Milchkühe auf einer Weide in den Bergen: Die Wiederkäuer sind für 88 Prozent aller Klimagas-Emissionen aus Tierbeständen verantwortlich und ein Klimaproblem. Bild: Shutterstock
Die Zahlen zeigen uns, wie wichtig die Landwirtschaft ist. Der Landwirtschaftssektor umfasst ungefähr 13 Prozent. Aber diese 13 Prozent bilden nicht die gesamten Emissionen ab.
Bist du bereit, fürs Klima auf Fleisch- und Milchprodukte zu verzichten?
Die ganze Energie, welche Traktoren oder Gewächshäuser verbrauchen, sind im Energiesektor verzeichnet. Weiter gibt es die Kohlenstoff-Flüsse der Böden. Die können ja Kohlenstoff aus der Atmosphäre binden oder umgekehrt verlieren. Je nachdem gibt es eine CO2-Emission oder -Senke. Diese Flüsse sind im Landnutzungssektor erfasst. Wenn wir die Systemgrenzen weiter fassen, kommen wir auf etwa 16 Prozent. Das ist ein relevanter Beitrag zu den nationalen Treibhausgas-Emissionen.
Das ist nicht drin. Denn in den Treibhausgasinventaren werden nur die Emissionen berechnet, welche im Inland entstehen. Im Agrarbericht des Bundesamt für Landwirtschaft zeigen wir diese sogenannt grauen Emissionen aber auf. Die grössten Posten sind da Futtermittel und Mineraldünger. Wenn wir diese dazurechnen, dann sind wir bei 18 Prozent. Was im Treibhausgasinventar ist, betrifft die Produktion in der Landwirtschaft. Wir können es aber auch von der Konsum-Seite anschauen. So sehen wir, welchen Fussabdruck der Lebensmittelkonsum in der Schweiz hat. Dort spielen die grauen Emissionen aus importierten Lebensmitteln mit hinein. Zahlen des Bundesamt für Statistik belegen, dass etwa 20 Prozent der Treibhausgas-Emissionen auf die Ernährung zurückgeführt werden können.
Die Treibhausgas-Emissionen aus Tierbeständen sind im Vergleich zum Pflanzenbau massiv grösser. Grafik: Agroscope
Etwas weniger als der Verkehr aber etwa gleich viel wie das Wohnen. Global rechnen wir mit einem Viertel der Emissionen aus Landwirtschaft und Ernährung. Darin ist auch die Abholzung zugunsten der Futter- und Nahrungsmittelproduktion enthalten. Diese Emissionen sind aber schwierig zu messen. Vor allem die Zuweisung zu einzelnen Ländern und Lebensmitteln ist kaum möglich.
Das Interessanteste passierte in den Neunzigern. Damals führte der Bund den ökologischen Leistungsnachweis ein. Die Voraussetzung für die Direktzahlungen an die Landwirte. Das brachte viel. Die Düngewirtschaft wurde viel effizienter, unter anderem der Stickstoffeinsatz. Der Import von Mineraldünger ging stark zurück. Die Lachgasemissionen sanken. Und in der Viehwirtschaft gab es Effizienzfortschritte. So stieg die Milchleistung der Kühe zwischen 1990 und 2012 stark an. Heute wird mit viel weniger Tieren gleichviel Milch produziert. Die Verbesserungen geschahen also hauptsächlich zwischen 1990 und Anfang des neuen Millenniums, dann stagnierten die Zahlen. Die Emissionen gingen seit 2005 kaum weiter zurück.
Punkto Effizienz in der Milchleistung beispielsweise ist die Grenze irgendwann erreicht. Technisch noch weiter zu kommen wird immer schwieriger. Eine ähnliche Entwicklung sehen wir auch in anderen westlichen Industrieländern.
Wenn wir den Mais und den Weizen, der an Geflügel verfüttert wird, selbst essen würden, wäre das viel effizienter.
