Wie mein Essen die Biodiversität beeinflusst

3 Minuten
8. September 2023

Unsere Ernährung ist die Hauptursache für den weltweiten Verlust an Lebensräumen und ihrer Artenvielfalt. Was an unserer jüngeren, zivilisierten Essgewohnheit liegt, die zumindest bei uns im Westen zur Hälfte aus Fleisch, Milch oder Käse besteht. Ein Gastbeitrag von Bettina Walch.

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Essen Biodiversität

Kühe im Flachland: Sowohl in Sachen Biodiversität als auch punkto Klimabilanz haben tierische Produkte einen negativen Effekt.  Bild: istock.com

Das Problem ist nicht primär, dass wir tierische Produkte essen, das Problem ist, dass wir viel zu viel davon essen und das erst noch unnatürlich produziert. Auf knapp 8 Mrd. Menschen kommen geschätzt 25 Mrd. Hühner. Pro Jahr werden weltweit 72 Milliarden Tiere geschlachtet, 84 Millionen in der Schweiz. In unserem Land isst jeder Mensch – und da sind die Grossmutter und das Kleinkind mit eingerechnet – pro Jahr 50 Kilo Fleisch, also knapp ein Kilo pro Woche. Fast doppelt so viel als noch 1949 (27 kg). Dies nur ein Indiz, wie sehr unser Massenkonsum von tierischen Produkten aus dem Ruder gelaufen ist.

Fleischkonsum Schweiz

Seit über 25 Jahren liegt der jährliche pro-Kopf-Konsum an Fleisch in der Schweiz bei 50 Kilogramm. Quelle: Proviande, Verband der Schweizer Fleischwirtschaft

Zu hoher Fleischanteil – hohe Gesundheitskosten

Dieses Übermass schadet nicht nur unserer Umwelt – beispielsweise über das von Kühen ausgestossene Treibhausgas Methan – sondern auch uns. Das Institut für Agrarökologie in Aarau hat für den Liechtensteiner Verein «Feldfreunde» eine interessante Ernährungsvision erarbeitet. Da lese ich auch über die Nachteile unserer westlichen Diät mit ihrem hohen Fleischanteil, dass 73 Prozent aller nicht gynäkologischen oder übertragbaren Medizinfälle ernährungsbedingt sind. Meine typisch westliche Ernährung macht mich allenfalls krank. Das wiederum bedeutet hohe Kosten für unser Gesundheitssystem, für unsere Gesellschaft, die eigentlich vermeidbar wären. Und im Gegenteil sogar noch subventioniert werden: 3,6 Milliarden Franken gibt der Bund jährlich an Direktzahlungen für die Landwirtschaft aus, das meiste davon fliesst in die umweltschädliche Tierproduktion. Auch die Absatzförderung von tierischen Produkten unterstützt der Bund mit vielen Millionen an Steuergeldern.

Monogrünes Grasland: Mein Essen schadet der Biodiversität

Fleisch braucht Fläche. Fläche, die als natürlicher Lebensraum verloren geht. Wo Kühe weiden oder ein Hühnerstall steht, könnte eine Trockenwiese wachsen. Das sind unsere artenreichsten Wiesen, hier wachsen bis zu 100 verschiedene Pflanzen auf einem Haufen, es summt und brummt vor lauter Leben, sprich Insekten, die wiederum gefundenes Fressen für Vögel sind. Seit 1900 sind 95 Prozent dieser Schweizer Trockenwiesen verloren gegangen.

Stattdessen haben wir monogrünes Grasland als Futter für unsere hochgezüchteten Kühe, die mit dem Heu einer Trockenwiese nicht mehr viel anfangen können. Darauf finden jedoch weder Insekten oder andere Tiere Nahrung, hier wachsen kaum mehr verschiedene Gräser und Blumen. Dazu kommt, dass für unsere konventionelle Nutztierhaltung zusätzlich eiweisshaltiges Kraftfutter benötigt wird, das beispielsweise aus Südamerika kommt. Dort wird Regenwald zerstört, damit auf der dünnen Humusschicht und unter Einsatz von Pestiziden für ein paar wenige Jahre Soja als Futtermittel angebaut werden kann, bevor der Boden ausgelaugt ist. Auch das ist verlorene Fläche für die Artenvielfalt.

Kein Wunder verbraucht ein durchschnittlicher Fleischesser jährlich laut NZZ Folio gut 2’300 Quadratmeter Fläche, damit er schlussendlich sein Fleisch aufm Teller hat. Ein Veganer hingegen benötigt knapp dreimal weniger Fläche mit gut 700 Quadratmeter pro Kopf und Jahr für die Produktion seiner Nahrungsmittel.

