifen und Schnee sowie die vermehrte Aktivität von elektrischen Verbrauchern erhöhen den Verbrauch um ein bis zwei Liter bzw. 15-25% pro 100 Kilometer.

Hast du Bedenken, im Winter mit dem Elektroauto stehen zu bleiben?

Winter mit dem eAuto

Nicht nur Schneeketten dabeihaben: Auch den Reifendruck regelmässig zu überprüfen ist im Winter wichtig.  Bild: VW

Dos & Don’ts: Welchen Service braucht ein E-Auto?

Der Service eines E-Autos unterscheidet sich von demjenigen eines klassischen Verbrenners massiv. Der Grund: Weniger Verschleissteile. Trotzdem ist ein regelmässiger Check – zum Beispiel bei AMAG – auch bei Fahrzeugen mit einem batteriebetriebenen Elektromotor wichtig.

Die Liste der Verschleissteile, die im E-Auto im Vergleich zum Verbrenner fehlen, ist lang: Zündkerzen, Auspuff, Getriebe, Kühler, Kupplung, Luft- und Ölfilter – all das und einiges mehr braucht es in Fahrzeugen mit Elektroantrieb nicht. Teile, die oft Ursache für aufwändige Reparaturen sind. Man geht davon aus, dass die Wartungsausgaben für Elektroautos insgesamt um rund ein Drittel unter denjenigen von Verbrennern zu liegen kommen.

Wichtig ist trotzdem: Auch wer im strombetriebenen Fahrzeug unterwegs ist, sollte einmal pro Jahr zum Service antraben. Denn Steckerfahrzeuge haben neben «normalen» Autobestandteilen wie Lenkung, Klimaanlage oder Scheibenwischer auch ganz spezielle Komponenten, die besonders kontrolliert werden sollten. Mehr dazu erfährst du hier in unserer grossen Übersicht.

Tipps für geringen Reichweitenverlust

Mit folgenden Massnahmen kannst du die winterliche Reichweite deines eAutos maximieren:

  • Wärme vor der Fahrt Innenraum und Batterie mit externem Strom auf, das heisst, solange das Auto noch am Stromnetz angeschlossen ist.
  • Verwende während der Fahrt die Sitz- und Lenkradheizung anstatt die Innenraumheizung. Erstere ziehen zusammen circa 150 Watt aus der Batterie, letztere gut das 20-fache.
  • Falls du während der Fahrt die Innenraumheizung gebrauchst, stelle auf Umluft, solange die Scheiben nicht anlaufen.
  • Aktiviere den Eco-/Reichweitenmodus, sofern vorhanden.
  • Überprüfe den Reifendruck regelmässig und pumpe 0.2 – 0.3 Bar mehr, falls du tiefere Temperaturen als zum Zeitpunkt der Überprüfung erwartest.
  • Wähle beim Kauf ein eAuto mit Wärmepumpe, falls eine grosse Reichweite im Winter für dich wichtig ist. Wärmepumpen erzeugen die gleiche Wärmeleistung mit 3 – 4 Mal weniger Strom.
Laden im Winter

Laden im Winter: Das Ladelimit auf 90 Prozent zu erhöhen hilft.  Bild: istock.com

Ladelimit auf 90 Prozent erhöhen

Um genügend Reichweite zu haben, möglichst rasch nachzuladen und den Akku zu schonen, kannst du das Ladeverhalten etwas auf die Winterzeit anpassen: Es beginnt damit, das Ladelimit für den Alltag auf 90 Prozent zu erhöhen (wer es sonst unter 90 Prozent hat). Dies gilt nicht für eMobilisten mit LFP-Akkus, die immer auf 100 Prozent geladen werden können. Dann vor jeder Fahrt den Akku aufwärmen, um während der Fahrt die volle Rekuperationsleistung zu haben. Bei längeren Reisen etwas häufiger zwischenladen (Tipps zum Laden auf Reisen) und am Ziel/zuhause nachladen, solange der Akku noch betriebswarm ist. Zu guter Letzt: Das eAuto nicht mit weniger als 50% Ladestand für mehrere Tage in der Kälte stehen lassen.

Wenn der Akku kalt ist, kann der Blick auf die Reichweitenanzeige durchaus kurz Panik auslösen. Das ist aber ein temporäres Phänomen: Bei einem sehr kalten Akku steht nicht die gesamte Kapazität zur Verfügung. Dieser Zustand lässt sich mit Aufwärmen der Batterie beheben. Wer die Kapazität des gewärmten Akkus benötigt und keine Zeit oder Möglichkeit hat, an einer Ladestation zu laden, sollte das Auto am 230V-Netz anschliessen, um den Akku vorzuwärmen.

Elektroauto im Winter: Wie lange hält es im Stau durch?

Die Situation, mit dem Elektroauto im Winter auf einer Autobahn festzusitzen, ist auch immer mal wieder Gegenstand von düster gemalten Stammtischsagen. Diverse Elektro-Enthusiasten haben mit entsprechenden Tests die Frage beantwortet. Als grobe Faustregel lässt sich daraus ableiten, dass ein Stromer mit Wärmepumpe bei 10 Grad unter dem Nullpunkt eine Leistung von rund 2 Kilowatt zieht, um die Kabine warm und die Systeme am Laufen zu halten. Stehst du mit einem solchen Fahrzeug während 12 Stunden im Winterstau, reduziert das den Energiegehalt eines 72kWh-Akkus also um rund einen Drittel. Zum Vergleich: In der gleichen Zeit verbrennt ein Benziner im Leerlauf etwa 15 Liter Treibstoff.

Fazit: Elektroauto im Winter vor längeren Fahrten wenn immer möglich ganz aufladen, und dann ist selbst ein Superwinterstau wie der vom 3. Januar 2022 in Virginia (USA) kein Grund zur Sorge.

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Autor:in: Roger
Rusch
Meine Passionen sind nachhaltiger Umgang mit Menschen in Organisationen und mit der Umwelt. Dazu engagiere ich mich in Führungs- & Teamentwicklung sowie in der Elektromobilität.
www.ceo-plus.ch
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