Die Wiederkäuer sind für den Grossteil der landwirtschaftlichen Methan-Emissionen verantwortlich. Und die sind wirklich relevant. Wir müssen aber auch berücksichtigen: In der Schweiz haben wir viel natürliches Grasland, das wir nicht als Acker brauchen können. Die ganzen steilen Hänge beispielsweise. Wenn wir dieses Land für die Nahrungsmittelproduktion nutzen wollen, können wir das nur mit Wiederkäuern. Der hohe Anteil an Rindvieh bei uns erklärt sich also auch durch die natürlichen Gegebenheiten. Wenn die Landwirte die Wiesen in den Alpen nicht mehr bewirtschaften, verbuschen sie und werden irgendwann zu Wald.
Die Senkung der Methanemissionen würde stark dazu beitragen, die Klimaziele in der Landwirtschaft zu erreichen. Ohne dies wird es schwierig. Allerdings sind die technischen Reduktionsmöglichkeiten – zum Beispiel mit Futtermittelzusätzen – begrenzt.
Genau. Die Potentiale liegen hier unter Versuchsbedingungen bei etwa 20 Prozent. In der Praxis dürfte es deutlich weniger sein. Bei anderen technischen Massnahmen verhält es sich ähnlich. Die Klimaziele der Landwirtschaft nur mit solchen Massnahmen zu erreichen, ist kaum lösbar.
Es kommt darauf an, von welchem Futter wir reden. Reden wir vom Gras, ist es sehr effizient. Abfallprodukte aus der Lebensmittelindustrie kann ein Tier auch umsetzen. Wenn wir hingegen von Mais oder Weizen reden, die auf Ackerflächen wachsen, ist es sehr ineffizient. Denn wir Menschen könnten diese Produkte auch selbst essen.
Sie ist ungebrochen gross. Es wird auf den Äckern viel Silomais und Futtergerste angebaut, ja. Und die meisten Wiesen, die sie sehen, werden für die Wiederkäuer gebraucht. Vielleicht mit Ausnahme von Naturschutzgebieten und hochalpiner Tundra.
So einfach ist das nicht. Denn das Geflügel konsumiert in direkter Konkurrenz zu menschlicher Ernährung. Alles, was das Geflügel oder Schweine essen, wird auf Ackerland angebaut. Wenn wir den Mais und den Weizen, der an Geflügel verfüttert wird, selbst essen, wäre das viel effizienter.
Das Potential von technischer Reduktion liegt bei 10 bis 20 Prozent und…
Nein, das Rülpsen ist entscheidender. 90 Prozent des Methans kommt vorne raus. Aber bei technischen Massnahmen stellt sich immer die Frage, wieviel tatsächlich umsetzbar ist. Leinsamen sind beispielsweise viel zu teuer. Da müssen grosse Mengen verfüttert werden. Ein halbes Kilo pro Kuh und Tag. Andere technische Lösungen? Ein Betrieb zum Beispiel in den USA mit 7000 Rindern kann gut in eine Biogasanlage investieren. Aber hier in der Schweiz mit den kleinräumigen landwirtschaftlichen Strukturen ist das viel schwieriger. Die technischen Möglichkeiten sind aufwändig und schwierig umzusetzen für den einzelnen Bauern. Es ist für ihn eben nicht so einfach, wie wenn wir von einem Verbrenner auf ein Elektroauto umsteigen – zumindest auf ein Elektroauto-Kleinwagen. Das technische Problem löst der Autohersteller für mich. Die Bauern müssen sich dagegen selber mit den ganzen Prozessen auseinandersetzen. Das braucht viel Zeit und Beratung und ist teilweise teuer.
