Ernährungs-Fussabdruck - so isst du zukunftsgerichtet

10 Minuten
12. Januar 2022

Ernährungs-Fussabdruck – wie verkleinere ich ihn? Der Experte Christoph Meili vom WWF Schweiz hat Lösungen. Und redet über Fleisch, pflanzliche Alternativen – sogar Steffi Buchli ist Vegetarierin – , Hafermilch, Soja, Bio-Produkte oder Food-Waste. Und warum regional konsumieren überbewertet wird.

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Ernährungs-Fussabdruck Online-Magazin Nachhaltigkeit gogreen

Auch die nächste Generation will einen lebenswerten Planeten – die Ernährung spielt eine wichtige Rolle dabei. Bild: istock.com

Die Ernährung hat einen grossen Einfluss auf unseren ökologischen Fussabdruck. Viele tierische Produkte, welche die Landwirtschaft produziert, schaden unserem Klima. Dies unter anderem wegen der hohen Methan-Emissionen der Tiere. Doch die Konsument:innen haben die Wahl. Fleischersatzprodukte und gesunde pflanzliche Milch- und Käsealternativen sind hoch im Kurs. Nicht nur jetzt im Januar, den viele als Veganuary fleischlos begehen. Wir können den Ernährungs-Fussabdruck ziemlich einfach herunterschrauben.

Was ist dir punkto Ernährung wichtig?

Laut Bundesamt für Umwelt macht die Ernährung einen grossen Unterschied. Bei den Umweltbelastungs-Punkten sind es rund 28 Prozent unseres ökologischen Fussabdrucks. Das ist höher als die Zahl des WWF, wo Klimagase im Vordergrund stehen. Wie rechnet sich das?

Wenn lokale Umweltbelastungen wie Landverbrauch oder Pestizid-Einsatz politisch hoch gewichtet werden, kommen wir auf 28 Prozent. Betrachten wir das global wichtigste Umweltthema, den Einfluss auf den Klimawandel, dann ist der Anteil der Ernährung in der Schweiz geringer. Er liegt bei etwa 16 Prozent.

Wie schneidet die Schweiz bei der Ernährung im Vergleich mit dem Rest der Welt ab?

Die Pro-Kopf Emissionen der Schweizer Ernährung liegen im oberen Mittelfeld. In Japan beispielsweise liegen die ernährungsbedingten Pro-Kopf-Emissionen etwa 30 Prozent tiefer. Dies hauptsächlich, weil sie dort weniger Fleisch und Milchprodukte konsumieren. Andererseits gibt es Länder wie Australien oder Argentinien, wo der konsumbedingte Ernährungsfussabdruck etwa 2,5mal höher liegt als in der Schweiz. Dort ist der Fleischkonsum zwar nur leicht höher als in der Schweiz, aber die Produktionsbedingungen sind deutlich schlechter. Die Tiere stammen mehrheitlich aus Intensivmast und werden daher häufiger mit Kraftfutter beziehungsweise weniger Grasland-basiert gefüttert als in der Schweiz.

Ernährungs-Fussabdruck – pflanzlich essen hilft massiv

Fleisch, Milch, Käse und Eier sind für die Hälfte der Umweltbelastungs-Punkte bei der Ernährung verantwortlich. Gibt es innerhalb der tierischen Lebensmittel Verschiebungen vom Fleisch zu den Milchprodukten?

Der Fleischkonsum blieb in den letzten 20 Jahren relativ konstant hoch bei etwa 50kg pro Person und Jahr. Bei den Milchprodukten ging der Konsum von Kuhmilch etwas zurück. Der Butter-, Joghurt- und Rahmkonsum blieb in etwa konstant und der Käsekonsum legte leicht zu.

Fleischverbrauch in der Schweiz gogreen

Fleischkonsum in der Schweiz: Seit 20 Jahren stabil bei satten 50 Kilogramm pro Person und Jahr – und schlecht für den Ernährungs-Fussabdruck.  Grafik: proviande

Ernährt sich ein Fleischesser nur noch pflanzlich, reduziert sich sein Ernährungs-Fussabdruck um rund 50 Prozent oder eine Tonne CO2 pro Jahr. Wie macht der WWF den Menschen die pflanzliche Ernährung schmackhaft?

Bei der Ernährung stehen Punkte wie Geschmack, Bequemlichkeit und Tradition im Vordergrund. Daher ist es klar, dass eine nachhaltige Umstellung nicht von heute auf morgen stattfinden kann. Wir versuchen daher, den Leuten fleischlose Tage näherzubringen. Dass sie neue, pflanzenbasierte Gerichte ausprobieren und so Schritt für Schritt ihren Fussabdruck zu verkleinern. Mit jedem neuen flexitarischen, vegetarischen oder veganen Rezept, das die Leute ausprobieren, wird es besser. Der Umstieg soll auch Spass machen. Wir unterstützen daher Retailer wie Coop, Migros und Lidl, sowie Kantinen, wenn diese Ihr pflanzenbasiertes Angebote verbessern möchten.

Das Fondue geht auch pflanzlich

Sie haben die Tradition genannt. Im Winter essen viele Raclette und Fondue.

Obwohl das nicht einmal eine alte Schweizer Tradition ist. Fondue gibt es erst seit 1950 im Schweizer Armeekochbuch. Davor war es nur in gewissen Alptälern bekannt. Aber sicher nicht als Schweizer Nationalgericht. Am besten geht es mit guten pflanzlichen Produkten, die Leute zum Umsteigen zu bewegen. Coop und Migros haben damit auch einigen Erfolg. Wichtig ist auch, dass die Berufs- und Hobby-Köch:innen in der Ausbildung mehr über rein pflanzliche Gerichte lernen. Gut zubereitete Gemüse, Pilze, Nüsse und andere pflanzliche Nahrungsmittel gehören ins Zentrum jeder Mahlzeit.

Ernährungsstile Fussabdruck gogreen

Ein Veganer stösst 1,1 Tonnen CO2-Äquivalente durch seine Ernährung aus, ein Fleischesser 2,3 Tonnen. Grafik: WWF

Swissmilk promotet bei den Retailern in seitengrossen Inseraten die «pflanzenbasierte Ernährung» – mit viel Milchprodukten, versteht sich. Ist das klassisches Greenwashing?

Für uns bedeutet pflanzenbasiert, dass die Pflanze im Fokus ist. Es hat wenig Platz für tierische Lebensmittel. Die Swissmilk-Kampagne geht schon Richtung Greenwashing. Dasselbe gilt für Proviande, wenn sie die hohen Netto-Treibhausgasemissionen mit einem Teilaspekt kaschieren wollen, der gesamthaft betrachtet einfach nicht ins Gewicht fällt. In bestimmten Regionen kann die Viehwirtschaft zwar einen positiven Einfluss auf die natürliche Umwelt haben. Bezogen auf die gesamte Produktion ist das aber falsch. Da überwiegen klar die ökologischen Nachteile der Viehwirtschaft. Darum braucht es global eine starke Reduktion des Pro-Kopf-Konsums an Fleisch- und Milchprodukten. Und eine Beschränkung der Viehwirtschaft auf Flächen, wo diese nicht in direkter Konkurrenz mit der pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion steht. Oder ökologisch besonders schützenswerten Flächen.

Ernährungs-Fussabdruck: Mehr Poulet macht keinen Sinn

Wäre es besser, den Fleischessern einen Umstieg von Rindfleisch auf Poulet nahezulegen, um den Methan-Ausstoss zu verringern?

Das würde keinen Sinn ergeben. Es gibt Studien dazu, die sagen, für die globale Ernährung wäre es schlecht, wenn wir auf Schwein und Poulet umstellen würden. Weil diese Tiere vor allem mit Soja, Weizen und Reis ernährt werden. Diese pflanzlichen Nahrungsmittel essen wir viel besser selbst. Gehen sie zuerst durch die Mägen der Tiere, gehen viele wertvolle Kalorien und Nährstoffe für den Menschen ungenutzt verloren. Ein Problem ist auch, dass wir für Fleisch- und Milchproduktion verschiedene Rinder haben. Und verschiedene Hühnersorten für Eier und für die Fleischproduktion. Auch das ist völlig ineffizient. Auch da müssten wir zu einem gesünderen System mit Zweinutzungs-Rindern und -hühnern zurückfinden.

Gibt es pflanzliche Proteine, die gar nicht zu empfehlen sind?

Was die Proteine generell betrifft, schneiden die pflanzlichen Proteine durchwegs besser ab als tierische. Egal ob Seitan aus Weizenprotein, Tofu aus Soja oder Planted Chicken aus Erbsenprotein.

 

Soja hat hartnäckig ein mässig gutes Image. Wie gut schneidet Soja umwelttechnisch wirklich ab?

Global wird der weitaus grösste Teil des Sojaanbaus für die Futtermittel-Produktion gebraucht. Und Soja, der durchs Tier geht, ist ökologisch natürlich schlecht. Was bei den Vegetariern und Veganern auf dem Teller landet, ist ein Bruchteil des Soja, der weltweit hergestellt wird. Und meist kommt dieser ja auch aus europäischer Produktion.

 

Sojamilch würden Sie also durchwegs empfehlen?

Ja, Soja ist eine sehr effiziente Pflanze, die mit wenig Düngemittel- und Wassereinsatz das Protein generiert. Es ist auch gesund, weil es eine gute Mischung von Aminosäuren drin hat. Punkto Ernährung macht das also Sinn. Und wir können auf wenig Landfläche viel Soja herstellen. Sie ist vielfach effizienter als andere eiweisshaltige Pflanzen und dadurch auch viel effizienter als tierische Nahrungsmittel.

Regional konsumieren – ein Marketinginstrument

Ein Mythos ist auch, dass alles gut wird, wenn wir nur regionale Produkte konsumieren. Aber das verbessert den Ernährungsfussabdruck nur um vier Prozent. Mehr als zehnmal weniger, als wenn ich auf tierische Produkte verzichte. Regional konsumieren ist also vor allem auch ein Marketinginstrument, oder?

Das ist richtig. Wir Umweltverbände sind aber zum Teil mitschuldig, weil wir das früher auch kommuniziert haben. Klar: Transporte sind wichtig. Da werden Abgase ausgestossen. Aber besonders relevant werden sie eigentlich erst auf dem letzten Kilometer. Wenn wir ein dickes Auto fahren für eine geringe Menge Produkte. Wenn ein LKW Orangen von Spanien in die Schweiz transportiert, ist der CO2-Fussabdruck pro Kilogramm etwa gleich gross, wie wenn ich für den Kauf von einem Kilo Orangen extra einen Kilometer mit dem Auto zurücklegen würde (500 Meter hin und zurück). Weil es im Lastwagen viel effizienter pro Kilo transportiert wird. Der Langstreckentransport wird vor allem dann relevant, wenn er mit dem Flugzeug stattfindet.

Trotzdem ist regional konsumieren ja durchaus sinnvoll.

Ja, wobei der Begriff regional relativ ist. Es gibt viele Beispiele, wo regionale Produkte dann irgendwo anders in der Schweiz oder im nahen Ausland verarbeitet und verpackt werden, bevor sie wieder zurück in die regionalen Läden kommen.

Bio konsumieren – damit das Ökosystem stabil bleibt

Der WWF empfiehlt Bio-Produkte. Wieviel besser sind sie punkto Treibhausgasen und Umweltbelastungs-Punkten?

Das ist je nach Produkt unterschiedlich. Einerseits braucht es für den Bioanbau pro Kilogramm Produkt mehr Landfläche, da verschiedene Pflanzen auf der Fläche wachsen. Andererseits unterstützen sich diese Pflanzen im Idealfall gegenseitig. So dass weniger Düngemittel, Pestizide und Bewässerungsmassnahmen benötigt werden. Im Bioanbau wird zudem ein Teil der Nahrungsmittel von Tieren gefressen oder von anderen Pflanzenarten verdrängt, da nicht alles unerwünschte mit Pestiziden abgetötet wird. So entstehen auf diesen Flächen kurzfristig Ertragseinbussen. Diese Ertragseinbussen tragen jedoch dazu bei, dass das Ökosystem langfristig stabil bleibt, weil Nützlinge angelockt werden. Und diese sorgen für ein Gleichgewicht. Bei Monokulturen sind die Erträge zwar kurzfristig höher, können aber beim Eintreffen eines neuen Schädlings schlagartig sehr viel stärker reduziert werden als in einer gesunden Mischkultur.

Wie sieht es beim Gemüse aus?

Mit Biogemüse eines guten Labels gehen die Konsument:innen auf Nummer sicher, dass dieses nicht per Flugzeug transportiert wurde. Flugtransporte hätten den grössten negativen Einfluss auf die Klimabilanz von Gemüse. Weiter steht in den Bioknospe-Richtlinien, dass Betriebe möglichst rasch auf fossile Energieträger bei der Beheizung von Gewächshäusern verzichten sollen.

Kaufen Sie im Winter Bio-Tomaten aus Spanien?

Ja, allerdings eher selten. Meist gibt es solche aus der Dose und einheimisch saisonales Frischgemüse. Für die Treibhausgas-Bilanz ist der Transport aus Spanien wie erwähnt nicht sonderlich relevant. Die Wasserthematik mit einer sozialen Komponente könnte ein Thema sein, wenn einheimischen Gewässern massiv Wasser entzogen wird.. Ich achte jedoch generell mehr darauf, schmackhafte vegane Gerichte zu finden als strikt auf einheimisch-saisonales Gemüse zu setzen.

Hafermilch ist in der Schweiz eine sinnvolle Alternative

Zum Thema Milch. Dort hat Vollmilch mit etwa 1,6 Kilo CO2-Äquivalenten gegenüber 0,7 Kilo beim Sojadrink klar das Nachsehen. Auch Hafermilch ist fast so gut wie Sojamilch. Was empfehlen Sie?

Da geht es nur noch um den Geschmack. Hafer können auch Schweizer Bauern anbauen. Langfristig macht Hafer und Dinkel in der Schweiz Sinn. Eventuell in Kombination mit Soja in einer Misch- und Fruchtfolgekultur.

Fussabdruck Hafermilch gogreen

Der Ernährungs-Fussabdruck wird auch durch Hafermilch als Ersatz für Kuhmilch besser. Bild: istock.com

Es gibt kein pflanzliches Nahrungsmittel, das schlechter abschneidet als ein tierisches Nahrungsmittel, richtig?

Im Prinzip ja.

Worauf muss bei den Getränken geachtet werden? Sie machen ja rund 20 Prozent des Ernährungs-Fussabdrucks aus?

Leitungswasser ist das absolut Beste. Um den Faktor 1000 besser als abgepackt. Es kommt praktisch ohne Umweltbelastungen ins Haus. Das Mineralwasser, das mit dem Lastwagen in die Läden kommt, ist viel schlechter. Nochmals deutlich schlechter sind bei den Durstlöschern Fruchtsäfte wie Most und frischgepresster Orangensaft. Bei den Getränken, die eher unter dem Begriff Genussmittel laufen, schneiden Kaffee, Wein und Bier eher schlecht ab. Tee ist da deutlich besser als Cappucino oder Kaffee. Sieben Cappuccino mit Milch entsprechen bei den Klimagasen in etwa einer Bratwurst.

Durstlöscher Klimagase gogreen

Frisch gepresster Orangensaft hat mit 1,5 Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Liter eine sehr schlechte Klimabilanz. Grafik: WWF

Fallen Bier und Wein gross ins Gewicht?

Für Bier und Wein gibt es bereits genügend andere Gründe, etwas Zurückhaltung zu üben. Wenn sie als Genussmittel und nicht als Suchtmittel verstanden werden, ist nichts dagegen einzuwenden. Wo es wirklich einschenkt, ist bei Getränken die wir durch Leitungswasser ersetzen können. Wenn wir dieses mit Sirup süssen oder mit einem Sodagerät Sprudel hinzufügen, bleibt die Ökobilanz trotzdem deutlich besser als bei abgepacktem Mineralwasser.

Ernährungs-Fussabdruck: Ein Drittel der geniessbaren Lebensmittel wird weggeworfen

Wie stark fällt Foodwaste ins Gewicht?

Es fällt schon in der Produktionskette ins Gewicht beim Landwirt. Weil beispielsweise Gemüse nicht die gewünschte Form haben, wie sie die Konsument:innen wollen. Beim Transport gibt es Abfälle, auch in der Verarbeitung. Im Laden bleibt ein Teil liegen. Und letztendlich fällt beim Konsumenten wegen schlechter Einkaufsplanung viel Foodwaste an. Gesamtschweizerisch rechnen wir, dass entlang der Kette ein Drittel aller geniessbaren Nahrungsmittel weggeworfen werden. Davon die Hälfte im Haushalt. Also ein Sechstel der Nahrungsmittel, knapp drei Prozent unseres gesamten Fussabdrucks. Die meisten behaupten aber, bei ihnen sei es anders. Die Selbsteinschätzung ist trügerisch.

Schauen wir zu sehr auf die Ablaufdaten?

Ja, da sind wir zu strikt. Wie der Name schon sagt, wären viele Lebensmittel auch nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatum noch geniessbar. Wir sollten da mehr auf unsere Sinne (Geruch, Sehen, Fühlen und Schmecken) vertrauen. Wenn wir im Laden zudem auch mal unförmiges Gemüse kaufen oder eher solches wählen, welches kurz vor dem Ablaufdatum ist, können wir den Anbietern auch helfen in der Logistik Foodwaste zu vermeiden.

Was macht punkto Ernährungs-Fussabdruck noch Sinn?

In Mischkulturen angebautes Palmöl.

Wie bitte? Palmöl?

Ja, weil es sehr viel effizienter ist als Kokosöl, auch als Rapsöl oder Sonnenblumenöl. Wir können es auf viel weniger Fläche generieren. Ich würde es nicht komplett boykottieren. Lieber eine Margarine als Butter. Und lieber etwas, das Palmöl enthält als Kokosöl.

Christoph Meili ist Umweltingenieur MSc. ETH, beim WWF Schweiz zuständig für Ökobilanz-Fragen, insbesondere mit Bezug zu individuellem Konsum.

 

Willst du mehr über Soja wissen? Unsere Ernährungsexpertin klärt dich in diesem Artikel darüber auf!

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Autor:in: Christian
Bürge
Der Journalist ist Co-Founder und Chefredaktor des Magazins
Go Green.
www.christianbuerge.com
Kommentare
  • Avatar-Foto Chloé Z.:

    Eine gute Idee von mir war es, auf Hafermilch umzusteigen. Schmeckt mir mindestens so gut. Auch Sojamilch finde ich top.

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