Sind deine Essgewohnheiten für den Planeten verträglich?

Maisfeld Schweiz

Mais wird auch in der Schweiz vor allem als Futtermittel für Tiere angebaut: Viel effizienter wäre es, würden wir Menschen den Mais direkt essen.  Bild: istock.com

Fläche für Fleisch ist ineffizient

Das Futter, das auf diesen Flächen wächst, ist für die Tiere und nur indirekt für mich als Menschen. So braucht es für ein Kilo Fleisch bis zu 15 Kilo Getreide oder Soja. Oder anders gerechnet: Eine tierische Kalorie braucht im Schnitt 7 pflanzliche. Würden wir diese direkt essen, hätten wir Schwupps viel mehr Fläche für die Natur, die Wiederherstellung unserer Landschaften und Ökosysteme mit ihren Dienstleistungen, von denen wir täglich profitieren. Und wir hätten immer noch Ernährungssicherheit oder einen genügend hohen Selbstversorgungsgrad.

Was gut für mich ist, ist auch gut für den Planeten

Die Zauberantwort liegt auf der Hand und hat sogar einen Namen: Planetary Health Diet. Mehr pflanzliche Produkte, mehr pflanzliches Eiweiss. Mehr Vollkornprodukte, weil damit mehr vom Getreide selbst genutzt wird, und es weniger Abfall gibt bei der Produktion. Die Planetary Health Diet beruht auf den Empfehlungen von 40 internationalen Wissenschaftlern, die 2019 den sogenannten EAT-Lancet-Report veröffentlicht haben.

Planetary Health Diet

Die originale Planetary Health Diet: Damit es uns und dem Planeten gut geht, sollten die Menschen nur sehr wenig Fleisch- und Milchprodukte konsumieren.  Grafik: EAT

Für die Schweiz hat das Institut für Agrarökologie eine eigene Empfehlung für die angepasste Ernährung entwickelt. Da beispielsweise im Alpengebiet kein Ackerbau möglich ist, sind die Milch- und Fleischanteile hier grösser als im weltweiten Vergleich.

Planetary Health Diet Schweiz

Empfehlung für eine angepasste Ernährung in der Schweiz im Einklang mit der Planetary Health Diet. Quelle: Institut für Agrarökologie im Auftrag der Stiftung Lebenswertes Liechtenstein

7 Gramm Rindfleisch pro Tag verträgt die Welt

Versteht mich nicht falsch, ich esse Fleisch, Joghurt, Käse. Es geht um das viel zu viel, die schiere Menge, die wir gemeinsam verputzen. An einem Naturkongress lernte ich jüngst gerade wieder, dass wir – um in den planetaren Grenzen zu bleiben – pro Woche nur um die 240 Gramm Fleisch essen sollten, davon 49 Gramm rotes Fleisch. Nicht rund 1 Kilogramm wie heute. Also rund vier Mal weniger. Ich esse ja auch nicht jeden Tag Kuchen. Dasselbe gilt für tierische Produkte. Ich finde, sie sollten wieder den Wert erhalten, den sie verdienen. Das fängt bei der Haltung und Fürsorge dem lebenden Tier gegenüber an und geht über die Wertigkeit eines Stück Fleisches weiter.

Ethisch ist für mich ehrlich gesagt, fast jede Haltung und Tötung von Tieren eher schwierig. Aber auch ich bin gut im Verdrängen und bi Goscht nicht besser als die Mehrheit von uns. Und wenn wir weiterhin Fleisch essen wollen, trotz ethischer Bedenken, sollte Fleisch, Käse, Joghurt oder Milch wieder den Wert erhalten, den es als ehemaliges Lebewesen verdient und den es doch bis vor Kurzem ja noch hatte. Denn Fleisch oder auch Eier waren etwas Besonderes. Das sollte es wieder sein. Wem Tiere, Biodiversität, Klima, Ethik, Natur egal sind, sollte wenigstens für seine Gesundheit den Konsum tierischer Produkte massiv einschränken.

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Autor:in: Bettina
Walch
Die ehemalige SRF-Kaderfrau Bettina Walch leitete zwei Jahre lang das SRF-Projekt «Mission B» für mehr Biodiversität und setzt sich heute mit ihrer Geschäftspartnerin Isabella Sedivy und ihrem Team bei Plan Biodivers für naturnahe Lebensräume ein.
planbiodivers.ch
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