Bidirektionales Laden von Elektroautos - die Fakten und Vorteile

4 Minuten
17. März 2025

Moderne Elektroautos können nicht nur Strom tanken, sie können diesen auch wieder zurückspeisen, etwa ins heimische oder ins öffentliche Stromnetz. Durch bidirektionales Laden eröffnen sich neue Möglichkeiten. Wir zeigen die Fakten und Vorteile.

figure
bidirektionales Laden

Bidirektionales Laden mit im Modus Vehicle to Home: Tagsüber kann Solarstrom die Autobatterie aufladen, in der Nacht wird der Strom der Batterie zurück in den Haushalt gespeist.  Bild: Volkswagen

V2L, V2H, V2B, V2G, V2X: Diese Kürzel liest man in jüngster Zeit immer wieder im Zusammenhang mit Elektroautos. Sie stehen für unterschiedliche Anwendungen des sogenannten bidirektionalen Ladens. Doch was bedeuten diese Abkürzungen? Was für Möglichkeiten eröffnen sie dem Besitzer eines Elektroautos? Und vor allem: Was ist eigentlich bidirektionales Laden?

Bidirektionales Laden: So funktioniert es

Beim herkömmlichen Laden eines E-Autos fliesst der Strom nur in eine Richtung: von der Ladestation in die grosse Traktionsbatterie des Fahrzeugs. Das bidirektionale Laden ermöglicht den Stromfluss in beide Richtungen. Das bedeutet, dass die Batterie des Elektroautos nicht nur aufgeladen wird, sondern ihre gespeicherte Energie auch zurück ins Stromnetz fliessen kann. In das eigene Haus oder in externe elektrische Geräte, welche wir am Bordnetz des Autos anschliessen können. Damit der Strom vom Auto zurückfliessen kann, muss der Gleichstrom (DC) aus der Batterie des E-Autos in Wechselstrom (AC) für das Stromnetz umgewandelt werden. Das passiert in einem Wechselrichter, den die meisten modernen E-Autos bereits an Bord haben. Auch die heimische DC-Wallbox muss damit ausgestattet und entsprechend für das bidirektionale Laden vorbereitet sein.

Strom für den Haushalt oder fürs öffentliche Stromnetz

Hier kommen nun die eingangs erwähnten Abkürzungen zum Tragen. Die unterschiedlichen Möglichkeiten für bidirektionales Laden werden wie folgt definiert:

Vehicle-to-Load (V2L): Wir verwenden die Energie der Traktionsbatterie, um ein direkt an das Auto angeschlossenes Elektrogerät zu betreiben. Beispielsweise einen Kühlschrank auf dem Campingplatz oder das Elektrowerkzeug.

Vehicle-to-Home (V2H): Wir speisen die Energie der Traktionsbatterie via der heimischen Wallbox ins Stromnetz des eigenen Heims zurück.

Vehicle-to-Building (V2B): Wir speisen die Energie der Traktionsbatterie via Ladesäule/Wallbox in das Stromnetz anderer Gebäude ein.

Vehicle-to-Grid (V2G): Wir geben die Energie der Traktionsbatterie via Ladesäule oder Wallbox ins öffentliche Stromnetz ab.

Der Sammelbegriff für alle möglichen Anwendungen heisst Vehicle-to-everything (V2X).

Alles über Elektroautos – immer bei Go Green

Willst du über E-Autos mitreden? Go Green hat dafür nicht nur eine eigene Kategorie, wir haben auch Vergleiche wie die Elektroauto-Neuheiten 2025, die wichtigsten Fakten zu Elektroauto-Occasionen, 30 Elektroautos im Vergleich bei Preis, Reichweite, Ladevolumen , elektrische Lieferwagen oder wir zeigen die 15 E-Auto-Neuheiten 2024. Wir haben viel Wissenswertes wie beispielsweise die Revolution bei Batterien für Elektroautos, den Ökocheck über die Lithium-Ionen-Batterie, den Klimabilanz-Vergleich zwischen Elektroauto und Benziner oder alles zu Ladestationen für Elektroautos und die besten Tipps für die Reise!

Ladestation Strom

Das Auto daheim in der Garage an der Wallbox laden und als Zwischenspeicher nutzen – das sollte in Zukunft der Standard sein.  Bild: JEEP

Ideal mit einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach

Das Laden in beide Richtungen eröffnet eine Vielzahl an Vorteilen, sowohl für den Fahrzeugbesitzer als auch für das Stromnetz und die Umwelt. Der wohl grösste davon entsteht im Zusammenspiel mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des eigenen Hauses. Durch das bidirektionale Laden wird das Elektroauto zur mobilen Stromspeicherlösung, die überschüssigen Solarstrom speichern und bei Bedarf wieder zurück ins Hausnetz einspeisen kann. Die sogenannte Vehicle-to-Home-Lösung (V2H). Beispielsweise kann der tagsüber produzierte Solarstrom in das Fahrzeug geladen und abends, wenn der Strombedarf im Haus steigt und die Sonne nicht mehr scheint, wieder in das Hausnetz zurückgeführt werden.

Für Professor Urs Muntwyler, ehemaliger Leiter des PV-Labors der Berner Fachhochschule BFH, ist besonders dieser Einsatzbereich des bidirektionalen Ladens attraktiv, wie er im Blog energie-experten.ch erklärt: «Die Batterien der heutigen Elektroautos haben im Vergleich mit den meisten verkauften Heimspeichern eine sehr grosse Kapazität. Zumal sie im reinen Fahrbetrieb ihre Lebensdauer von bis zu 500’000 Kilometern selten erreichen dürften.»

