Elektroautos - China mischt den Markt auf

4 Minuten
27. Juni 2023

Nach vielen langen Ankündigungen und einigen Enttäuschungen etablieren sich nun chinesische Autohersteller nach und nach in Europa. Auch in die Schweiz kommen neue Marken, einige sind sogar bereits hier. In Sachen Elektroautos mischt China gerade den Markt auf.

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Elektroautos China

Elektrischer Stadtflitzer: Der Smart #1 wird komplett in China von Geely produziert, ist digital in Topform, sehr umfangreich ausgestattet, hochwertig verarbeitet und fährt sich gut.  Bild: Smart

Die «Auto Shanghai 2023» im April hat es eindrücklich gezeigt: Nun kommen die Chinesen. Wo früher vor allem die europäischen Marken ihre wichtigen Neuheiten ins Rampenlicht rückten und die heimischen Hersteller vorwiegend mit ulkig-dreisten Kopien zu glänzen versuchten, strahlten dieses Jahr gleich dutzende spannende Modelle «Made in China» um die Wette. Die chinesischen Autohersteller drängen mit voller Macht auf den Markt – nach vielen langen Ankündigungen nun tatsächlich auch in Europa. Dass es sich dabei nicht nur um die günstigsten Elektroautos, aber fast ausschliesslich um topmoderne Elektroautos handelt, versteht sich von selbst.

Elektroautos aus China – Vorgeschmack in Norwegen

Ein Vorgeschmack auf das, was da aus China alles zu uns kommen wird, gibt die Elektro-Hochburg Norwegen. Dort sind seit längerem diverse Marken aus dem Reich der Mitte präsent: Mit BYD, Nio, Hongqi, MG, Maxus, Voyah und Xpeng sind bereits sieben Hersteller im skandinavischen Land offiziell vertreten, weitere Marken wie HiPhi stehen kurz vor dem Markteintritt. Doch auch in der Schweiz regt sich etwas: Nach den Marken DFSK und Maxus, die bereits seit Jahren hier erhältlich sind und die in erster Linie kleine Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor anbieten, sind nun mit Aiways und Nio auch die ersten chinesischen Elektro-Startups offiziell bei uns vertreten. Via Direktimport sind ausserdem schon seit mehreren Jahren die Produkte von JAC erhältlich.

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Nio ET5

Ein Nio ET5: Das chinesische Elektro-Startup kommt auch in Europa an.  Bild: Nio

Mit Polestar ist ausserdem schon länger ein Elektroautohersteller aus dem Reich der Mitte hierzulande präsent. Da die Marke aber ein Volvo-Spinoff ist, wird sie in der Öffentlichkeit kaum als chinesisch wahrgenommen. Volvo-Mutterhaus Geely hat zudem noch einen weiteren Brand in Europa und auch in der Schweiz im Rennen: Die Mercedes-Marke Smart gehört nämlich seit 2020 zur Hälfte auch dem chinesischen Autoriesen. Der bereits erhältliche Smart #1 sowie der kürzlich vorgestellte #3 basieren beide auf Geely-Technik und werden in China produziert. Wer sich in diese neueste Interpretation des auf einer Schweizer Idee basierenden Kleinwagens setzt, verliert rasch alle allfälligen Zweifel an den Automarken aus dem Reich der Mitte. Der Smart ist nicht nur digital in Topform und sehr umfangreich ausgestattet, er ist zudem auch hochwertig verarbeitet und fährt sich gut. In diesen Punkten hinkten die Chinesen noch vor wenigen Jahren deutlich hinterher.

Geely breitet sich aus

Schon bald kommt ein weiteres Geely-Produkt zu uns: der Volvo EX30. Denn auch wenn der schwedische Hersteller es nicht gerne hören mag: Der neue Elektro-Kleinwagen basiert auf der gleichen technischen Basis wie der Smart #1 und läuft ebenfalls ausschliesslich in China vom Band. Der 4,23 Meter lange EX30 sei das «grünste» Modell der Firmengeschichte, verspricht der Hersteller. 25 Prozent des verbauten Aluminiums sind recycelt, genauso wie 17 Prozent des verwendeten Stahls. Auch die eingesetzten Kunststoffe bestehen zu grossen Teilen aus Sekundärstoffen. Auch im komplett veganen Innenraum kommen Materialien aus wiederverwerteten oder nachwachsenden Stoffen zum Einsatz.

Volvo EX30

Der Volvo EX30: Auch der Elektro-Kleinwagen läuft in China vom Band und ist das „grünste“ Modell der Firmengeschichte.  Bild: Volvo

Schon das Einstiegsmodell «Single Motor» verspricht mit 200 kW/272 PS starkem Heckantrieb eine hohe Fahrdynamik. Das Topmodell «Twin Motor Performance AWD» mit einem zweiten E-Motor an der Vorderachse spurtet mit einer Systemleistung von 315 kW/428 PS in sagenhaften 3,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die 51-kWh-Batterie der Basisvariante reicht für eine Normreichweite von 344 Kilometern, der 69-kwh-Akku in der Allradversion soll 480 Kilometer ermöglichen.