Konsument*innen greifen vermehrt zu Hafermilch und Sojamilch: Vor allem aus gesundheitlichen Gründen. Bild: istock.com
Es geht hier nicht um populär oder unpopulär. Heute konsumieren wir ja auch ganz anders als noch vor 30 Jahren. Wenn wir das Klimaproblem lösen wollen, können wir nicht weitermachen wie bisher, das betrifft auch unsere Ernährung. Für Konsumänderungen hin zu einem umweltfreundlicheren Zustand braucht es eine langfristige Vision. Und geeignete Rahmenbedingungen. Dazu gehört auch eine Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung.
Ja, wie Hülsenfrüchte, Hafermilch oder pflanzliches Poulet, die von ihren Umweltwirkungen nachhaltiger als tierische Produkte sind. Die Gesundheit ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Die derzeitige Ernährung entspricht nicht den Empfehlungen der schweizerischen Gesellschaft für Ernährung. Die Gesundheit ist bei vielen Konsumentinnen und Konsumenten ein gewichtiges Argument.
Zumindest zeigen das diverse Studien. In Skandinavien gab es detaillierte Untersuchungen dazu. Das Gesundheitsargument zieht am stärksten.
Ich stehe oft in Kontakt mit dem Bundesamt für Landwirtschaft. Und diese Dinge werden natürlich intensiv diskutiert. Es gibt immer wieder politische Vorstösse für Veränderungen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Widerstände. Das ist Teil unseres politischen Systems.
Der Bund unterstützt die Branchen bei ihren Marketingaktivitäten, ja. Und fördert so den Absatz von Produkten aus der Schweizer Landwirtschaft. Der Bauernverband sagt aber auch, dass sie die Produktion umstellen, sobald die Nachfrage nach anderen Lebensmitteln messbar ist. Die Konsumenten sagen ihrerseits, sobald es die Produkte gibt, konsumieren wir anders. Je stärker alle Beteiligten zusammenarbeiten, desto zielführender ist das.
Ja, da passiert – gerade bei der jüngeren Generation – viel. Auch die Branchenorganisationen machen sich Gedanken. Die Lebensmittelhersteller überlegen, wie sie auf mehr pflanzliche Produkte setzen können. Die Frage ist, ob diese Prozesse schnell genug ablaufen, um die Treibhausgasbilanz der Land- und Ernährungswirtschaft im notwendigen Umfang zu verbessern.
Wenn wir die Umwelt- und Gesundheitskosten einpreisen würden, dann wären gewisse Produkte doppelt so teuer. Rindfleisch beispielsweise. Tierische Produkte generell.
In der Gesellschaft scheint ein Umdenken stattzufinden. Und das beeinflusst viele Bereiche. Die Landwirtschaft und die Ernährungswirtschaft werden vermehrt als eins betrachtet. In der EU gibt es zum Beispiel die Farm-to-Fork-Strategie. Das heisst, dass wir den ganzen Sektor – vom Konsum bis zur Versorgung – als Einheit verstehen. Da wird vieles überdacht. Auch, was die Umweltauswirkungen der Ernährung oder die Vermeidung von food waste angeht. Es wird auch immer mehr über die Einpreisung von negativen Auswirkungen des Nahrungsmittelkonsums nachgedacht.
In der Schweiz werden vielleicht 6 bis 7 Prozent des Haushaltsbudgets fürs Essen verwendet. Wenn wir die Umwelt- und Gesundheitskosten einpreisen würden, dann wären gewisse Produkte doppelt so teuer. Rindfleisch beispielsweise. Tierische Produkte generell. Dazu gibt es auch Studien der ETH. Solche Preisänderungen würden auch die Konsummuster verändern. Es gibt international auch schon diverse Vorstösse in diese Richtung, zum Beispiel die True Animal Protein Price Coalition.
Frappanter Unterschied: Die Produkte mit der grössten Treibhausgas-Intensität sind alle tierisch. Grafik: Agroscope
Das ist der mit Abstand grösste Hebel, ja. Auch wenn es noch die Option von CO2-Senken gibt, indem wir Kohlenstoff in den Böden anreichern.
