Mit Schneemangel – wie hier in Engelberg – werden wir in Zukunft immer öfter konfrontiert werden. Das hat massive Auswirkungen auf den gesamten Wasserkreislauf. Bild: istock.com
Einmal mehr liegt Anfang Februar kaum mehr Schnee in mittleren Lagen. Welche Auswirkungen hat das? Manuela Brunner beschäftigt sich als Leiterin der Forschungsgruppe Hydrologie und Klimafolgen in Gebirgsregionen am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF und der ETH Zürich mit solchen Fragen. Sie erforscht hydrologische und klimatische Extreme in Gebirgsregionen im Zuge des globalen Klimawandels.
Manuela Brunner: Bei dieser Studie haben wir untersucht, wie sich die Auslösefaktoren von Dürreperioden in der Schweiz in den letzten 50 Jahren entwickelt haben. Unter anderem haben wir dabei festgestellt, dass vor allem eine zunehmende Verdunstung im Sommer und Schneeschmelzdefizite einen negativen Einfluss auf den Abfluss in den Fliessgewässern hat. Sie können Trockenheitsereignisse begünstigen. Der Grund für die Schneeschmelzdefizite ist klar: die Schneefallgrenze steigt und daher fällt weniger Schnee.
„Dass unsere Gletscher gegen Ende des Jahrhunderts nicht mehr da sind, ist so gut wie sicher“
Manuela Brunner: Wir wissen, dass die steigenden Temperaturen zu mehr flüssigem Niederschlag im Winter und damit zu weniger Schneefall führen. Durch den wegfallenden Schneefall im Winter wird wiederum die Schneeschmelze im Sommer beeinflusst. Das führt dazu, dass der Grundwasserspiegel und die Pegelstände der Seen niedriger sind als normal und auch der Abfluss in den Fliessgewässern geringer ist.
Dass unsere Gletscher gegen Ende des Jahrhunderts nicht mehr da sind, ist so gut wie sicher. Auf diese Situation müssen wir uns einstellen. Das Problem der fehlenden Gletscherabflüsse wird sich besonders in heissen Sommern zeigen, weil dann wichtige Abflussbeiträge fehlen. Wenn wir den Gletscherbeitrag verlieren, dann haben wir einen wichtigen Speicher weniger. was Trockenheitsereignisse im Sommer weiter intensivieren kann.
„Wasserknappheit wird im Sommer in Zukunft häufiger vorkommen“
Unsere Studie aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, dass im Sommer in Zukunft Wasserknappheit häufiger vorkommen wird als in der Vergangenheit. Das ist richtig.
Während das Veränderungssignal für Trockenheit relativ klar ist und in Richtung Zunahme zeigt, sind Veränderungen im Hochwassergeschehen weniger klar sichtbar und räumlich sehr heterogen. In gewissen Gebieten hat die Grösse und Stärke von Hochwassern zu- in anderen abgenommen.
„Als natürlicher Hochwasserschutz können gezielte Überflutungsflächen geschaffen werden“
Hochwasserschutz kann auf verschiedenen Ebenen ansetzen. Einerseits sind bauliche Massnahmen wie der Bau von Rückhaltebecken möglich. Andererseits sind auch naturnahe Lösungen denkbar, bei denen den Gewässern mehr Raum gegeben und gezielte Überflutungsflächen geschaffen werden.
Das Auftreten von Trockenheitsereignissen verändert die Bodenbeschaffenheit und kann zur Krustenbildung führen. Dies hat einen negativen Effekt auf die Infiltrationskapazität des Bodens. Das heisst, wieviel Wasser er pro Zeiteinheit aufnehmen kann. Das führt zu einer Zunahme von Hochwasserspitzen, die durch extremen Niederschlag ausgelöst werden.
„Bei der Nachfrage von Wasser kann man zum Beispiel die Bewässerung optimieren, um in der Landwirtschaft weniger Wasser zu verbrauchen“
Der fast ausgetrocknete Sihlsee im Sommer 2020: Mit Wasser muss in Zukunft sparsamer umgegangen werden. Bild: istock.com
Man kann an zwei Stellen ansetzen: Entweder bei der Verfügbarkeit von Wasser oder bei der Nachfrage. Bei der Nachfrage von Wasser kann man zum Beispiel die Bewässerung optimieren, um in der Landwirtschaft weniger Wasser zu verbrauchen. In der Industrie könnten besonders wasserintensive Prozesse effizienter gemacht werden um Wasser zu sparen. Oder jeder kann bei sich Zuhause Wasser sparen. Da gibt es viele Optionen. Wenn man die Nachfrage optimiert hat, aber doch noch zu wenig Wasser da ist, muss wahrscheinlich auch beim Angebot geschraubt werden. Das ist dann meistens eher mit ingenieurtechnischen Massnahmen verbunden.
Man kann sich beispielsweise überlegen, Wasser von einem Gebiet in ein anderes umzuleiten oder Wasserspeicher zu bauen. Diese Speicher könnte man zum Beispiel dort bauen, wo Gletscherseen entstanden sind durch den Klimawandel. Das sind natürlich sehr grosse Eingriffe in die Natur und man muss sich überlegen, ob man das möchte.
„Das Problem ist, dass Wasser zu günstig ist. Kaum jemand spart Wasser wegen der Kosten“
Jede Person in der Schweiz verbraucht grosszügig Wasser: cirka 140 Liter Trinkwasser pro Tag, davon 36 Liter für Bad und Dusche. Bild: istock.com
Deshalb ist auch die Verbraucherseite so wichtig. Der einfachste Weg, also einfachste Weg im Hinblick auf die technischen Umsetzungsmöglichkeiten und finanziellen Ressourcen, ist der Verzicht.
Das Problem ist, dass Wasser zu günstig ist. Kaum jemand spart Wasser wegen der Kosten. Ich glaube, die meisten Menschen in der Schweiz merken nicht, ob sie doppelt soviel oder halb so viel Wasser brauchen. Das ist in anderen Ländern ganz anders. In Australien zum Beispiel ist der Preis des Wassers mengenabhängig. Wenn man durchschnittlich viel Wasser braucht, bezahlt man einen Basispreis. Aber sobald man eine gewisse Limite überschreitet, wird Wasser exponentiell teurer. Das merken die Verbraucherinnen am Ende des Monats. Das ist in der Schweiz nicht so und deswegen gibt es kein wirkliches Anreizsystem Wasser zu sparen. Das wäre ein Ansatzpunkt.
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