Doch dabei belässt es Geely nicht: Der chinesische Konzern hat 18 Automarken in seinem Portfolio – und mit Zeekr dürfte bald eine weitere davon bei uns lanciert werden. Die elektrische Premiummarke soll eine junge und solvente Zielgruppe ansprechen. Erstes Modell der Marke in Europa dürfte der Zeekr X werden, der – wie soll es anders sein – ein weiterer Ableger des Smart #1 und damit ein enger Verwandter des Volvo EX30 ist.

Zeekr X

Der Zeekr X: Ein enger Verwandter des Volvo EX30 und für eine junge und zahlkräftige Zielgruppe gebaut.  Bild: Zeekr

E-Autos: Frisches von jungen Start-ups

Bereits auf dem Schweizer Markt vertreten ist Aiways. Den Import des erst 2017 gegründeten Start-ups übernimmt Astara Switzerland, die sich mit dem Vertrieb der Marken Hyundai, Nissan, Fiat, Alfa Romeo, Abarth, Jeep sowie SsangYong, Maxus und nun Aiways zum drittgrössten Autoimporteur des Landes entwickelt hat. Während das erste Modell U5 schon seit einigen Jahren via Direktimport erhältlich ist, will der chinesische Brand nun mit dem U6 offiziell bei uns durchstarten. Optisch ist das 4,8 Meter lange SUV-Coupé ein Hingucker – technisch spielt das Modell aber nicht in der obersten Liga. Der Antrieb mit einem E-Motor an der Vorderachse mit einer Leistung von 160 kW/218 PS reicht zwar locker aus, die Batteriekapazität von 63 kWh sowie eine Normreichweite von 405 Kilometern sind allenfalls Mittelmass und bei der Ladeleistung von maximal 90 kW (DC) hinkt der Chinese der Konkurrenz hinterher. Denn besonders günstig ist der Aiways U6 mit einem Basispreis ab 48’990 Franken nicht.

Aiways U6

Elektroautos aus China: Optisch besticht der Aiways U6 innen wie aussen, punkto Reichweite und Ladeleistung hat er Aufholbedarf.  Bild: Aiways

Batterietausch bei Nio

Ein für die Schweiz spannender Kandidat ist sicher auch Nio. Bis 2025 will der 2014 gegründete Hersteller aus Shanghai in 25 europäischen Märkten präsent sein. Auch in der Schweiz – eine Niederlassung wurde bereits gegründet. Die Marke setzt auf ein vollautomatisches Akku-Austauschsystem an strategisch verteilten Batterietauschstationen, wo in nur fünf Minuten ein leerer Akku gegen einen vollen getauscht werden kann. Steht einmal keine solche Austauschstation zur Verfügung, kann dennoch an einer Schnellladesäule mit 130 kW (DC) geladen werden. Zunächst sind Akkus mit 75 oder 100 kWh erhältlich, die je nach Modell eine Normreichweite von 380 bis 580 Kilometer ermöglichen sollen. Bald soll aber auch eine 150-kWh-Batterie angeboten werden, mit der dann Reichweiten bis 850 Kilometer möglich sein sollen. In Norwegen, Dänemark, Schweden, Deutschland und in den Niederlanden ist Nio bereits mit den drei Modellen ET7, ET5 und EL7 gestartet. Wann die Marke in die Schweiz kommt, ist noch nicht bekannt.

Ora Funky Cat

Emil Frey importiert auch den Ora Funky Cat bereits nach Europa: ein stylisches Kleinauto mit Kultpotential.  Bild: Ora

Wey, Ora, BYD & Co. im Anmarsch

Es ist aber absehbar, dass bald noch weitere chinesische Marken ihr Glück in Europa und auch in der Schweiz versuchen werden. Emil Frey etwa importiert bereits die Great-Wall-Marken Wey und Ora offiziell nach Europa – da dürfte auch die Einführung in die Schweiz naheliegen, auch wenn der zweitgrösste Importeur der Schweiz dazu noch nichts sagen will. In Deutschland sind ausserdem bereits Marken wie BYD, Chery oder Link & Co. präsent – auch diese Brands vollziehen nach und nach den Wandel zur Elektromobilität und dürften dann auch bei uns antreten. Voraussetzung ist aber immer ein funktionierendes Servicenetz, und daran sind schon verschiedene Projekte gescheitert. Wie Insider berichten, wollen chinesische Hersteller nur sehr ungern in der Schweiz Servicepartner suchen und hier auch Garantie gewährleisten. Ohne einen starken Import-Partner wird es also schwierig. Die Stossrichtung ist dennoch klar: Elektroautos aus China sind schwer im Kommen.

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Autor:in: Dave
Schneider
Dave Schneider ist Autojournalist und beschäftigt sich seit Jahren mit der Elektromobilität.
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