Es gibt zwei Strategien, wie wir CO2 in Böden zusätzlich speichern können. Der ganze Kohlenstoff in den Böden kommt durch die Photosynthese der Pflanzen. Der eine Weg ist hier, mehr Pflanzenmaterial und damit mehr Biomasse in die Böden zu bringen. Um das zu produzieren, braucht es je nach Bewirtschaftung Stickstoffdünger. Aber mehr Stickstoffdünger hiesse auch wieder mehr Lachgas. Der andere Weg ist, die aktuelle Biomasse zu stabilisieren. So, dass der Kohlenstoff nicht so schnell wieder aus dem Boden verloren geht. Eine Strategie ist zum Beispiel, gewisse Böden nicht mehr zu pflügen.
Wichtig ist die Kohlenstoffbilanz. Es wird beim Pflügen zwar CO2 freigesetzt. Gleichzeitig wandert die oberste Schicht, die am meisten Kohlenstoff speichert, nach unten. Dort ist der Kohlenstoff besser geschützt. Weitere wichtige Punkte sind die Bewirtschaftung von Moorböden und die Pflanzenkohle. Wenn Moorböden entwässert und landwirtschaftlich genutzt werden, sind sie eine sehr starke CO2-Quelle. Eine positive Wirkung verspricht man sich von Pflanzenkohle, wenn beispielsweise Grünschnitt aus Städten verkohlt wird. Diesen Vorgang nennt man Pyrolyse, das ist eine thermische Behandlung mit ganz wenig Sauerstoff. Daraus entsteht eine sehr stabile Form von Kohlenstoff. Diese Kohle wird dann auf die Äcker ausgebracht und eingearbeitet. Die Hoffnung ist, dass sie dort sehr lange gespeichert bleibt. Das wird gerade stark diskutiert und bei Agroscope erforscht.
Der Wissenschaftler Daniel Bretscher über den Methan-Ausstoss der Kühe: „Sobald die Tiere da sind, ist die Bilanz meist negativ.“
Ein Graslandboden enthält mehr Kohlenstoff als ein Ackerboden. Unter anderem weil er nicht gepflügt wird. Oder nur selten, wenn er erneuert wird. Zudem ist der Boden kontinuierlich mit Vegetation bedeckt. Gras hat viel Wurzelwerk und viel Kohlenstoff-Eintrag. In der Schweiz wird aber langjähriges Grasland irgendwann nicht weiter Kohlenstoff anreichern. Weil sich ein Gleichgewichtszustand zwischen Humusaufbau und -abbau einstellt. Das belegen unsere Messungen und Modellrechnungen. In einzelnen Fällen kann zwar Kohlenstoff in den Böden aufgebaut werden. Im Mittel sind aber die Mineralböden in der Schweiz bereits im Gleichgewicht.
Das hängt von der Tierdichte ab. Bei der jetzigen Tierdichte überwiegen die Treibhausgasemissionen, vor allem das Methan. Der Boden kann in der Regel nicht so viel Kohlenstoff zusätzlich binden, um die Emissionen zu kompensieren. Sobald Tiere da sind, ist die Bilanz meist negativ.
Rein theoretisch wäre das möglich. Teile des St. Galler Rheintals oder des Seelands beispielsweise waren grossflächige Flachmoore. Man könnte sie wieder vernässen und so den Kohlenstoff vor dem Abbau schützen. Das allein würde viel bringen. Ein erneuter Aufbau von Kohlenstoff würde jedoch nur sehr, sehr langsam erfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das noch eine Utopie.
Der Biologe Daniel Bretscher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter von Agroscope,, dem Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung. Er ist Verantwortlicher für das Treibhausgasinventar der schweizerischen Landwirtschaft und beschäftigt sich in dieser Funktion auch mit Klimaschutzmassnahmen in der gesamten Land- und Ernährungswirtschaft.
Super gemacht Dani, hoffen wir das dein Vortrag und dein allgemeines Wirken viele erreicht!