Maturareisen mit
dem Flugzeug -
nicht alle sind
Klimajugend

5 Minuten
28. Juni 2023

Flugscham wegen der Klimakrise? Bei diesem Thema ist auch die Jugend gespalten. Das zeigt sich am Beispiel von Maturareisen. Gleich drei Klassen der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen nehmen das Flugzeug für die Reise ins Ausland. Zwei Kantonsschulen in Winterthur und Bern zeigen, dass es auch anders geht. Aber Klimajugend sind längst nicht alle.

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Maturareisen Flugzeug

Vorfreude auf die Reise: Viele Jugendliche fliegen auch heutzutage gerne – auch auf Klassenreisen.  Bild: istock.com

Den Lernstress hinter sich gelassen, die Maturaprüfung ist durch – was gibts Schöneres, als dies auf einer Maturareise zu feiern? Aber wohin nur? Und mit welchem Transportmittel? Mit dem Zug? Mit dem Bus? Oder doch dem Flugzeug? Gleich drei Klassen der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen haben sich in diesen Tagen für letzteres entschieden. Und bestätigen Psychologen, die sagen, der Klimawandel sei kein Schockrisiko. Eine der Klassen flog beispielsweise nach Barcelona. Ein Vorteil liegt auf der Hand: die Reisezeit. In nur 100 Minuten ist die katalanische Metropole ab Zürich-Kloten zu erreichen. Rund 10 Stunden braucht der Zug für dieselbe Strecke. Der Preis spielt bei dieser Zielgruppe – natürlich – auch eine Rolle. Wer früh genug bucht, kann Barcelona per Billigflieger – je nach Monat – für 35 (!) bis 90 Franken locker erreichen. Und selbst kurzfristig sind nicht mehr als 150 Franken auszulegen. Die einfache Strecke mit dem Zug kostet bei den meisten Anbietern um die 250 Franken pro Person. Das ist zu den absurd tiefen Flugpreisen natürlich ein Argument.

Massive Emissionen mit dem Flugzeug

Aber was ist mit dem Klima? Spielt die Flugscham bei der Generation von Fridays-for-Future keine Rolle? Denn für die rund 1700 Kilometer nach Barcelona und zurück stösst jede:r Flugreisende rund 840 Kilogramm CO2-Äquivalente aus. Während frühere Methoden den reinen CO2-Ausstoss für Flugstrecken berechneten – für diese Strecke macht dies 400 Kilogramm CO2 aus – fliessen neuerdings auch indirekte Effekte mit ein. Denn durch den Ausstoss von Partikeln in hohen Flughöhen bilden sich zusätzliche Wolken, welche zur globalen Erwärmung beitragen. Der sogenannte Radiative Forcing Effect oder RFI-Faktor kommt hier ins Spiel. In der Schweiz machen Flugreisen gemäss diesen vom Bund adaptierten Methoden mittlerweile 27 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen pro Kopf aus.

Die Zugreise steht in diesem Beispiel mit rund 40 Kilogramm CO2 pro Kopf massiv besser da. 20 Mal weniger Treibhausgase werden ausgestossen. Selbst eine Busreise hätte einen massiv besseren Klima-Fussabdruck als das Flugzeug. Die Klasse mit 20 Personen hat zusammengerechnet bei ihrem Trip also alleine fürs Fliegen über 16 Tonnen CO2 ausgestossen. Der Jahres-Ausstoss pro Kopf an CO2-Äquivalenten liegt in der Schweiz bei rund 14 Tonnen. Darin eingerechnet sind importierte Güter und Dienstleistungen.

St.Galler Prorektor: „Sind uns der Situation bewusst“

Stefan Strasser, Prorektor an der Kantonsschule am Burggraben in St.Gallen, sagt zur Reise der Maturanden: „Wir sind uns der Situation bewusst. Das Thema der Nachhaltigkeit in einer umfassenden Betrachtung ist der Schule ein Anliegen. Es wird in diversen Gefässen und bei verschiedenen Anlässen thematisiert.“ Wie er persönlich zur Wahl der Schüler:innen steht, wollte er nicht ausführen.