Ins Stromnetz einspeisen und dabei verdienen

Ein weiterer möglicher Anwendungszweck: Autos könnten das Stromnetz stabilisieren (V2G). In Zeiten hoher Nachfrage könnten die gespeicherten Energiereserven vieler Elektroautos genutzt werden, um das Netz zu entlasten. Dies wäre besonders in Spitzenlastzeiten von Vorteil, wenn das Stromnetz an seine Kapazitätsgrenzen stösst. Fahrzeuge könnten also als dezentrale Energiespeicher fungieren und so zur Stabilität des Stromnetzes beitragen. Auch das ist spannend für die Fahrzeugbesitzer, die in Zukunft dafür entlohnt werden könnten, wenn sie ihre gespeicherte Energie zu solchen Zeiten zur Verfügung stellen.

Somit bietet das bidirektionale Laden eine potenzielle Möglichkeit zur Reduzierung der eigenen Stromkosten.  Wenn das Fahrzeug nachts zu günstigeren Tarifen geladen und die Energie tagsüber, wenn der Strom teurer ist, zurück in das Netz eingespeist wird, kann dies zu erheblichen Einsparungen führen. In Kombination mit dynamischen Stromtarifen könnte dies in Zukunft ein interessantes Modell für Elektroautobesitzer darstellen.

Gemäss einer Studie der ETH Zürich ist das Potenzial des bidirektionalen Ladens enorm. Die Hochschule hat die Auswirkungen von Vehicle-to-Grid (V2G) auf das Schweizer Stromsystem untersucht. Demnach würde damit nicht nur die Versorgungssicherheit im Land erhöht, sondern der Solarstrom könnte bis zu 70 Prozent effizienter genutzt werden.

Was hältst du vom bidirektionalen Laden?

Zwischenspeicher Elektroauto

Die Autohersteller sind interessiert daran, das bidirektionale Laden zu fördern, weil es das Elektroauto attraktiver macht. Bild: EON

Noch gibt es ein paar Hürden

Noch ist das Szenario des V2G in der Schweiz Zukunftsmusik. Viele Autos sind dafür bereits gerüstet, es gibt auch schon Wallboxen, die den Strom in beide Richtungen fliessen lassen können (allerdings sind diese derzeit noch sehr teuer). Doch da die Schweiz ein Flickenteppich unzähliger Stromanbieter ist, wird es so schnell keine einheitlichen Regeln und Tarife geben. Hier ist die Politik gefordert. Aktuell muss mit jedem lokalen Stromanbieter einzeln verhandelt werden, was einige Autoimporteure in der Schweiz auch tun. Denn die Autohersteller sind interessiert daran, diese Anwendungsmöglichkeiten des bidirektionalen Ladens voranzutreiben, weil sie das Elektroauto attraktiver machen.

Ein weiterer Aspekt, der berücksichtigt werden muss, ist die Auswirkung des bidirektionalen Ladens auf die Lebensdauer der Traktionsbatterie im Elektroauto. Jede Ladung und Entladung führt zu einer gewissen Abnutzung. Hier ist es wichtig sicherzustellen, dass diese zusätzlichen Zyklen die Lebensdauer der Batterie nicht übermässig verkürzen. Einige Hersteller arbeiten jedoch bereits an Technologien, um diese Abnutzung zu minimieren.

Vorteile für Autohersteller und Stromnetzbetreiber

Es gibt also einige Hürden zu meistern, bevor die Vorteile des bidirektionalen Ladens voll ausgeschöpft werden können. Die technischen Voraussetzungen an Auto und Ladestationen müssen gegeben sein – nicht nur die entsprechenden Wechsel- und Gleichrichter, sondern auch die Software, damit Verbrauch, Bedarf, zur Verfügung stehende Energie und Ladestand des Fahrzeuges erfasst und aufeinander abgestimmt werden können. Da diese Technologie sowohl für den Autobesitzer als auch für die Autohersteller und die Stromnetzbetreiber Vorteile bietet, ist zu erwarten, dass das Schaffen der entsprechenden Rahmenbedingungen weiter vorangetrieben wird.

Wir inspirieren mit Go Green – hilf mit!

Die Produktion dieses Beitrags hat einiges gekostet.

Als Leser: in von Go Green konsumierst du unsere Texte, Bilder und Videos aber ohne Bezahlschranke. Das ist gut so und soll so bleiben. Denn wir wollen so viele Menschen wie möglich über Nachhaltigkeit und die besten Zukunftslösungen informieren und inspirieren. Mit einem kleinen Betrag hilfst du uns, damit wir allen weiterhin ein spannendes Angebot zeigen können.

Das geht – beispielsweise mit Twint oder Kreditkarte – sehr schnell und einfach!

Klicke diesen Link und hilf uns, dass es bei Go Green noch mehr spannende Zukunftsthemen gibt!

Vielen Dank für deine Unterstützung

Das Team von Go Green

base iframe
Autor:in: Dave
Schneider
Dave Schneider ist Autojournalist und beschäftigt sich seit Jahren mit der Elektromobilität.
Kommentare
  • Avatar-Foto Wolfgang:

    Ich habe seit ein paar Tagen einen Ford Explorer. Da dieser auch bidi- Laden beherrscht, wollte ich meine PV-Anlage umrüsten. Leider geht das nur mit einem einzigen Hersteller (E3/DC) und bei dessen System muss zwingend ein Batteriespeicher vorhanden sein. Umrüstkosten angeblich ca. 18.000€ nur Teile.
    Was für ein Blödsinn.

Bewertungen
Bewertungen: