Mit dem Elektroauto nach Sardinien - ein Kinderspiel

4 Minuten
16. August 2023

Mit dem Elektroauto nach Sardinien? Das ist viel umweltfreundlicher als mit dem Flugzeug – und mit dem gut ausgebauten Ladenetz ein Kinderspiel. Wir haben die Reise als Familie mit dem Ioniq 5 mit Allradantrieb gemacht. Die kurze Ladezeit und der üppige Platz stechen aus dem Gesamtpaket des Autos heraus. Und die Blicke waren uns sicher.

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Elektroauto Sardinien

Der Ioniq 5 4WD überzeugte bei der Reise in Sachen Ladegeschwindigkeit, Platzangebot und Komfort.  Bild: Hyundai

Wir geben es zu, waghalsige Experimente haben wir bei der Wahl des Elektroautos für die Sommerferien nicht gemacht. Der Ioniq 5 ist „World Car of the Year 2022“, und auch das Auto des Jahres 2022 in Deutschland und der Schweiz – nebst vielen weiteren Auszeichnungen. Wir testeten über den Schweizer Hyundai-Importeur astara Mobility Switzerland die Spitzenversion mit Allradantrieb, 239 kW/325 PS Leistung und einer maximalen Reichweite von 481 Kilometern.

E-Auto und Fähre: fünf- bis sechsmal umweltfreundlicher als der Flug

Bevor wir aber über die Reise und das Auto reden, interessiert uns, wie umweltfreundlich wir unterwegs waren. Die Strecke Zürich – Livorno (hin und zurück) ist 1178 Kilometer lang. Für das E-Auto mit 4 Personen berechnen wir zwischen 120 kg CO2 (mit Ökostrom) und 160 kg CO2 (durchschnittlicher Strommix), was im Vergleich zu einem Diesel oder Benziner (Verbrauch 6,5-7 Liter pro 100km) knapp die Hälfte ist (240 bis 330 kg CO2). Dazu kommt bei beiden Reisevarianten die Fähre von Livorno nach Olbia, welche für Hin- und Rückfahrt zusammen 112 kg CO2 ausmacht. Wir kommen also für die Reise zu viert im Elektroauto auf total 232 – 272 kg CO2-Ausstoss, vergleichbare Verbrenner kommen auf 350 – 440 kg CO2.

Ein Flug einer vierköpfigen Familie von Zürich nach Olbia macht total satte 1,4 Tonnen CO2-Emissionen aus. Also das Fünf- oder Sechsfache einer Reise mit Elektroauto und Fähre. Bei einem Jahres-Gesamtausstoss von 12-14 Tonnen pro Kopf zahlt also selbst diese vergleichsweise kurze Flugreise happig ein. Umso besser steht das E-Auto in der Umweltbilanz da.

Die Reise mit dem Ioniq 5 – laden in zwei Mini-Pausen

Mit dem Elektroauto nach Sardinien? Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, dachten wir uns. Und planten – um nur die Fähre nicht zu verpassen – ausgiebig Fahrzeit ein. Auch um sicher zu sein, falls an den Ladesäulen Andrang herrscht. Oder die Kinder mehr Drang der Natur verspüren, als uns lieb ist. Die Fahrt an einem Freitagabend via Gotthard, Mailand, quer durch die Toskana Richtung La Spezia und schliesslich nach Livorno war aber eine Spazierfahrt sondergleichen. Weil wir die Reichweite von 481 Kilometern nicht ausreizen wollten, planten wir mit zwei Stopps. In Coldrerio vor der italienischen Grenze stauten sich die Verbrenner vor den Zapfsäulen, während wir an den verwaisten Schnellladesäulen für 15 Minuten anhielten und die Batterie auf etwas über 80 Prozent laden konnten. Dasselbe machten wir mit einem kurzen Halt auf der Raststätte bei Ramiola in der Toskana noch einmal. Der CCS-Anschluss, der mit etwas über 220 kW bedient wurde, machte die Pause kaum nennenswert.

Hyundai hat hier mit der 800-Volt-Technologie einen grossen Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Die Batterie mit 77,4 kWh kann theoretisch innert 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden. Wir vertrauten bei der Suche gleichermassen auf die „Charge myHyundai“-App – über die auch gleich bezahlt werden kann – und auf das Ioniq-5-Navi, das uns eine Vielzahl an Ladepunkten in Norditalien zeigte. Am Fährhafen von Livorno kamen wir jedenfalls so früh an, dass wir etwas Schlaf locker nachholten. Die Ladesäulen auf Sardinien sind dann zwar dünner gesät, aber wer in der Hitze tatsächlich quer über die Insel fahren will, schafft das mit einem Blick auf die App mit den Ladesäulen und etwas Planung locker.

Schnellladung Ioniq5

Mit dem Elektroauto nach Sardinien: Die Hypercharger-Säule auf der italienischen Raststätte zeigt für den Ioniq 5 an, dass die Batterie in 14 Minuten von 27 Prozent auf 80 Prozent geladen wird.  Bild: CB

„Schatz, haben wir jetzt alles eingepackt?“

Wer sich als Familienvater jahrelang grosse Kombis gewöhnt war, ist beim Thema Ladevolumen anspruchsvoll. Vor allem, weil selbst in den Sommerferien alles mit muss. Natürlich viel zu viele Kleider, als ob nicht klar wäre, dass wir in diesem ruhigen Haus in Nordsardinien bei 35 Grad ausser Badehosen, Flipflops und ein paar Shirts nichts brauchen. Nur: es muss trotzdem immer das Notfall-Winterset und die Gala-Garderobe mit. Wer weiss denn schon, was alles passiert? Der Sohn räumt alles ein, was irgendwie nach Wassersport aussieht, die Tochter die halbe Stadtbibliothek, die sie noch schnell ausgeliehen hat. Und – okay – der Vater das vielleicht weltgrösste SUP. Mit Paddel und Pumpe. Der Ioniq 5 hatte trotzdem Platz. Die 527 Liter Ladevolumen (1600 Liter mit runtergeklappten Fondsitzen) reichten selbst uns aus. „Schatz, haben wir jetzt alles eingepackt?“

Ioniq 5 Sardinien

Kurven fahren wie auf Schienen, dazu mit den 325 PS ein ziemlich sportlicher Antritt: Der Ioniq 5 4WD.  Bild: Hyundai

Sportlich, komfortabel und einen Knopf zuviel

Was haben wir bemerkt? Dass der Sport-Modus (es gibt auch noch Eco und normal) zeigt, dass hier 325 PS mit über 600 Nm Drehmoment am Werk sind. Die „Wow“-Effekte sind bei diesem Crossover nachhaltig. Aber viel wichtiger: Der Platz. Die Kinder hatten hinten Raum zum Verschleudern. Hätten sie nicht den gesamten Haushalt mitgenommen, wäre die Rückbank sogar wie eine Liegewiese verstellbar gewesen. Auch vorne ist die Beinfreiheit grandios, die Ablagen vielseitig. Das zeigt Hyundai – und vor allem dieser Ioniq 5 – fast allen Konkurrenten, wo es langgeht.

Die beiden grossen Displays – eins hinter dem Lenkrad, eins in der Mitte – erklären alles von selbst und sind simpel, sinnvoll und stylish eingebettet. Was fiel noch positiv auf? Per Wippe am Lenkrad kann das regenerative Bremsen optimal eingestellt werden, die Rücksitze sind getrennt abklappbar und elektrisch verschiebbar, es gibt eine Sitzbelüftung vorne und – leider – auch eine Sitzheizung für vorne und hinten. Jener hinten ist der berühmte Knopf zuviel. Vor allem wenn man Kinder hat, die sich bei 35 Grad nach mehr Wärme sehnen. Dafür ist das elektrische Panoramadach – auch so ein Lieblingsknopf für Kinder – vorne. Er bietet sich vor allem ausserhalb der grössten Hitzestunden als Hin(aus)gucker an. Dazu den Sound aus dem Bose Soundsystem mit Subwoofer – grosses Kino! Natürlich hat das seinen Preis. Die Vertex-Version ist ab 67’900 Franken die teuerste, bietet aber auch einiges an Luxus. Den Allradantrieb gibts aber schon ab 55’900 Franken, die Basisversion des Ioniq 5 ab 47’900. Das ist, gemessen an den Vorzügen, wirklich vertretbar.

Bewundernde Blicke garantiert

Mit der Familie im Elektroauto nach Sardinien zu fahren – das werten auch unsere Nachbarn im Süden nicht mehr als Abenteuer, das einer Mondlandung gleichkommt. Die Italiener und Sarden haben aber eine besondere Beziehung zu Schönheit und Eleganz. Und gibts das in Verbindung mit einem Auto – dio mio – geraten sie ganz aus dem Häuschen. Junge Pärchen, ältere Herren, Teenager – alle musterten sie das bereits vielgerühmte Design des Ioniq 5. Und in der Kolonne vor der Fähre sagte einer hörbar laut: „Che macchina!“ Das muss man als Nicht-Italiener auch erst einmal schaffen.

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Autor:in: Christian
Bürge
Der Journalist ist Co-Founder und Chefredaktor des Magazins
Go Green.
www.christianbuerge.com
Kommentare
  • Avatar-Foto Willi CRÖSSMANN:

    Ich habe auch genau diesen Ioniq und lade zuhause mit Solarenergie. Nach 2500 km habe ich bisher nur cirka 30 Euro für oeffentliches Laden gebraucht. Auf Autobahnen empfiehlt sich, 120km/h einzuhalten, dann ist der Verbrauch sehr erträglich.

  • Avatar-Foto Giovanni:

    Ja nicht schneller, besser nur 80 km pro Stunde fahren, dann kannst viel länger fahren, und dazu das Panorama geniessen.

    • Avatar-Foto Willkommen im 20. Jahrhundert:

      120 bis 130 ist eine wunderbare Reisegeschwindigkeit. Auch weil weit überwiegend Tempolimits gelten. Dann liegt die Reichweite bei gut 400 km oder 3 1/2 Stunden bis zu einer Ladepause. Wo ist das Problem? Manche kapieren einfach nicht. Nie wieder Verbrenner!

  • Avatar-Foto Matthias (Matze):

    Ist es denn auf Sardinien mit so einem teuren und modernen e-Auto nicht zu gefährlich? Ich denke da an das Parken in den Städten, zu touristischen Attraktionen und am Strand. Wir trauen es und nämlich mit dem „Schwestermodell“, dem Kia EV6 nicht wirklich. Leider müssen wir zur Hochsaison (August) unseren Urlaub nehmen….. VG, Matze

    • Go Green Logo admin:

      Auch wenn es die Blicke auf sich zieht: Sarden und Italiener haben grundsätzlich Freude an einer schönen „macchina“. Aber ja, es ist immer mal möglich, dass einem das Auto mit einem Schlüssel verziert wird. Nur hat das weniger mit der Antriebsart zu tun – unserer Meinung nach.

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