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Maturareise

Klimafreundliche Reise: Mit dem Zug werden pro Person cirka 15-20 Mal weniger Treibhausgase ausgestossen als mit dem Flugzeug.  Bild: istock.com

Aber wie gehen andere Schulen mit dem Thema um? Das Gymnasium Neufeld in Bern etwa erlaubt schlicht keine Flugreisen im schulischen Kontext – und damit sind explizit auch Maturareisen gemeint. „Alle Exkursionen und Studienwochen werden mit ÖV realisiert“, sagt Rektor Matthias Küng. „In der Planung wird die Art des Reisens thematisiert, insbesondere die Frage des Mobilitätswahns. Auch ich persönlich verzichte auf Flugreisen.“

Maturareisen mit dem Flugzeug: Winterthurer Schüler verzichten freiwillig

Die Kantonsschule Büelrain in Winterthur wurde 2021 von der Klimaschutzorganisation MYBLUEPLANET als erste Schweizer Kantonsschule mit dem Label «Klimaschule» ausgezeichnet. Kein Wunder also, fliegt keine Klasse auf der Maturareise ihrem Ziel entgegen. Die Toskana beispielsweise wird mit dem Zug erreicht.  „Der Konvent hat mit Zustimmung der Schülerorganisation vor cirka vier Jahren einen Flugverzicht beschlossen“, sagt Rektor Martin Bietenhader. „Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied zu einem verordneten Flugverbot: die Beteiligten haben selbst darüber abgestimmt. Auch unsere Exkursionen und Reisen in Schullager finden alle mit dem Bus oder Zug statt.“ Eine Ausnahme gibt es dennoch. Ein Sprachaustauschprogramm findet in Irland statt. „Und dorthin kommt man mit zeitlichem Augenmass noch nicht mit dem Zug“, sagt Bietenhader.

Er persönlich ist daran, seine Flugkilometer zu reduzieren. Und führt auch Buch darüber. „Ich fliege seltener als früher. Konkret: seit Januar 2022 1960 Flugkilometer. Das heisst pro Monat durchschnittlich 115 Kilometer. Ganz ‚clean‘ bin ich noch nicht, aber ich arbeite daran.“

Der Zug bleibt bei Schulen beliebt

Die SBB hat keine separaten Zahlen für Maturareisen. Dafür wird der Zug ganz generell für Schulreisen mehr denn je gebucht.  „Im Vergleich zu 2022 verzeichnen wir eine weitere Zunahme“, sagt Mediensprecher Moritz Weisskopf. „Der Peak ist jeweils im Juni. 2022 waren es schweizweit rund 20’000 Schulklassen – in diesem Jahr werden es Ende Juni über 30’000 sein. Das sind über 750’000 Schülerinnen, Schüler und Begleitpersonen.

So oder so sind die Beispiele der drei Kantonsschulen weder repräsentativ noch zeigen sie einen Trend auf. Klar scheint nur, dass der Wille zum entsprechenden Handeln in der Klimakrise keine Altersfrage ist. Und Klimajugend sind längst nicht alle. Die Maturareise mit dem Flugzeug ist leider viel zu billig. Und die Zeit des emissionsfreien oder klimafreundlichen Fliegens vorläufig noch Zukunftsmusik.

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Autor:in: Go
Green
gogreen.ch
Kommentare
  • Avatar-Foto Cornel P.:

    Wir haben den Konsum seit der Kindheit so verinnerlicht, dass mich das gar nicht wundert.

  • Avatar-Foto Walti Kp:

    Schwieriges Thema, finde gut, dass ihr das Thema thematisiert.

  • Avatar-Foto Hannelore:

    Kein Problem! Menschengemachtes CO2 ist nicht die Ursache für die globale Erwärmung. Das sollte in der Zwischenzeit allen klar sein.

    • Avatar-Foto Martin Z.:

      Den menschengemachten Klimawandel bestreitet nicht mal mehr die SVP. Und das will was heissen. Aber auf youtube finden Sie natürlich allerlei Abstruses, das ihr Weltbild zusammenhält. Das nennt man kognitive Dissonanz. Hauptsache, Sie müssen nie auf etwas verzichten.

    • Avatar-Foto Franz von Assisi:

      Nein nein bestimmt nicht … es ist die hannelorische Denkweise

  • Avatar-Foto Stephan:

    Leider ist der Artikel nicht korrekt bzw. nicht gut recherchiert:
    Mein Sohn war in der Klasse, die nach Barcelona geflogen ist.
    Von total 17 Schülern sind 10 mit dem Flugzeug geflogen und 7 mit dem Zug gefahren. D.h. 40% haben sich für den Zug entschieden, Das ist weit besser als der Durchschnittsschweizer.

  • Avatar-Foto Soso:

    Immerhin haben 7 von 60 Schülern (3 Klassen à ca. 20 Schüler) den Zug genommen – sicher ein Schritt in die richtige Richtung, aber es ist scheinbar noch ein weiter Weg…

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